Ausgabe

Wir lebten wie sie

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Thomas Albrich (Hrsg.)

Jüdisches Leben im historischen Tirol

Von den Anfängen bis zu den Kultusgemeinden in Hohenems, Innsbruck und Meran

Haymnon Verlag: Innsbruck 2012

3 Bände im Schuber, mit zahlreichen Farbabbildungen. 1360 Seiten, Euro 69,90,-

ISBN 978-3-85218-692-4

Wir lebten wie sie war der Titel eines Buches, das der auf der Universität Innsbruck lehrende Historiker Thomas Albrich als Herausgeber vor etlichen Jahren veröffentlichte und das sich mit „jüdischen Lebensgeschichten aus Tirol und Vorarlberg" beschäftigte. Das Buch erfuhr seinerzeit eine hohe Resonanz und rückte die Alltagsgeschichte jüdischer Mitbürger in den Mittelpunkt und in den Fokus der interessierten Öffentlichkeit. Es folgten unter anderem die Bücher Jüdische Lebensgeschichten aus Tirol, Judenbichl (Anm.: das ist der ehemalige jüdische Friedhof in Mühlau bei Innsbruck), Von Salomon Sulzer bis „Bauer & Schwarz. Jüdische Vorreiter der Moderne in Tirol und Vorarlberg, in denen Albrich zahllose Historiker zur Mitarbeit bewegte. Mit beispielloser Akribie und Ausdauer bearbeitete Thomas Albrich so das Feld der jüdischen Geschichte in Westösterreich, mit seiner aktuellen Publikation scheinen die Anstrengungen von Albrich aber zu kulminieren.

Mit der dreibändigen Prachtausgabe im Schuber mit dem Titel Jüdisches Leben im historischen Tirol gelang Albrich nicht nur ein Standardwerk zur jüdischen Geschichte in Tirol und Vorarlberg, es ist auch der haptisch würdige Abschluss einer langjährigen Forschung zum Thema. Die aufwändig gestalteten hochformatigen Bände, angereichert mit zahlreichen Bildern sowie nützlichen Registern und Namensverzeichnissen, sind eine verlegerische Grossleistung, denn es ist nicht selbstverständlich, dass ein Verlag einem Buchprojekt so eine wertige Form gönnt.

Inhaltlich spannt sich der Bogen vom Mittelalter bis zur Jetztzeit, pendeln die Beiträge zwischen kleiner und grosser Historie, zwischen Alltags- und Mentalitätsgeschichte und politischer Zeitgeschichte. Die Ritualmordlegenden eines „Anderl von Rinn" werden ebenso beleuchtet, wie die Entwicklung bekannter Kaufmannsfamilien wie Bauer & Schwarz in Innsbruck, die Entstehung der Textilindustrie in Vorarlberg ebenso wie die Gründung des Jüdischen Museums in Hohenems in den 90er-Jahren.

Albrich gelingt dabei die Balance zwischen Fakten und Unterhaltung, denn die drei Bände sind - nicht zuletzt wegen dem hervorragend ausgewählten Bildmaterial - sehr kurzweilig zu lesen. Spannend auch, einzelnen Themen durch verschiedene Zeiten zu folgen, etwa der Geschichte des Jüdischen Friedhofs (der Judenbühel bei Mühlau) in Innsbruck. Detailreich zeichnet der Autor die Anfänge bis zu seiner Auflassung nach, nicht ohne die ein paar Jahre später erfolgte Erinnerungsarbeit zu vergessen (im Rahmen archäologischer Grabungen wurden nach 2000 die ursprünglichen Masse des Friedhofs erforscht und anschliessend eine künstlerische Installation errichtet, die heute als Ort der Erinnerung funktioniert).

Plastisch auch die Beschreibung der Aufbruchszeit der späten 1980er und 1990er Jahre, als junge Wissenschafter und Wissenschafterinen der Universität die Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte in Tirol und Vorarlberg zu einem Schwerpunkt machten. Seitdem hat sich in der Wahrnehmung der Israelitischen Kultusgemeinde in Innsbruck wie der jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen im Allgemeinen vieles zum Positiven verändert. Wie Albrich an einer Stelle betont, die jüdische Gemeinde kann heute - auch das ist keine Selbstverständlichkeit - mit einem gestärktem Selbstbewusstsein ihre Position - auch in der Öffentlichkeit - vertreten. Nicht zuletzt ein Verdienst von Thomas Albrichs jahrelangem Bemühen um ein forschendes Erinnern.

So sind die Bände Jüdisches Leben im historischen Tirol nicht nur Bestandsergänzungen etwaiger Bibliotheken oder zum blossen Studium der Geschichtswissenschaft, diese drei Bände gehören in die Bibliothek jedes historisch interessierten Laien ebenso wie auf den Lehrplan der Schulen, bei Letzteren vielleicht - das mag man dem Verlag und den Eltern zugestehen - in einer günstigeren Taschenbuchausgabe.