Die reichhaltige Literatur der rabbinischen Responsentexte ist eine gesonderte Erscheinung im Fundus schriftlicher Zeugnisse aus dem Mittelalter. Die zumeist schriftlich erteilten Gutachten und Kommentare auf Anfragen zur Halacha und Orthopraxie wurden im Umkreis der mittelalterlichen Gelehrtenschulen in Sammlungen zusammengefasst und weitergegeben. An vorderster Stelle sind hier die u.a. im Sefer Leket Josher überlieferten Responsen des Israel ben Petachya Isserlein (Maharai, 1390-1460) zu nennen. Der Verfasser des Leket Josher, der ursprünglich aus Höchstädt in Bayern stammende Joseph (Jossel) ben Moses (1421-1490?), war Schüler des überwiegend in Wiener Neustadt wirkenden Isserlein, der hier eine der bedeutendsten jüdischen Gelehrtenschulen des Spätmittelalters etabliert hatte. Isserlein entstammte einer angesehenen österreichischen Gelehrtenfamilie; sein Urgroßvater war R. Israel aus Krems, sein Onkel Aaron Blümlein (Plumel).2 Zieht man ergänzend noch einige Aussagen, bzw. Lehrmeinungen weiterer einflussreicher Lehrmeister hinzu, wie beispielsweise die des in Worms wirkenden bedeutenden Rabbiners Meir ben Baruch von Rothenburg (Maharam Rothenburg, 1215-1293), seinerseits ein Schüler des zeitweise in Wien ansässigen großen jüdischen Rabbiners Isaak ben Or Sarua (vor 1200-um 1250), so ergibt sich ein komplexes Bild jener Lebensumstände, in der die Synagoge und ihre architektonische Erscheinung eingebunden war. Das Spektrum dieser in den Responsen behandelten Fragen zum Themenkomplex reicht von Kommentaren zu vermögensrechtlichen Fragen und liturgischen Forderungen bis hin zu gestalterischen Aspekten hinsichtlich Bau und Ausstattung der Synagogen. Konkrete Bauvorschriften bezüglich Größe, Erscheinung und Anlage werden jedoch nicht ausgesprochen. Vielmehr sind es funktionale Problemstellungen, die ausgehend von konkreten Fallbeispielen zu verallgemeinerten Lösungsansätzen führen. Abbildung 2: Graz, Darstellung der ehemaligen spätmittelalterlichen Synagoge in der Stadtansicht von Matthäus Merian von 1635 Die Synagoge wird in der halachischen Literatur als heiliger Ort eingestuft. In einem Kommentar des Joseph ben Moses heißt es dementsprechend auch, dass „unsere Synagoge ein kleines Heiligtum, von der Heiligkeit wie der Vorhof (des Tempels), in welchem geopfert wurde, sei."3 Bezüge zum Tempel werden daher auch in der Ausstattung der Synagoge immer wieder hergestellt. Ein eindruckvolles Beispiel stellt die um 1350 entstandene Synagogentür der Mödlinger Synagoge dar, die nach der Vertreibung der Gemeinde und Profanisierung der Synagoge 1420 lange Zeit als Tür des Stadtarchivs im Rathaus diente und sich heute im Besitz des Museums der Stadt im Thonetschlössl befindet (s. Abbildung).4 Die mächtige, aus Eisenplatten zusammengenietete Tür wird durch eine stilisierte Darstellung der Menorah dominiert, die aus Eisenbändern zusammengesetzt ist. Als Ausstattungsstück der Inneneinrichtung kommt auch dem Chanukahleuchter eine besondere Bedeutung zu, da er vielfach mit der Menorah symbolisch gleichgesetzt wurde. Eine Response Isserleins stellt die verschiedenen Positionen