Ausgabe

Die Rekonstruktion der Synagoge von Frauenkirchen

Benjamin SCHWAB

Inhalt

Der erste Schritt für eine erfolgreiche Rekonstruktion ist die Beschaffung aller verfügbaren Unterlagen. Angefangen von Plänen über Fotos bis zu journalistischen Beschreibungen gilt es, eine ausführliche Sammlung an Informationen zu untersuchen, um diese im weiteren Schritt sinnvoll zu evaluieren und das gewonnene Wissen in die Arbeit einfliessen zu lassen. 

 

Um eine nahtlose weitere Bearbeitung zu gewährleisten, ist es wichtig festzuhalten, welche Institutionen bereits erforscht wurden. Fotografien sind im Fall von Frauenkirchen nur sehr spärlich, Pläne gar nicht vorhanden. Somit mussten die notwendigen Informationen auf andere Art und Weise eingeholt werden. Kostenvoranschläge, ein Baumeistervertrag und Berichte von Zeitzeugen ermöglichten schlussendlich eine sinnvolle Ausarbeitung.

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Grundriss Erdgeschoss

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Grundriss Obergeschoss

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Innenaufnahmen der Rekonstruktion

Alle Abbildungen aus: B. Schwab, Die virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Frauenkirchen. Diplomarbeit, TU Wien 2016, mit freundlicher Genehmigung B. Schwab.

 

Kostenvoranschläge

Im Landesarchiv Burgenland findet man einen Akt voller Kostenvoranschläge aus den

verschiedensten Jahren. Die meisten sind per Hand verfasst worden und betreffen kleine Umbauarbeiten verteilt im ganzen Ort. Es konnten hier aber auch diverse Schriftstücke gefunden werden, welche die Synagoge betreffen. Im Jahr 1932 wurden einige Umbauarbeiten an dem Gebäude vorgenommen. Betroffen waren Wände innen und aussen, Böden, Holzarbeiten, Malerarbeiten und kleine Ausbesserungsarbeiten. Für dieses

„Gesamtpaket“ an Aufträgen wurden von diversen Firmen Kostenvoranschläge erstellt.

Für die Auth. Vertr.1 Israelit. Kultusgemeinde

Über die Malerarbeiten in der Synagoge Frauenkirchen, Art der Ausführung:

Die wand flächen werden abgeschliffen ausgeweisst die farben werden mitt Civine Wachsleim hergestellt in halbglanz gebirstet.

Punkt I: der Hauptplafon wird 2 meter von der Wand in plafon herein mit Tempel artige malerei bemalen P. II: die untere Plafonds detto voll gemalen

P. III: die Wand in Türkischem Stiel gehalten

P. IV: die Vorhalle in einfache ausführung

P. V:Stiegenhaus Plafon in halbe wände in weis mit eine hohe Lamberie2 in Borde

P. VI: die Gallerie in zweitönige Ölfarbe gestrichen und die Säulen in Marmor Stiel gehalten

P. VII: Oberhalb u. unterhalb des Vone Kordesch mit dazupassendem Tempel forhang

gemalen, die Ornamente feuervergoldet

P. VIII: Die haupt Eingangstüre samt eine in der Vorhalle befindliche neben tür abgebaut u.

neu gestrichen.

Der Preis ist genau überprüft und über die oben angeführte arbeiten mit dem pauschalierten

preis von S 1000,- bemessen. ohne Haupt Plafon S 850,- Achtungsvoll, Sigmund Kollmann,

Maler und Anstreicher Deutschkreutz , 15.6.1932

 

Man kann aus den angeführten Punkten (diese sind in allen gefundenen Kostenvoranschlägen ident) einige Dinge über die Gestaltung im Innenraum erfahren, sofern die geplanten Änderungen auch so zur Ausführung kamen. Interessanterweise gibt es einige Unterschiede zwischen den Kostenvoranschlägen und den Aussagen von Zeitzeugen.

Baumeistervertrag und Steinmetzrechnung

Kurz vor Abschluss dieser Arbeit konnten noch ein Baumeistervertrag und eine Steinmetzrechnung gefunden werden. Diese beinhalten – neben Massangaben und Preisen – Informationen zur Ausführung mancher Einrichtungsgegenstände. Die Galerie soll aus Holz sein und von Holzsäulen getragen werden. Des Öfteren wird erwähnt, dass nach Vorbild des Eisenstädter Tempels gebaut werden soll. Es wird ein Chor erwähnt, welchen man üblicherweise aus dem christlichen Sakralbau kennt. Dieser soll von steinernen Säulen getragen werden, welche in vergoldeten, ionischen Kapitellen abschliessen sollen. In einer Steinmetzrechnung ist zu lesen, dass vier Stufen zum Thoraschrein hinaufführen sollten.

Betrachtet man die Innenaufnahme von Eisenstadt, kann man die Ähnlichkeiten zu dieser Beschreibung gut erkennen. Variante 1 des Thoraschreins kommt dieser Beschreibung am nächsten. Ob diese Dinge tatsächlich zur Ausführung kamen kann man ohne fotografische Aufnahme des Innenraumes allerdings nicht bestätigen. In diesem Vertrag taucht zum ersten Mal im Umfang dieser Recherche der Name des Baumeisters auf: Tobias Grüsel, getauft Groissl, wird in diesem Dokument mit dem Bau der Synagoge in Frauenkirchen beauftragt. Er hat davor die Harrachkapelle in Parndorf erbaut. Diese weist zufälligerweise ein Rundbogenfenster auf, welches denen im Obergeschoss der Synagoge recht ähnlich ist.

 

Zeitzeugen

Von Beginn der Arbeit an bestand ein Austausch an Informationen mit dem Historiker Dr. Herbert Brettl. Sein Buch, „Die jüdische Gemeinde von Frauenkirchen“ stellte auch eine wesentliche Grundlage zu der Recherche dieser Arbeit dar. Dr. Brettl hat auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit als Historiker in Frauenkirchen Kontakt zu emigrierten Zeitzeugen. Dank dieser Verbindung war es möglich, eine „Rohfassung“  des rekonstruierten Modells eben diesen Zeitzeugen zukommen zu lassen, um ihnen dadurch mögliche Ausführungen wieder in Erinnerung zu rufen. Interessanterweise gab es Details, bei denen sich alle Befragten einig waren, die aber im Konflikt mit den Kostenvoranschlägen stehen.

Teilweise unterscheiden sich aber auch schon die Aussagen der einzelnen Zeitzeugen unter sich. Als Resultat wurden – vor allem, was den Thoraschrein betrifft – diverse Varianten erstellt, um möglichst viele denkbare Ausführungsarten festhalten zu können.

 

Ergebnisse

Eine Auswertung all dieser Dokumente, Berichte und vergleichbaren Bauten wie etwa Eisenstadt und Gattendorf, machten eine Rekonstruktion des Aussen- und Innenraumes möglich.

 

1   Authorisierte Vertretung

2   Der oder auch die Lambris (auch Lamperie/Lambrie) bezeichnet eine auf den unteren Bereich einer Wandfläche beschränkte Verkleidung in Innenräumen.