Die israelische Literatur liegt mittlerweile in siebzig Sprachen übersetzt vor. Auf Deutsch sind davon mehr Titel erschienen als in irgend einer anderen Sprache. Und immer mehr Bücher stapeln sich auf den Tischen deutsch-hebräischer Übersetzerinnen wie Mirjam Pressler, Ruth Melcer und Ruth Achlama.
																				 Bislang wurde die Beliebtheit der israelischen Literatur im  deutschen Sprachraum einem Aufholbedarf zugeschrieben, einer Art  Wiedergutmachungsversuch durch Lektüre und ganz allgemein einem gesteigerten  Interesse an der israelischen Kultur. Dass diese Vorstellung heute einer  Neubewertung bedarf, die das Augenmerk vielmehr auf die künstlerische Qualität  israelischer literarischer Werke legt, zeigt ein Durchgang durch die  deutschsprachigen Buchhandlungen: Israelische Bücher werden im deutschen  Sprachraum unabhängig von ihrer Thematik gelesen. Die übersetzten Titel handeln von universellen Themen, von  der Liebe und vom Verlangen, von Einsamkeit und Zerbrechlichkeit, Auflehnung und  Tod. Und gerade diese Themen, gepaart mit Intellekt und Sprachgewandtheit, sind  Voraussetzung für den Erfolg auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Das ergibt die  jährliche Leserbefragung des Vereins des Deutschen Buchhandels. Hauptantrieb für  den Buchkauf ist demnach in erster Linie der Bildungsanspruch. Dass es eine lesenswerte israelische Literatur gibt, wurde im  deutschen Sprachraum erst spät entdeckt. Während in Israel bereits Ende der  sechziger Jahre deutschsprachige Literatur übersetzt und enthusiastisch  rezensiert wurde – etwa Günther Grass und Martin Walser, konnte man  Übersetzungen aus dem Hebräischen ins Deutsche an den Fingern abzählen. Nicht  einmal der Literatur-Nobelpreis von 1966 an Josef Agnon, den Klassiker des  Neuhebräischen, konnte Abhilfe schaffen. Die Werke Jehuda Amichais  beispielsweise, des gebürtigen Würzburgers, waren bereits in über zwanzig  Sprachen übersetzt, bevor seine Gedichte 1988 auf Deutsch erschienen. Im Jahr 1992 bekam die israelische Literatur mit der  Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Amos Oz schlagartig  mehr Resonanz im deutschen Sprachraum. Mit Amos Oz wurde die ernsthafte  israelische Literatur dem deutschsprachigen Leser zu einem Begriff. In der Folge  wurden Bücher von A. B. Yehoshua, David Grossman, Yoram Kaniuk, Meir Shalev und  anderen übersetzt . Der Deutsche Taschenbuchverlag begründete sein „Israelisches  Programm", mit Patricia Reimann als verantwortlicher Lektorin und Herausgeberin  einer Anthologie israelischer Literatur. Besonderer Beliebtheit erfreut sich in der Gegenwart die  Literatur von Frauen aus Israel. Neben Zeruya Shalev zeichnen sich Autorinnen  wie Mona Yahia, Dorit Rabinyans, Yael Hedaya, Ronit Matalon, Mira  Magen, Judith Katzir, Savyon Liebrecht und Lea Aini aus. Die deutschen Verlage verwenden im Zusammenhang mit diesen  Autorinnen auffallend oft das Wort „Liebe". Yael Hedayas „Zusammenstöße" etwa  erhielt die Gattungsbezeichnung „Eine Liebesgeschichte", während im Englischen  schlicht „A Novel" steht. Mit Liebesgeschichten aus einer vielleicht exotisch  anmutenden Welt sollen die Leser gelockt werden, bietet doch Israel, wo  Tradition und Postmoderne auf einander prallen, eine höchst dramatische Kulisse  für verwickelte Liebesangelegenheiten. Ein Trumpf der israelischen Literatur aber bleibt die  multikulturelle Gesellschaft, aus der sie kommt. Kaum eine andere Literatur  beschäftigt sich so intensiv, über Generationen hinweg, mit der Migration und  dem Zusammenleben in einer heterogenen Gesellschaft. Zwei Themen, die nach der  englisch- und französischsprachigen nun auch die deutschsprachige Literatur  erfasst haben.