vor, die seit dem 11. Jahrhundert zur Platzierung des Leuchters in der Synagoge diskutiert wurden: Entgegen Salomon ben Isaak (Raschi 1040-1105), der von einer Orientierung der Menorah des Tempels an der Ost-Westachse ausging, favorisieren Maimonides und Moses von Coucy die Aufstellung des Leuchters am südlichen Ende der Nord-Südachse, da ihrer Ansicht nach die Menorah des Tempels auf der Südseite des Vorraums im Tempel (Hechal) stand. Diese Position wird auch von Jacob ben Ascher im Tur vertreten: „Und in der Synagoge stellen wir (die Menorah) im Süden auf zur Erinnerung an die (Tempel-)Menorah."5 Aus einer Bemerkung zur Positionierung des Chanukahleuchters in der Synagoge bei Meir ben Baruch von Rothenburg, lassen sich gleichzeitig auch Rückschlüsse auf die Lage des Eingangs gewinnen. Es heißt: „An der rechten Seite des Eingangs, wo keine Mesusah ist, soll der Chanukahleuchter aufgestellt werden; In der Synagoge rechts von der Öffnung des Arons."6 Daraus lässt sich folgern, dass der Eingang in diesem Fall auf der Südseite liegt. Eine Response aus dem Shuut ha-Radbaz zeigt jedoch, dass dies nicht immer die Regel ist, da hier der Eingang entweder auf der Süd- oder Westseite beschrieben wird, die Position des Chanukahleuchters jedoch gleich bleibt.7 Die erhaltenen Beispiele mittelalterlicher Synagogenbauten, darunter die im Raum um Wien errichteten Bauten in Bruck a.d. Leitha, Korneuburg und Sopron bestätigen, dass der Zugang in der Regel auf den Längsseiten der Bauten in der Süd- oder Nordwand erfolgte. Auch bei der archäologisch erfassten Synagoge in Wien war dies zunächst der Fall, bevor im Zuge der zweiten Umgestaltung und Erweiterung der Eingang auf die Westseite verlegt wurde.8 Die talmudische Forderung, dass die Synagoge das höchste Gebäude der Stadt sein solle, wird auch in den Responsen immer wieder bekräftigt: Zu einem konkreten Fall äußert sich Joseph ben Moses (1421-1490?) folgendermaßen: „(...) Ich glaube, mich zu erinnern, gehört zu haben, dass ein Gemeindevorsteher in Graetz (Graz) ein Haus neben der Synagoge baute (...) und der Ga’on (R. Israel Isserlein) wollte nicht, dass sein Dach höher als das Dach der Synagoge sei (...). Man erhöht sie, bis sie höher als alle Gebäude der Stadt ist."9 Dass sich diese Forderung nur innerhalb des jüdischen Wohnquartiers befolgen ließ, war eine hinzunehmende Tatsache. Die wie auch in Graz zumeist zurückgezogene Lage der Synagogenbauten innerhalb der Quartiere (s. Abbildung) erlaubte jedoch, diese Gebäude mittels hoher Dachkonstruktionen baulich aufzuwerten, ohne städtebaulich im christlich dominierten Umfeld aufzufallen. Abbildung 1: Mödling, ehemalige Tür der Synagoge, vor 1420; Museum Mödling - Thonetschlössl (Bezirks-Museums-Verein Mödling), www.museum.moedling.at.tf Zu Fragen der Umgebung und baulichen Abgrenzung des Gebäudes liegen in den Responsentexten eine große Zahl von Fällen vor, die einen Einblick in unterschiedlichste Situationen gewähren. Beispielsweise wird an den Rabbiner Meir ben Baruch von Rothenburg ein Fall herangetragen, in dem ein Badehaus neben der Synagoge die Synagogenmitglieder wegen