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Zur Entstehungsgeschichte der „Encyclopaedia Judaica“

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Arndt Engelhardt: Arsenale jüdischen Wissens. Zur Entstehungsgeschichte der „Encyclopaedia Judaica"

Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013

350 Seiten, 18 S/W-Abbildungen,

59,99 Euro

ISBN 978-3-525-36994-4

Das 19. Jahrhundert ist in Deutschland gekennzeichnet durch das Bemühen von Juden, die volle Gleichberechtigung und Gleichstellung für die in diesem Land lebenden Juden zu erreichen. Damit einher geht nicht nur der Bau der ersten Reformsynagoge, des „Tempels" in Seesen am Harz im Jahr 1818 durch Israel Jacobson, sondern auch die Gründung des „Vereins für die Kultur und Wissenschaft des Judentums" im Jahr 1823 (schon 5 Jahre später aufgelöst, weil seine wichtigsten Mitglieder zum Christentum konvertieren!), die Begründung einer „Wissenschaft des Judentums" durch Leopold Zunz um dieselbe Zeit und 1870 die Gründung der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, nachdem in den 1840er Jahren die Berliner Universität wiederholt Gesuche von Leopold Zunz abgelehnt hat, eine ordentliche Professur für Jüdische Geschichte und Literatur einzurichten. Ebenfalls konzentrieren sich um diese Zeit die Anstrengungen darauf, eine jüdische Enzyklopädie zu schaffen, die schliesslich in der Herausgabe der ersten 10 Bände der "Encyclopaedia Judaica" auf Deutsch zwischen 1928 und 1934 gipfeln.

Zu Beginn seiner Abhandlung stellt Engelhardt ähnliche Vorhaben neben anderen in den USA und In Russland vor und zeigt, was sich auf jüdischem Gebiet tut, gleichzeitig verweist er auf ähnliche Anstrengungen und das Entstehen grosser Enzyklopädien in Frankreich („Encyclopédie"), England („Encyclopaedia Britannica") und Deutschland (das „Konversations-Lexikon"), mit denen die jüdischen Enyzklopädien konkurrieren bzw. Sie um den jüdischen Aspekt ergänzen. Zielsetzung der jüdischen Enzyklopädien ist es, einen zeitgemässen Zugang zu der eigenen Tradition zu ermöglichen und die Mehrheitsgesellschaft über jüdische Geschichte und Kultur zu informieren.

In der Zwischenkriegszeit schaffen in Berlin zwei Männer die ersten 10 der geplanten 15 Bände: der Philosoph Jakob Klatzkin (1882-1948) und Nahum Goldmann, der zionistische Politiker und spätere Präsident des World Jewish Congress (1895-1982) und dank der Hilfe von 300 Mitarbeitern, von denen viele nach den revolutionären Wirren in Russland nach Deutschland kommen und einige anschliessend weiter nach Israel ziehen, wo sie an der Hebräischen Universität in Jerusalem arbeiten.  Äussere Ereignisse bleiben nicht ohne Auswirkungen auf das Projekt., so die Bankenkrise 1931, mit der viele Geldgeber wegbrechen.

Ein weiteres Kapitel beschreibt umfassend ähnliche Projekte einer jüdischen Enzyklopädie, und ein drittes Kapitel befasst sich mit dem Inhalt. Zur Sprache kommen jüdische Geschichte, Gemeinde und Bildungswesen, ebenso wie die Sozialwissenschaften. Die Textkritik behandelt Bibelwissenschaft und jüdische Mystik aber auch das Leben in der Diaspora. Es gibt eigene Beiträge über die jüdische Kunst und Architektur und Erwägungen über Sprache, Territorium und Zugehörigkeit. Das Thema Antijudaismus und Antisemitismus seit dem Altertum kommt ebenfalls zur Sprache.

Störend anzumerken wäre, dass selbst hier in der Darstellung jüdischer Geschichte in der Antike ein Land namens „Palästina" vorkommt! Wer immer sich in der Geschichte des jüdischen Volkes in der Antike auskennt, weiss, dass der Landstrich zwischen Mittelmeer und Totem Meer verschiedene Namen besass - Kanaan, Vereinte Monarchie, Königreich Juda und Israel, die persische Provinz Jehud, Juda und seit der Ankunft der Römer im Jahr 63 v.d.Z. Judäa --, aber bis zum Jahr 135 d.Z. nie jemand etwas von einer Provincia Syria palaestina gehört hatte! Und, da wir nun einmal von einer Enzyklopädie sprechen, die es besser als der Volksmund wissen sollte (!), auch der Begriff „Heiliges Land" hat nichts mit Jüdischem zu tun. Für die Juden war es stets das „Verheissene Land", „Heilig" wurde es erst dank der christlichen Pilger seit dem 3. Jh. d.Z.

Die Entstehungsgeschichte der Encyclopaedia Judaica ist, abgesehen von dem einen oder anderen kleinen Mangel, ein gelungener Versuch, den verschlungenen Wegen zu folgen, wie Jüdisches zusammenzufassen und mithilfe des Alphabets zu ordnen und zusammenzubringen möglich ist.