Aufgewachsen im Arbeiterbezirk Ottakring, wo relativ wenige Juden lebten, erlebte der 1929 geborene Arik Brauer die NS-Zeit bewusst mit. Im Gespräch erinnert er sich „an einen Stimmungswandel in der Bevölkerung, der 1938 einsetzte". In der Schule war Brauer mit Anpöbelungen durch Mitglieder der Hitler-Jugend konfrontiert, doch besondere Gefahr ging von einem seiner Lehrer aus. An dessen riesige Knickerbockerhosen erinnerte er sich noch heute. Sein Vater, ein aus Litauen stammender Schuhmacher, der sich auf orthopädische Schuhe spezialisiert hatte, floh vor den Nazis in das Baltikum; lange Zeit wusste die Familie nichts von seinem Schicksal.
Brauers Tätigkeit in der Tischlerei des „Ältestenrates der Juden in Wien" im zweiten Bezirk – unter anderem wurden zwischen 1942 und 1945 hochwertige Möbel für Gestapo-Bonzen gefertigt – sicherte ihm das Überleben. Der Ältestenrat schützte „seine" Juden so gut als möglich, um sich nicht selbst die Existenzgrundlage zu entziehen.
																				 Frösche Doch als gegen Ende des Krieges auch die meisten  Tischlerei-Arbeiter deportiert wurden, versteckte sich Brauer und überlebte als  U-Boot. Er beseitigte auch seine jüdische Kennkarte, was in der Endphase des  NS-Regimes glücklicherweise jedoch keine Konsequenzen für ihn hatte, „da das  Regime damals schon nicht mehr so gut organisiert war". Er erinnert sich auch an  einige positive Erfahrungen mit einfachen Mitmenschen, die ihm kleinere  Hilfestellungen leisteten, wobei „die Frauen viel mutiger waren" als die Männer. Dass Wien zuerst von den sowjetischen Truppen befreit wurde,  hatte auch Einfluss auf Brauers politisches Engagement nach 1945 für den  Sozialismus. Hinzu kam, dass er in seinem Elternhaus „allgemein humanistische  Vorstellungen vermittelt bekommen" hatte, weshalb er in die kommunistische  Jugendbewegung gewissermaßen „hineingerutscht" sei. Angesichts der alles andere  als demokratischen Vorgehensweise der Kommunisten in Osteuropa distanzierte sich  Brauer jedoch zunehmend von der Bewegung. Die „endgültige Abkoppelung" vollzog  er nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes 1956. Nach Kriegsende, so erinnert sich Brauer, waren verschiedene  zionistische Funktionäre aus Israel nach Wien gekommen, um die zurückgekehrten  oder in Wien im Versteck überlebt habenden Juden zur Auswanderung nach Israel zu  überreden. Brauer war nahe daran, diesen Schritt zu wagen, doch überzeugte ihn  sein Freund Rudi Spitzer, doch in Wien zu bleiben. So immatrikulierte er an der  Akademie der bildenden Künste, wo er u.a. Albert Paris Güterloh zum Lehrer  hatte. Schon bald begründete er gemeinsam mit seinen Freunden Ernst Fuchs,  Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden die Wiener Schule des  Phantastischen Realismus, ein figurativer Malstil. Zu seinem Malstil meinte Brauer an anderer Stelle: „In  meiner Malerei gibt es keinen wirklich totalen Bruch mit der sogenannten  Wirklichkeit. Ich bringe meine Phantasiewelt über Schleichwege ein, aber frei  erfundene Gebilde behalten einen wahren Realitätsanspruch. Sie könnten  existieren oder sie werden vielleicht einmal existieren."  Unmittelbar nach Ende seines Studiums 1951 radelte Brauer  durch Europa und Afrika, seine Erfahrungen verarbeitete er später im Lied „Reise  nach Afrika".  Der vielseitig talentierte Brauer betätigte sich jedoch nicht  nur als Maler, sondern nahm auch Gesangsunterricht an der Musikschule der Stadt  Wien (ab 1947). Zudem war er ein ausgezeichneter Tänzer – so verdiente er sich  für eine kurze Zeit seinen Lebensunterhalt als Balletttänzer am Raimund-Theater.  Der Tanz führte ihn auch zu seiner Frau: Während einer Tour durch Israel, bei  der er gemeinsam mit seiner Schwester als Tanz-Duo auftrat, lernte er Naomi  Dahabani kennen, die er 1957 heiratete.