Geruchs- und Rauchentwicklung stört.10 Dass wie in Wien, Speyer oder Worms die jüdischen Gemeindeeinrichtungen der Synagoge, des Badehauses, der Herberge und eines Lehrhauses auch gemeinsam mit öffentlichen Abortanlagen oft in einem Gebäude- oder Hofkomplex zusammengefasst wurden, wird durch die Responsen bestätigt. So ist auch im Leket Josher ein Fall aus Wien überliefert, in dem es um öffentliche Toiletten neben der Gemeindesynagoge ging.11 Ein weiterer Fall aus Wien demonstriert, dass im Hinblick auf die Zahl und Orientierung von Fensteröffnungen die auf Daniel 6,10 bezogene talmudische Forderung von nach Jerusalem gerichteten Fenstern verschieden interpretiert und ausgelegt wurde. Joseph ben Moses bezieht sich auf einen Rabbiner (vermutlich Rabbi Meir Bulda in Wien), der es in seiner Synagoge „nicht so genau" nimmt, wenn die Fenster nicht nach Osten gerichtet sind.12 Maimonides geht in seinen Auslegungen sogar soweit, dass Synagogen und Plätze, die für das öffentliche Gebet bestimmt sind, nicht notwendigerweise Fenster haben müssen.13 Charakteristisch für die Synagogenbauten des Mittelalters sind hoch ansetzende, meist schmale Fenster, die an den Stirnseiten in der Regel Rundfenster (Okuli) flankierten (Sopron, Korneuburg, Mödling). Sie dienten weniger der Belichtung als vielmehr zur Beobachtung des Sonnenauf- und unterganges. Aufschlussreich sind in den Responsen wiederum Bemerkungen zur aufwendigen Beleuchtung der Synagoge mit Kerzen oder Öllampen. Hierzu heißt es bei Meir ben Baruch von Rothenburg: „Das Licht vieler Kerzen in der Synagoge - am Tage oder in der Nacht - vermehrt den Festgeist und die Freude."14 Auch geht aus den Texten hervor, dass Lampen auf dem Toraschrein üblich waren. So bemerkt Isserlein:„(...) auf dem Aron ha-qodesh sind brennende Lampen".15 Die üppige aber auch kostenintensive Beleuchtung mittelalterlicher Synagogen wird sowohl durch die Befunde von Lampenhalterungen und Lichtergesimse, als auch durch zeitgenössische Textquellen u.a. zahlreiche Stiftungsbelege für Kerzen und Lampenöl bestätigt.16 Dies stößt nicht zuletzt auf christlicher Seite auf Unverständnis und verleitet Antonius Margharita 1530 zu dem Kommentar, dass die Juden „sehr große hoffart mit den kertzen" treiben.17 Mehrere Responsen zeigen, dass die Synagogengebäude auch für andere Zwecke genutzt wurden, die in der Regel nicht mit der Heiligkeit des Ortes kollidieren sollten. In bezug auf eine über dem Synagogenraum gelegene Dachkammer heißt es bei Meir ben Baruch von Rothenburg: „Eine Dachkammer über der Synagoge ist erlaubt, man sollte jedoch größte Vorsicht walten lassen und dort keine profanen, niederen oder unanständigen Taten vollbringen."18 Weitere hier nur am Rande erwähnte Responsen behandeln u.a. das Verbot des Bauens an Feiertagen oder den Verkauf der Synagoge.19 Die den Innenraum der Synagoge und seine Gliederung wesentlich bestimmenden Einrichtungsgegenstände sind der Toraschrein und die Bima. Auch hier geben zahlreiche Responsen Auskunft zu Gestalt, Lage, Material und Nutzung dieser Einrichtungen. Die Lage des Toraschreins ist durch die Gebetsrichtung vorgegeben