Der britische Journalist Nick Cohen publizierte einen Tag nach der großen Londoner Antikriegsdemonstration 2003 einen Artikel im Observer und wies auf eine Querfront von Extrem-Linken, Extrem-Rechten und Islamisten hin, welche diese Demonstration organisierte. Er beschwor diejenigen, die den Diktator Saddam Hussein an der Macht halten wollten, wenigstens mit seinen Opfern zu sprechen, zu denen nicht nur Kurden und Schiiten, sondern auch Sozialisten, Kommunisten und Liberale – wie sie selbst – gehörten.
Nick Cohen wurde gewarnt aber er wollte nicht glauben, dass er Zielpunkt antisemitischer Angriffe werden könnte, denn auch seine Meinung war: „Auf der linken Seite gibt es keinen Rassismus“. Dieser Optimismus wurde herb enttäuscht, er erhielt antisemitische Leserbriefe zuhauf. Die Ironie des Schicksals will es, obwohl er Cohen heißt, befindet sich in seiner Familie seit 100 Jahren kein Jude. [1]
Das Vorurteil, es könne keinen Antisemitismus bei Linken geben, ist tief  verankert und kann wahrscheinlich – wie die meisten Vorurteile – durch Tatsachen  nicht erschüttert werden. 
 Linker und mörderischer Antisemitismus kam – für alle erkennbar – während des  kalten Krieges in der Sowjetunion (Ärzteaffäre) und in einigen osteuropäischen  Volksdemokratien (z.B. Slansky-Prozess) zum Vorschein.
 In den 70er Jahren wurde Antisemitismus von der SPÖ gegen Simon Wiesenthal  instrumentalisiert, dabei kam es zu einer durchgehenden Opfer- Täter-Umkehr  sowie zur Verharmlosung der NS-Tradition und des österreichischen  Antisemitismus. „Kreisky profilierte sich hier als >echter Österreicher<, der  zwar antisemitische Argumentation bemüht, aber den Vorwurf des Antisemitismus  >im Namen aller Österreicher< empört zurückweist.“ [2]
 In diesem Sinne ist auch Fritz Edlinger, langjähriger Vertreter der SPÖ beim  Nahostkomitee der Sozialistischen Internationale, der das antisemitische Buch  „Blumen aus Galiläa“ im linken Wiener Promedia Verlag herausgab, ein „echter  Österreicher“. Der Autor – dem Edlinger bescheinigt, ein „Linke[r] und  radikale[r] Demokrat“ zu sein – ein in Schweden lebender russisch- orthodoxer  Christ, heißt seit 2001 Jöran Jermas und wurde als Israel Shamir zum Liebling  von Antisemiten linker und rechter Prägung. 
 Im Buch findet sich auch das Kapitel „Der Schatten von Zog“, von dem  Jermas-Shamir mit dankenswerter Offenheit auf seiner deutschsprachigen Homepage  vermerkte: „Aus dem Englischen übersetzt für das Deutsche Kolleg“. [Download 1.  Mai 2005 K.P.] Diese Kaderschmiede für militante Rechtsextremisten wurde bis zu  deren Zerwürfnis von den Antisemiten Reinhold Oberlercher und Horst Mahler  angeführt, die aus dem radikal linken ins neonazistische Milieu gewandert sind. 
