Über das intensive und erfüllte Leben Kurt Schuberts als  Gründer des Instituts für Judaistik und des Österreichischen Jüdischen Museums  sowie als Wissenschafter und Autor sind bereits zu seinen Lebzeiten zahlreiche  Würdigungen erschienen. Nach seinem Ableben haben alle „seine" Institutionen  Nachrufe veröffentlicht, die seine Verdienste und vor allem auch seine mutige  Haltung in der NS-Zeit beschrieben. Diesen Worten der Anerkennung, Dankbarkeit  und Trauer scheint jetzt, mehr als ein Monat nach seinem Heimgang, nichts  hinzuzufügen zu sein. Auf allen seinen Arbeitsgebieten, der Judaistik, der  Kulturgeschichte, des Museumswesens, des christlich-jüdischen Dialogs und der  katholischen Kirche hat Kurt Schubert entscheidende Impulse gesetzt, nicht nur  durch seine konkrete Tätigkeit, sondern auch und vor allem durch das Charisma  seiner Persönlichkeit. Sein Andenken wirkt in allen diesen Bereichen zum Segen.
 
																				 Univ.-Prof. Dr. Kurt Schubert s. A. Wenn ich hier einen Nachruf schreiben darf, dann möchte ich  das auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen tun, die wie ich bei Professor  Schubert studierten und unter seinen Fittichen ihre akademischen Grade erwarben.  Jeder und jede, die das Privileg hatte, bei Kurt Schubert lernen zu dürfen, hat  intensive Erinnerungen an seine Lehrtätigkeit. Ich erinnere mich noch deutlich  an meine erste Vorlesung in der achtsemestrigen „Jüdischen Geschichte" – Welcher  Luxus, diese langphasigen Überblicksvorlesungen! Sie gaben uns ein solides  Grundgerüst für alle weiteren Studien. – Ein bis auf den letzten Platz besetzter  Hörsaal im alten Judaistikinstitut in der Ferstelgasse, von – mehrheitlich  christlichen – Studierenden bis zu – mehrheitlich jüdischen – Senioren war ein  breites Zuhörerspektrum vertreten. Es herrschte eine Atmosphäre von lebendigem  Lernen, ermutigt durch Schuberts Begeisterung für das Fach, die sich in  geschliffenen Formulierungen, guten Witzen und nicht zuletzt sehr persönlichen  Erinnerungen ausdrückte. Judaistik, jüdische Geschichte war für diesen Mann, das  spürte auch die blutigste Anfängerin sofort, mehr als ein akademischer Inhalt,  den es intellektuell zu vermitteln galt. Unzählige kleine Szenen fielen allen  ein, mit denen ich nach seinem Tod über ihn sprach: seine Geduld, mit der er  ohne jede Überheblichkeit auch die ahnungslosesten Fragen beantwortete – als er  etwa als Zeichen der messianischen Zeit die „Einsammlung der Verstreuten",  Kibbuz Galujot, nannte und eine Studentin fragte, wie denn dieser Kibbuz nun  genau hieße. Oder die leuchtenden Augen, mit denen er die eben gelüftete  Interpretation einer Illumination in einer mittelalterlichen Handschrift  präsentierte. Seine nie versiegende wissenschaftliche Neugier und Liebe zur  Forschung waren uns allen beispielhaft und prägen manche von uns noch heute in  unserer beruflichen Laufbahn. Alle Themen in allen Epochen jüdischer Geschichte verstand er  als Teil eines großen Ganzen, ja sogar, möchte ich vorsichtig mit meinem  heutigen Abstand sagen, als Teil einer höheren Sinnhaftigkeit. Selbst die Schoa  wusste er zur Ehre und Würdigung der Opfer zu „erzählen" – seinen Glauben, dass  auch diese unvergleichliche Katastrophe einen göttlichen Sinn hat, der sich den  Menschen entzieht, teilte er mit seinen tief religiösen jüdischen Freunden. Eine  solche Sichtweise, verbunden mit den Emotionen, die dieses Thema immer wieder  aufs Neue in ihm hervorrief, konnte nur Einer wie er sich erlauben, der sich in  der Nazizeit nicht das Geringste hatte zuschulden kommen lassen, nicht einmal  ein Mitläufertum, nicht einmal ein Schweigen und schon gar kein Verschweigen.  Ich glaube, vor allem dies hat die Studierenden meiner Generation, die so  kritisch mit der Tätergeneration umgingen und so sensibel für falsche Töne  waren, so sehr an Kurt Schubert angezogen: Das Gefühl oder sogar die Gewissheit,  man könne sich im Notfall auf ihn verlassen. Dr. Brigitte Stemberger, eine der ersten Studentinnen an der  Wiener Judaistik, sprach in ihrer Rede bei der Seelenmesse von der talmudischen  Legende der 36 Zadikim, der 36 Gerechten, „auf denen die Welt besteht"  und die in jeder Generation auftreten, ohne dass es ihnen selbst bewusst wäre.  Einer von ihnen sei Kurt Schubert gewesen, und wer erlebt hat, wie rührend er  seine Frau Ursula in ihrer Krankheit umsorgt hat, ist geneigt, ihn schon allein  wegen dieses Verdienstes als Zadik zu sehen. Gleichfalls Schuberts Student und bereits lange Jahre selbst  Professor für Hebräisch an der Wiener Judaistik, Dr. Fritz Werner, las bei der  Seelenmesse aus dem Buch Daniel im hebräischen Original, und wenn manche auch  kein Wort verstanden, wurde doch eines hörbar: die Kraft der hebräischen  Sprache, die Kurt Schubert so geliebt hat. Daniel 12, 3 könnte jeden Nachruf  ersetzen. Wie so oft sind mehrere Lesarten möglich und ich danke Prof. Werner  für seine Übersetzung. Möge der Vers eine Widmung an unseren Lehrer, Rabenu Kurt Schubert sein, dem Einsichtigen (Maskil), der vielen von uns die  Wege eines Gerechten (Zadik) gezeigt hat:
„Die Einsichtigen werden leuchten wie die Strahlen des Firmaments, und jene, die viele auf die rechten Bahnen führten, wie die Sterne auf alle Zeiten."