und soll sich daher an der nach Jerusalem zugewandten Seite, im europäischen Raum also auf der östlichen oder südöstlichen Seite befinden. Diese Position ist sowohl bei Maimonides als auch im Tur und im Schulchan Aruch fixiert.20 Die Orientierung der Räume kann jedoch, bedingt durch den Zeitpunkt und die Methode der Ostung deutlich von der idealen Ost-Westachse abweichen (z.B. Bruck a.d. Leitha 20° und Korneuburg 12° in südliche Richtung). Oftmals musste auch die Orientierung an den Parzellengrenzen erfolgen (Hainburg, Neulengbach, Mödling). Toraschreine konnten entweder als Holzschränke vor die Wand gestellt oder als Nische in die Wand eingelassen werden. Zur Breite des Schreins, bzw. der Nische heißt es bei Meir ben Baruch von Rothenburg: „Es ist vorzuziehen, den Aron breit anzufertigen und die Rollen flach hinzulegen."21 Die vielen Äußerungen zu dieser Thematik zeigen, dass die Rollen in der Praxis meist im Schrein aufrecht aufgestellt wurden.22 Der Schrein selbst wurde bereits im Mittelalter mit einer Tür und einem Vorhang (Parochet) verschlossen.23 Eine Response Joseph ben Moses scheint darauf hinzudeuten, dass offenbar auch zwei oder mehrere Toraschreine nebeneinander üblich waren.24 Ebenfalls bei Joseph ben Moses wird auch eine Plattform genannt, die sich in der Synagoge in Wiener Neustadt auf der Seite des Toraschreins befand und von den Kohanim genutzt wurden.25 Ausgrabungsbefunde an der Synagoge auf dem Judenplatz in Wien bestätigen eine solche Erhöhung des Fußbodens auf der Ostseite.26 Die Regel, die Bima in das Zentrum des Synagogenraumes zu stellen, wird im gesamten mittelalterlichen aschkenasischen Kulturkreis generell befolgt und selbst von sephardischen Religionsgelehrten verlangt.27 Maßangaben zur Höhe und Breite der Bima finden sich in der Responsenliteratur ebenso wie Hinweise auf Material oder Brüstungshöhe.28 In Bezug auf den Zugang zur Bima ist eine Response Isserleins bemerkenswert. Auf die Frage, ob man beim Toraaufruf auf den „Turm" (Migdal=Bima) durch die östliche oder die westliche Öffnung hinaufsteigen und hinabgehen soll, lautet seine Antwort: „Ich pflege, von der meinem Platz am nächsten liegenden Seite hinaufzusteigen, und ich steige an der meinem Platz entfernten Seite hinab; wie wir sagen, dass derjenige, der das Vestibül betritt von der kürzesten eintritt und von der am weitesten entfernten hinausgeht."29 Die Frage ist insofern von Bedeutung, da sie zwei Voraussetzungen impliziert: Erstens werden zwei gegenüberliegende Aufgänge zur Bima genannt. Zweitens liegen diese auf der Ost-, bzw. Westseite und damit auch einer auf der Seite des Lesepultes. Unterschiedlichste Beispiele zeigen jedoch, dass auch Zugänge von Norden und Süden oder über die Ecken üblich waren. Ausgrabungsbefunde in Wien und Sopron weisen darauf hin, dass im österreichischen Raum die Anlage einer Bima mit hexagonaler Grundform als regionale Sonderform üblich war. Die Frage nach der Ausschmückung der Synagoge mit bildlichen Darstellungen auf Wand- und Fenstermalereien oder auf in der Synagoge aufgehängten Textilien wird in den Responsen kontrovers diskutiert. Maimonides antwortet auf die Frage nach einem Verbot halbplastischer, bzw. flacher Bilder in der Synagoge: „Wir schließen die Augen beim Gebet (...) gleichgültig ob eine Parochet oder eine bemalte Wand da ist (...)