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Ilse-Margret Vogel: Über Mut im Untergrund. Eine Erzählung von Freundschaft, Anstand und Widerstand im Berlin der Jahre 1943 - 1945.
Berlin: Lukas Verlag 2014. Übersetzung aus dem Englischen von Jutta Hercher. Hg. von Jutta Hercher und Barbara Schieb.
221 Seiten, 33 A/W Abbildungen. Euro 19,80
ISBN 978-3-86732-157-0
Was ist Widerstand gegen das mörderische Nazi-Regime? Bomben unter Hitlers Tisch ablegen? Auf Hitler bei einer seiner Reden schiessen? Gleise in die Luft sprengen? Das hört sich heldenhaft an und ist es auch, bringt oft jedoch keinen Erfolg, nur dem Widerständler den sicheren Tod.
Ganz anders verhalten sich die junge Ilse und ihre Freunde im Berlin zur NS-Zeit. Sie ziehen sich aus dem Leben zurück, desertieren, weil sie nicht für den Mörder kämpfen, nicht für den Mörder sterben wollen. In sechs Kapiteln erzählt Ilse Vogel, wie sie die Deserteure, den besessenen Leser und stets hungrigen Rudolph König, den schwulen Fred, den Juden und Kommunisten Otto und den begnadeten Fälscher von Dokumenten und Ausweisen Oskar bei ihrer Charade vor den NS-Chargen unterstützt, den Halbjuden Hajo vor dem Zugriff der Gestapo bewahrt, der Jüdin Vera zu ihrer Flucht aus Nazi-Deutschland verhilft. Anhand der Schilderung ihres Zusammentreffens, je eine Person in einem eigenen Kapitel, begleiten wir Ilse durch die Fährnisse zivilen Lebens in Berlin in den Jahren 1943 bis 1945, zittern mit ihr in den Bombennächten, sitzen im stickigen Luftschutzkeller und erleben am Ende die Befreiung durch die Russen.
Ilse-Margret Vogel ist 75 Jahre alt, als sie mit der Niederschrift ihrer Erinnerungen an die letzten Kriegsjahre in Berlin beginnt. Sie kommen drei Jahre später, 1992, auf Englisch, in einer ersten Auflage in San Diego, in einer zweiten 2001 in New York heraus. Denn 1950 ist Ilse von Deutschland in die USA ausgewandert und hat sich einen Namen als Autorin und Illustratorin gemacht. Insgesamt 20 Kinderbücher werden von ihr veröffentlicht; sie hat sie grösstenteils selbst illustriert, denn eigentlich will Ilse Malerin werden, damals, als sie, noch ganz jung, 1938 nach Berlin kommt. Nachmittags arbeitet sie als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei, vormittags aber studiert sie Malerei an einer privaten Berliner Kunstschule. Als die Kanzlei geschlossen wird, verdient Ilse ihren Lebensunterhalt mit dem Malen von Kitschbildern, die sie an gut situierte Kunden verkauft. Das Geld, es ist nicht gerade wenig, hilft ihr, nicht nur für sich selbst zu sorgen, sondern auch noch ihre Freunde zu unterstützen.
Und damit sind wir wieder beim Thema dieses Buches angelangt: Untergetauchten, Deserteuren und verfolgten Juden zu helfen. Die Geschichte dieser stillen Helfer ist weitgehend unbekannt. In Berlin gibt es eine bescheidene Gedenkstätte, „Stille Helden" in der Rosenthalerstrasse 39 unweit vom Hackeschen Markt, die die Zeugnisse über die Taten dieser stillen Helden sammelt. Sie - und mit diesem Buch auch Ilse-Margret Vogel beweisen: Widerstand war möglich!
Jeder, der sich mit den auch heute noch immer unbegreiflichen Taten der NS-Mörder und ihrer unzähligen willigen Helfer befasst, wird Ilses Geschichte über ihre Freunde bis zur Befreiung bis ans Ende beinahe atemlos verfolgen. Eine packende, eine fesselnde Geschichte von Mut und noch einmal Mut.