 „Der Schatten von Zog“ ist eine seltsame Mischung aus einer prätentiös  klingenden, gegen das Judentum gerichteten Pseudo-Theologie und antisemitischer  Agitation, die mit einem Ausfall gegen die Furcht erregende Gedankenpolizei ADL  (Anti-Defamation League) beginnt. Wie stets nimmt die antisemitische Paranoia  die Pose der Entlarvung ein. Antisemiten fühlen sich tatsächlich dauernd  verfolgt und sind stets im Besitz eines geheimen Wissens. So auch Jermas-Shamir,  der die geheime Hintergrundmacht an die Öffentlichkeit zerrt: Dieser König [ZOG,  Anm. K.P.], genauso wie der jüdische Gott, mag es nicht, wenn man seinen Namen  erwähnt. [Seite 188]
 Jermas-Shamir postuliert: Das jüdische Konzept der Beziehung von Mensch zu Gott  unterscheidet sich metaphysisch von dem – sagen wir einmal – katholischen  Konzept, und zwar so sehr, wie sich Diesel von Benzin unterscheidet. Die  vorherrschende Stellung der Juden im westlichen Diskurs verursacht dieselben  Probleme, die man bekäme, würde man den Tank eines mit Diesel betriebenen Autos  mit Benzin füllen. [Seite 195, von K.P. betont]
 Der Mythos der Jüdischen Weltverschwörung inspirierte zu einer ganzen Reihe von  Fälschungen, wie die Protokolle der Weisen von Zion, mit denen Pogrome in  Russland gerechtfertigt wurden. Hitlers Denken war ebenfalls beeinflusst von den  Protokollen und diese spielten eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung des  Holocausts. In die arabische Welt gelangten die Protokolle bereits vor dem  Krieg, wo sie zu Bestsellern wurden. Heute beruft sich Hamas in ihrer Charta  explizit auf die Protokolle.[3] Auch Jermas Shamir schlägt in die gleiche Kerbe,  wenn er in einem anderen Artikel behauptet, dass auch wenn die Protokolle der  Weisen Zions gefälscht sind, deren Inhalt doch stimmt, er geht noch weiter, wenn  er den Juden Ritualmorde und Hostienschändung vorwirft. [4]
 Die selbst ernannten Anführer des wiederbelebten Judentums erklommen den Gipfel  der Macht in enger Zusammenarbeit mit den superreichen Verehrern Mammons. Sie  sind von ihrer Macht und dem Mangel an Widerstand berauscht.[...]
 Mächtige Juden in Amerika und anderswo, sehen – so Shamir – die Erlösung durch  die russischen und amerikanischen Armeen im Zweiten Weltkrieg als ihren  persönlichen Sieg über die nichtjüdische Welt an, als ein Zeichen für eine neue  Ära der weltweiten jüdischen Vorherrschaft, wie sie von den Lehren im Talmud und  der Kabbala versprochen wurde. Seite 148
 Sie [die Juden] sind eine quasi-religiöse Organisation; die katholische Kirche  verbunden mit dem Internationalen Währungsfonds. Man kann vielen Arten von  Katholiken begegnen, doch die Entscheidungen werden in Rom gefällt. Man kann  allen Arten von Juden begegnen, doch die Entscheidungen werden an der Wall  Street getroffen. Seite 158
 Womit Jermas-Shamir alte antisemitische Stereotypen wiederholt und damit auch  neonazistische und rechtsextremistische Leser bedient, für die er auf seiner  Homepage u.a. einen holocaustleugnenden Artikel seines Freundes Paul Eisen  publiziert. [5]
 Auf die Frage, warum die Sendung 3sat Kulturzeit diesen Antisemiten am 17.  August zu Wort kommen ließ, antwortete 3sat: „Der Gesprächsgast Israel Shamir  hat in unserem Interview über die Bedeutung des Gaza- Abzugs für den  Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern harsche Kritik an der  Regierung Scharon geübt. Dabei hat er sich jedoch nicht antisemitisch geäußert.“
 Und der Direktor für Europäische Satellitenprogramme, Dr. Gottfried Langenstein,  meinte dazu zynisch: „Sie dürfen sicher sein, dass wir auch weiterhin bei der  Auswahl unserer Gäste besondere Sorgfalt walten lassen.“
 Die Einladung eines im deutschsprachigen Raum vollkommen unbekannten Autors,  kann bedeuten, dass die Journalisten von antisemitischen Motiven geleitet waren  und/oder dass sie die einfachste Pflicht zur Recherche grob vernachlässigt  haben, freilich kann es auch die weit verbreitete Freunderlwirtschaft sein, die  dazu führte bzw. eine Kombination von all dem.