."30 Dennoch wird immer wieder die Entfernung von Wandmalereien oder Fensterbildern gefordert. Berufen wird sich dabei auf zwei Fälle, nämlich die Anordnung des Eljaqim ben Joseph von Metz (12. Jh.), mit Löwen und Schlangen bemalte Glasfenster in der Synagoge zu Köln zu entfernen, sowie auf Or Sarua, der sich diesbezüglich äußert: „Ich erinnere mich, als ich, der Verfasser noch eine kleiner Junge war, und sie in der Synagoge in Meißen Vögel und Bäume malten, entschied ich, dass es verboten sei, dies zu tun (...)".31 Auch bei der Diskussion um Figurenplastiken auf einem Toraschrein oder Parochet mit gestickten Abbildungen wird auf diese älteren Responsen verwiesen.32 Das Spektrum der Fragen zur angemessenen Ausstattung der Synagoge reichen bis zur Legitimation eines Teppichs auf einem Steinfußboden.33 Die immer wieder aufflammenden Diskussionen um das Abbildungsverbot zeigen deutlich, dass die Ausschmückung der Synagoge mit Wand- und Fenstermalereien, bestickten Teppichen oder Skulpturenschmuck auch mit figürlichen Darstellungen im Mittelalter üblich war und ungeachtet des Verbots unterschiedlich frei gehandhabt wurde. Einen Einblick in die Praxis der Geschlechtertrennung in der Synagoge gibt eine Reihe von Responsentexte, wobei weniger die Frage der Trennung selbst, als die damit verbundenen praktischen Konsequenzen erörtert werden. Im Hinblick auf die räumliche Abgrenzung von Männer- und Frauenbereichen werden überwiegend Fragen der Sitzplatzvergabe behandelt. Isserlein muss dabei feststellen „daß bezüglich der Frauensitzplätze (...) die Männer im allgemeinen nicht wissen, welcher Platz jeder einzelnen Frau gehört."34 Hier wird deutlich, dass der Bereich der Frauen für Männer meist nicht zugänglich war.35 Jedoch wurden die Frauenräume wegen ihrer geringeren Heiligkeit außerhalb der Gottesdienste auch von Männern an bestimmten Festtagen zum Übernachten genutzt.36 Mit Bezug auf Betende vor der Synagoge und die Verbindung der Frauenabteilung zum Synagogenraum erläutert Joseph ben Moses: „Sie sind wie zwei Genossenschaften in zwei Häusern (...) wenn der Vorbeter auf der Schwelle steht, die Innen und Außen vereinigt, kann dies als Aron angesehen werden. Die Frauenabteilung beweist, dass in einem Teil der Gemeinde keine Öffnung besteht (...)."37 Tatsächlich ist aus den Responsen die konkrete Information zu beziehen, dass es in Wiener Neustadt und Wien solche separaten Frauenräume gab, die sich in Wien, Korneuburg, Sopron, Maribor und Bruck a.d. Leitha auch baulich nachweisen lassen. Über die Praxis, die Verbindung zwischen dem Frauenbereich und dem Geschehen im Synagogenraum herzustellen, geben auch die Prozessakten des Trientiner Judenprozesses von 1475 Auskunft: Die Frauen, die in einem Vorraum auf einer Bank saßen, traten hier, da offenbar keine Sichtverbindung bestand, an die Tür, um der Aushebung der Tora beizuwohnen.38 Viele erhaltene Beispiele wie die