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Gründung des Entenstaates Tel Aviv

Felice Naomi WONNENBERG

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In Israel spricht man ironisch von der „Seifenblase Tel Aviv" oder vom „Tel Aviv-Staat", wenn man die Egozentrik der Tel Aviver Yuppies kommentieren will. Und tatsächlich lässt es sich ausgezeichnet und hedonistisch in der „weißen Stadt am Meer" leben, unberührt von den Raketen auf Sderot, fernab der Gebiete im Norden, die noch durch den Libanonkrieg traumatisiert sind und politisch weit entfernt von jeglicher Siedlerproblematik in der West Bank.

In Tel Aviv, der 99-jährigen, junggebliebenen „alten Dame", stechen die vielen kleine Boutiquen der jungen israelischen Designer ins Auge, „La dolce vita" in Cafés, und das Nachtleben. Was allerdings auch ins Auge sticht, ist die nicht immer so gelungene Stadtarchitektur. Zwar kann sich Tel Aviv seiner 4.000 Bauhaus-Gebäude rühmen, die der Stadt 2004 zum Titel UNESCO- Weltkulturerbe verhalfen, aber leider besteht Tel Aviv nicht nur aus Bauhaus-Architektur. Die kastenartigen Blöcke der 1960er und 70er Jahre dominieren das Stadtbild. Diese dreistöckigen Wohnblocks sind allgegenwärtig, behängt mit über Putz verlegten Kabelbündeln, den ratternden Blechkästen der Klimaanlagen und den Plastikjalousien, mit denen man in den 80er Jahren die Balkone verschloss. Die Idee war, mehr Wohnraum zu schaffen. Tatsächlich jedoch „wohnt" hinter diesen Plastikjalousien meist nur das Gerümpel, das die Mieter im Laufe der Jahre angesammelt haben.


Foto: Eran Yardeni

„Tel Aviv ist so hässlich, dass man ganze Straßenzüge einfach abreißen und von der Pike auf neu anfangen müsste", kommentierte der Künstler, Illustrator und Schriftsteller Dudu Geva diesen Zustand 2003 in einem Zeitungsartikel: „Faktum ist, dass die Stadt verloren ist. Meine Initiative setzt genau da an: man soll diese hässliche Stadt dekorieren, riesige Skulpturen von Enten und anderen Tieren aufstellen, amüsante Straßenschilder anbringen und zur Verschönerung bunte Papierschleifen in die Bäume binden." Der humorvolle Künstler propagierte seine Ideen zur „Verentung" der Stadt bis zu seinem Tod im Februar 2005. Und obwohl er seine Stadtprojekte nicht mehr selbst verwirklichen konnte - der Geist der Ente lebt fort in Tel Aviv.

Der Künstler Juval Caspi, 35, setzte, zusammen mit den beiden Kindern des verstorbenen Illustrators, Aaron und Tamar, eine der Ideen des Künstlers um: Auf das vielleicht hässlichste und zugleich prominenteste Gebäude der Stadt, die Stadtverwaltung am Itzchak Rabin Platz, wurde eine 10 Meter große, aufblasbare Gummiente platziert. Am 15. April 2008 mit großen Luftgeneratoren in Form gebracht, erhob das Gummitier bedächtig sein gelbes Haupt. Yuval Caspi hielt die feierliche Rede: „Wir haben uns heute versammelt, […] um die Gründung des Entenstaates Tel Aviv auszurufen". Seither nickt die Ente den Entenhausener Bürgern mit ihrem quietsch-orangen Gummischnabel würdevoll zu. Die haben den Plastikvogel unterdessen so sehr ins Herz geschlossen, dass Proteststürme ausbrachen, als dem Flattermann letzte Woche planmäßig die Luft ausgelassen werden sollte. Und die israelische Demokratie hat wieder einmal gesiegt. Die Dudu Geva Ente bleibt und wird auch am Freitag, dem 6. Juni auf die Gay-Pride-Parade in der Innenstadt hinunterblicken.