 Der sich auch im Fall Jermas-Shamir als „Antizionismus“ maskierende  Antisemitismus ist also auch in mainstream Medien salonfähig. Man will ja nicht  glauben, dass Fritz Edlinger, ehemaliger Vertreter der SPÖ beim Nahostkomitee  der SI und der linke Promedia-Verlag ein antisemitisches Buch herausgeben.
 Gefragt ist „harsche Kritik an der Regierung Sharon“, dabei stört es nicht, dass  Jermas-Shamir auf seiner Homepage den Holocaust verharmlosen lässt und sich als  Freund von Neonazis entpuppt.
 Wichtig ist nur, dass der Kritiker Jude ist oder wenigstens sich als solcher  gibt.
 Edlinger und der von Hannes Hofbauer geleitete ProMedia Verlag begehen einen  Etikettenschwindel, wenn sie Jermas-Shamir als Juden präsentieren, denn er ist  schon seit Jahren russisch-orthodoxer Christ. Es ist irrelevant, ob er  tatsächlich jemals Jude war und zum Christentum konvertiert ist, wie er angibt,  oder ob er schon immer Christ war. Aber im Denken von Edlinger, Hofbauer und Co.  kommt der Etikettierung als Jude oder Jüdin ein zentraler Stellenwert im Prozess  der Selbstimmunisierung gegenüber Kritik zu: Antisemitismus hört auf einer zu  sein, wenn er von einem Juden artikuliert wird. Auch dann, wenn dieser erklärt:  Um das Judentum zu besiegen, muss ein Jude zuerst sich selbst verstehen und  gegen sich selbst kämpfen. Nur ein fester Vorsatz verbunden mit Selbstrespekt  kann einen Juden vom Judentum befreien. Daher kann die jüdische Frage nur  individuell geklärt werden; jeder einzelne Jude muss das Problem für sich selbst  lösen - durch die Entdeckung der Präsenz Gottes auf der Erde, Jesus  Christus..[6]
 Doch der Hobby-Theologe Jermas-Shamir lässt nur die russisch-orthodoxe Kirche  gelten und weist die anderen Kirchen zurecht: Die orthodoxe Kirche ist die  einzige Kirche, die das Feuer der Apostel bewahrt [...] Andere Kirchen, sogar  die katholische Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat die  unannehmbaren Bedingungen der Juden akzeptiert und war mit Bedingungen  einverstanden, die einst vom Heiligen Paulus abgelehnt wurden.[7]
 Im Klappentext lesen wir, dass sich der Autor für „die Befreiung des  öffentlichen Diskurses“ einsetzt. Fritz Edlinger und Hannes Hofbauer sind  bereits von jeder Hemmung und Zurückhaltung befreit, die es verbieten müsste,  den kruden Antisemitismus von Jermas-Shamir – der gemeinsame Sache mit  Holocaustleugnern, Neonazi und Rechtsextremisten[8] macht – zu verbreiten.
 Sie können sich dabei auf die österreichischen mainstream Medien[9] verlassen,  die – trotz Gegenbeweisen – meinen, Linke können keinen Antisemitismus  transportieren und dieses Thema nicht aufgreifen.
1) Nick Cohen, New Statesman, 10.10.2005
 2) Ruth Wodak „Wir sind alle unschuldige Täter“, Suhrkamp 1990, Seite 299
 3) Hamas Charter, http://www.palestinecenter.org/cpap/documents/charter.html
 4) http://www.israelshamir.net/german/German8.htm
 5 http://www.israelshamir.net/friends/Contributor13.htm
 6) Israel Shamir: Pardes. Eine Studie der Kabbala (deutsch)
 http://www.israelshamir.net/shamirImages/Shamir/PardesGerman .pdf
 7) Zitat von K.P. übersetzt, http://www.israelshamir.net/english/hellen.shtml
 8) Jermas-Shamir verteidigt die National Alliance, eine prominente rassistische  Organisation in den USA http://shamir.mediamonitors.net/august172002.html
 9) Die rühmliche Ausnahme: News vom 12. Mai 2005