Bauten in Bruck a.d. Leitha, Korneuburg und Sopron zeigen, dass in der Regel schmale Luken üblich waren, mittels welcher die Frauen dem Gottesdienst folgen konnten. Bei Joseph ben Moses finden sich bezüglich der Synagoge in Wiener Neustadt auch einige Bemerkungen zur Zuordnung der Sitzplätze im Synagogenraum, ihrer Position zum Toraschrein und der Praxis der Sitzplatzvergabe. Er erinnert sich: „Drei oder vier Plätze an der Lade (Toraschrein), die ‚Wetzel’ genannt wurde, waren frei. Dort konnten Fremde sitzen (...)." In einer der dortigen Jeschiwot saßen die Studenten „mit dem Rücken zum Aron ha-kodesch" obwohl „man nicht mit dem Rücken zum Aron ha-kodesch steht; denn der Aron ähnelt dem Heiligsten (...)."39 Grabungsbefunde in Wien, Köln oder Speyer bestätigen zudem die in den Responsentexten beschriebene Lage der regulären Sitzplätze entlang der Wände und die Unterteilung der Plätze durch Gitter oder Bretter.40 Die hier nur exemplarisch vorgenommene Auswertung zeigt den hohen Informationswert dieser Textquellen. Gemeinsam mit den erhaltenen und dokumentierten Sach- und Bauzeugnissen vermitteln sie ein lebendiges Bild jüdischen Lebens in Österreich im Mittelalter. 1 Dieser Beitrag basiert auf dem Abschnitt über rituelle und liturgische Vorgaben des jüdischen Kultus im Mittelalter in Paulus, Simon: Die Architektur der Synagoge im Mittelalter, Überlieferung und Bestand, Petersberg 2007, hier S. 43-53, sowie Kern-Ulmer, Brigitte: Rabbinische Responsen zum Synagogenbau, Hildesheim 1990, und Keßler, Katrin: Liturgische und religionsgeschichtliche Voraussetzungen für den neuzeitlichen Synagogenbau, Diss. TU Braunschweig 2004. 2 Zu den in Österreich wirkenden Gelehrten siehe Spitzer, Shlomo: Bne Chet –Die österreichischen Juden im Mittelalter, Wien 1997, S. 161-186. Eine Übersicht der hebräischen Schriftquellen zum österreichischen Judentum im Mittelalter findet sich in Keil, Martha: Gemeinde und Kultur. Die mittelalterlichen Grundlagen jüdischen Lebens in Österreich, in: Geschichte der Juden in Österreich (Österreichische Geschichte, hg. v. Herwig Wolfram), Wien 2006, S. 15-122, hier S. 27-32. 3 Sefer Leket Yosher, S. 31, nach Kern-Ulmer (1990), S. 104f, siehe dort auch zur Bedeutung/Heiligkeit des Vorhofes nach Rambam, S. 157. 4 Dank an Frau Monika Chromy und das Museum Mödling für die Bereitstellung von Fotomaterial und Informationen. Zur Tür siehe auch Burger, Peter u. a.: Ausgelöscht - Vom Leben der Juden in Mödling, Wien/Mödling 1988, S. 18ff und Paulus (2007), S. 359-363. 5 Nach Mann, Vivian: Zu einer Ikonografie der mittelalterlichen Diaspora-Synagogen, in: Europas Juden im Mittelalter, Beiträge des internationalen Symposiums in Speyer vom 20.-25. Oktober 2002, hg. v. Christoph Cluse, Trier 2004, S. 365-376, S. 369f. 6 Sefer Shut Maharam ben R. Barukh, S. 196, Kern-Ulmer (1990), S. 132. 