																				 Wilde Tiere Auch wenn das Paar zunächst nach Frankreich ging: Den Bezug  zu Israel verlor es nie, und so verbringen die Brauers seit 1962 jährlich  regelmäßig einige Monate in Israel. Am Haus der Familie bei Ein-Hod hat Brauer  selbst jahrelang gebaut „und dabei nie vor körperlicher Arbeit  zurückgeschreckt". Und er betont: „Das harmonische Miteinander von bildender  Kunst und Architektur war mir immer ein wichtiges Anliegen. Der Künstler muss  von Anfang an in der Planung beteiligt sein und bei der Ausführung selber Hand  anlegen." Brauers Maler-Karriere begann so richtig in Paris, damals  „das Zentrum der Malerei", wo er „einige seiner glücklichsten Jahre" verbrachte  – nicht nur, weil während seines siebenjährigen Aufenthaltes in der Seine-Stadt  zwei seiner Töchter geboren wurden. Wie vielfältig er war und ist, zeigt sich  auch daran, dass das Ehepaar Brauer unter dem Namen Naomi et Arik Bar-Or als  Volksliedsänger auftrat, und zwar sehr erfolgreich: Mit Singen bestritten sie in  den ersten Jahren ihren Lebensunterhalt. 1951 hatte er seine erste Ausstellung, der große Durchbruch  gelang 1964 mit der Ausstellung in der Pariser Galerie Flinker. Wie so viele  andere heimische Kunst- und Kulturschaffende musste Brauer zuerst im Ausland  Erfolg haben, ehe seine Leistungen auch in Österreich anerkannt wurde. Die Frage, ob es eine jüdische Kunst gäbe, verneint Brauer.  Zwar gibt es „jüdische Themen und jüdische Künstler, aber keine jüdische Kunst".  Die einzige Ausnahme bilde vielleicht Chagall. 1965 kehrte Arik Brauer mit seiner Familien nach Wien zurück,  wo er rasch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde – allerdings anfänglich  weniger als Maler denn als Sänger von Protestliedern im Wiener Dialekt. Mit  Liedern wie „Sie ham a Haus baut" oder „Sein Köpferl im Sand" griff Brauer, der  von manchen als ein Vorläufer des Austropops bezeichnet wird, politische und  gesellschaftliche Reizthemen auf: Brauer erhielt zahlreiche Auszeichnungen –  aber auch etliche Drohbriefe, vor allem von Neonazis, was ihn zur Anschaffung  einer Waffe veranlasste. Dafür hatte er mit Antisemitismus oder  Fremdenfeindlichkeit in Österreich nach 1945 keine Probleme. Nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen europäischen  Ländern, in Israel und den USA feierte der Maler Brauer in den folgenden  Jahrzehnten große Erfolge. Aber nicht nur der Maler: Auch Fernsehproduktionen  (Sesam öffne dich), Bühnenbilder (etwa die Wiener Staatsoper oder das Opernhaus  Zürich), Gebäudegestaltungen (Brauerhaus) mehren seinen Ruhm. Und auch mit  akademischen Ehren wurde Brauer ausgezeichnet: Von 1986 bis zu seiner  Emeritierung 1997 wirkte er als Professor an der Akademie der bildenden Künste  in Wien. 2002 erhielt er das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und  Kunst I. Klasse verliehen. Brauer, der wie erwähnt, regelmäßig in Israel lebt und sich  aktiv in der Friedensbewegung engagiert und dort „wunderbare Begegnungen"  gemacht hat, zeigt sich hinsichtlich der Zukunft des Friedensprozesses im Nahen  Osten nicht sehr zuversichtlich: Während in Israel speziell zahlreiche  Intellektuelle große Bereitschaft signalisieren, den Verhandlungspartnern  weitgehend entgegen zu kommen, spüre er gerade bei der Mehrzahl der arabischen  Intellektuellen keinen Willen zu Kompromissen. Ja, unter arabischen  Intellektuellen sei der Antisemitismus noch ausgeprägter als unter der einfachen  Bevölkerung. Israel werde nach wie vor als Fremdkörper in der Region  empfunden. Brauer hält eine Emanzipation der arabischen Welt von ihrem  fundamentalistischen Religionsverständnis für notwendig, damit es zu einem  friedlichen Miteinander zwischen Israeli und Arabern kommt. Literaturtipp: Arik Brauer: Die Farben meines Lebens. Amalthea/Signum-Verlag,  Wien 2006. n