7 „Eine Frage an den einsichtigen und aufgeklärten Schmuel (...). Unser Rabbi, unterweise uns bezüglich der Erklärung in Orakh Chaijm, Hilkot Chanukah; denn in der Synagoge stellt man den Chanukahleuchter im Süden auf. Darauf stützt man sich und stellt ihn an die südliche Wand der Synagoge in die Mitte der Wand, selbst wenn dort kein Eingang ist. Meiner Meinung nach sieht es schändlich aus, denn einen Chanukahleuchter stellt man nur an die Öffnung, die auf der rechten Seite ist und so schrieb Rema, das man ihn rechts in der Synagoge aufstellt. Antwort: (...) rechts vom Eingang ist auch südlich des Eingangs (...)." Shuut ha-Radbaz Teil 3, § 510, nach Kern-Ulmer (1990), S. 135. 8 Stellvertretend Helgert, Heidrun und Martin A. Schmid: Die mittelalterliche Synagoge auf dem Judenplatz in Wien, Baugeschichte und Rekonstruktion, in: Wiener Jahrbuch für jüdische Geschichte Kultur & Museumswesen 4, 1999/2000, Bozen 2000, S. 91-110. 9 Sefer Leket Yosher, S. 31, zitiert nach Kern-Ulmer (1990), S. 104f. 10 Sefer Shut Maharam ben R. Barukh, S. 495, nach Kern-Ulmer (1990), S. 159. 11 Leket Josher, I, 86, siehe auch Spitzer, Shlomo: Bne Chet. Die österreichischen Juden im Mittelalter, Wien 1997, S. 220) Ein Abort neben der Synagoge wird im Sefer Chatam Sofer und bei Judah ben Eliezer Mintz, (Mahari Mintz, Mainz 1408?-1506, Padua) erwähnt. Siehe Sefer She‘elot u-Teshuvot Mahari Mintz, Teil 1, O.Ch. § 193, nach Kern-Ulmer (1990), Nr. 62, S. 164. 12 Kern-Ulmer (1990), S. 37. 13 Teshuvot ha Rambam, Bd. 2, § 216, Kern-Ulmer (1990), S. 36. 14 Shut Maharam ben R. Barukh, S. 191, Nr. 69: Frage zu einer stark qualmenden Öllampe in der Synagoge, S. 174f, Nr. 19; nach Kern-Ulmer (1990), S. 133. 15 Sefer Terumat Ha-Deshen Pesakim u-Ketavim § 67, nach Kern-Ulmer (1990), S. 134. 16 So beispielsweise im Nürnberger Memorbuch. 17 Margharita, Antonius: Der ganz jüdische Glaub, Augsburg 1530, zitiert nach Krautheimer (1927), S. 117. 18 Maharam ben R. Barukh, § 20, Kern-Ulmer (1990), S. 31. Siehe auch bei Maimonides, Teshuvot ha Rambam Bd. 3, § 157, Kern-Ulmer (1990), S. 31. 19 Verkauf einer Synagoge bei Chajim Elieser ben Jitzchak Or Sarua (Sefer She‘elot u-Teshuvot maharach Or Zaru‘ha, § 65) Kern-Ulmer (1990), S. 165. 20 Keßler (2004), S. 26. 21 Sefer Shut Maharam ben R. Barukh, Teil 4 § 352; nach Kern-Ulmer (1990), S. 58. 22 „(...)Thorarollen werden aufgestellt, besser ist, sie zu legen (... )." David ben Schlomo Ibn Abi Zimra (Radbaz, Spanien 1479 – 1573 Kairo), Shuut ha-Radbaz, Teil 3, § 530; nach Kern-Ulmer (1990), S. 61. 23 Zu Arontür und Parochet äußert sich z. B. Jakob ben Jehuda Weil (Mahari Weil), Sheelot u-Teshuvot we-hilkhot shechita u-vediqah, Hanau 1610, Teil 1, § 68; nach Kern-Ulmer (1990), S. 115. 24 „(...) meiner Erinnerung zufolge war sein Platz in der Synagoge in (Wiener)Neustadt auf der Nordseite auf einer kleinen Bank, die auf aschkenasisch ´sidel´ heißt. Er war auf den Aron ausgerichtet, der auf der Seite des mittleren Aron steht, und seine Rückseite ist dem Volk gegenüber..." Sefer Leket Yosher, S. 20, zitiert nach Kern-Ulmer (1990), S. 59.. 25 „Meiner Erinnerung zufolge sprach er einmal zu mir: Nimm eine Bank oder einen Hocker, der Schemel genannt wird, und stell ihn vor den Aron ha-qodesh in meiner Synagoge, damit die Kohanim darauf stehen, wenn sie zur Plattform gehen; die Höhe des Hockers war eineinhalb Spannen (...)." Sefer Leket Yosher, nach Kern-Ulmer (1990), S. 59. 26 Dort wurde in der letzten Bauphase späten des 14. Jh. bei der Erweiterung des Gebäudes der Fußboden auf der Ostseite um etwa 50 cm über die gesamte Länge erhöht. 27 So z.B. bei Maimonides und David ben Shlomoh Ibn Abi Zimra (Radbaz, Spanien 1479-1573 Kairo, Shuut ha-Radbaz, Teil 2, § 157); Kern-Ulmer (1990), S. 80. 28 So beispielsweise im Sefer Sheelot u-Teshuvot ha-Rashba, § 96); angeführt bei Kern-Ulmer (1990), S. 76f. 29 Sefer Terumat Ha-Deshen Pesakim u-Ketavim, § 119; zitiert nach Kern-Ulmer (1990), S. 78f . 30 Teshuvot ha Rambam Bd.2 § 215: Kern-Ulmer (1990), S. 113. 31 Sefer Sheelot u-Teshuvot maharach Or Zaruha Teil 2 AZ § 203 (1). Kern-Ulmer (1990), S. 147. 32 Response zu einer Löwenplastik auf dem Thoraschrein bei Josef ben Ephraim Caro (Toledo 1488-Safed 1575), She‘elot u-Teshuvot Avqat Rokhel, § 63; nach Kern-Ulmer (1990), S. 61. Dort finden sich u.a. auch Bemerkungen zu einem Parochet mit gestickten Abbildungen (Vögel) unter Verweis auf die Entfernung der Abbildungen in der Synagoge von Köln nach einer Response Rabbenu Elijaqim und ein Verweis auf die Darstellung von Vögeln und Pferden in einer Synagoge in einer Korrespondenz zwischen R. Ephraim und R. Joel. She‘elot u-Teshuvot Avqat Rokhel, § 66, nach Kern-Ulmer (1990), S. 119f. Zu einem Streit um einen bestickten Parochet in der Synagoge von Padua siehe ebenfalls bei Josef ben Ephraim Caro, She‘elot u-Teshuvot Avqat Rokhel, § 65, nach Kern-Ulmer (1990), S. 119. 33 Bei Me‘ir ben Barukh von Rothenburg, Sefer Shut Maharam ben R. Barukh, §25; Kern-Ulmer (1990), S. 114 34 Sefer Terumat Ha-Deshen Pesakim u-Ketavim, Teil 1 § 353: Kern-Ulmer (1990), S. 48. 35 „...vielleicht habt ihr bei einem früheren Kommentatoren gefunden, daß an den Plätzen, wo die Frauen in der Synagoge sitzen, Männer nicht eintreten, weil der Ort für Frauen ist..." Rashba, Sefer Sheelot u-Teshuvot ha-Rashba, Teil 2, § 52 und § 182), nach Kern-Ulmer (1990), S. 27 und 47. „Die Plätze, auf denen Frauen in der Synagoge sitzen, sind ein für Frauen abgesonderter Ort und Männer treten dort nicht ein, wenn die Frauen dort sitzen. Wir wissen nicht, was dort vorgeht (...)." Sefer She‘elot u-Teshuvot ha-Rashba, Teil 5 § 139; nach Kern-Ulmer (1990), S. 48. 36 Keßler (2004), S. 41. 37 Sefer Leket Yosher, S. 28, Kern-Ulmer (1990), S. 160. 38 Eckert, W.P.: Aus den Akten des Trientiner Judenprozesses, in: Judentum im Mittelalter, hg. v. P. Wilpert und W.P. Eckert, 1966, S. 283-336, hier S. 329. 39 Sefer Leket Yosher, S. 31, Kern-Ulmer (1990), S. 104f.
Sie befassen sich mit allen Gebieten des religiös geprägten Alltags und bieten damit einen wertvollen Einblick in die Lebenswelt jüdischer Gemeinden des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Es liegt nahe, dass jene Quellen auch für den Bauhistoriker mitunter aufschlussreiche Informationen enthalten, die das Wissen um den Bau und die Einrichtung der Synagogenbauten des Mittelalters um neue Erkenntnisse bereichern können. Gerade einige Responsen von Rabbinern, die im österreichischen Raum wirkten, erweisen sich in dieser Hinsicht von besonderer Ergiebigkeit.1