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Todesmärsche

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Hans Brenner: Todesmärsche und Todestransporte. Konzentrationslager Gross-Rosen und die Nebenlager

Chemnitz: Verlag Klaus Guminor 2015

156 Seiten, gebunden

Euro 19,90

ISBN: 978-3-937386-24-9 (ISBN)

Der Historiker Hans Brenner hat eine wichtige Untersuchung vorgelegt, in der 18 Nebenlager des KZ Gross-Rosen und die Todesmärsche vor dem Heranrücken der Roten Armee behandelt werden. Es waren ausschliesslich jüdische Frauen und Mädchen, die aus polnischen Ghettos oder direkt aus Auschwitz oder über Auschwitz im Herbst 1944 aus Ungarn in eines der Nebenlager von Gross-Rosen kamen und zur Zwangsarbeit bei Rüstungs- und Kriegswirtschaftsbetrieben gezwungen wurden. Die Frauen arbeiteten für verschiedene Firmen, u.a. für mehrere Textilwerke, für Sprengstoff- und Munitionswerke, sowie in der Metall- und Elektroindustrie. Sie werden aber auch für den Ausbau der sogenannten „Bartoldlinie" herangezogen, einer Befestigungsanlage zwischen Ostsee und Karpaten, die die Rote Armee am Vormarsch hindern sollte. Die Verhältnisse in den Lagern waren katastrophal. Sie waren zwischen 1 und 4 km von der Fabrik entfernt. Die Frauen schliefen in unbeheizten Baracken. Manche konnten zu zweit auf einer Holzpritsche schlafen, die meisten aber schliefen auf mit Holzwolle gestopften Säcken. Meist gab es nur eine dünne Suppe und ein Brot, das sich sieben Frauen teilen mussten. Die Bekleidung war dürftig. Es gab akute und chronische Verkühlungen, zu denen noch Kopf- und Flecktyphus und Lungenentzündung hinzukamen. Da es in den Lagern keine ausreichende ärztliche Versorgung gab, starben viele Häftlingsfrauen. In manchen Lagern gab es keine sanitären Anlagen und die Frauen wuschen sich mit Schnee. Dennoch empfanden viele Frauen die Lager als eine wesentliche Verbesserung gegenüber Auschwitz. Trotzdem waren die 12-Stunden-Schichten, der quälende Hunger und stundenlange Zählappelle in der Kälte kaum zu ertragen. Viele starben an Hunger, Entkräftung und Krankheit. Das Lagergelände war mit Stacheldraht umzäunt, meistens aber nicht elektrisch. Die Lageraufseherinnen waren Sadistinnen, manch eine Alkoholikerin. Sie schlugen die Frauen grundlos, wann immer sie dazu Lust hatten. Mit dem Heranrücken der Front Anfang 1945 begannen die Evakuierungen der Konzentrationslager. Sie erfolgte in einem Tempo, dem viele Häftlinge in ihrem schon stark geschwächten Zustand nicht mehr gewachsen waren. SS- und Wehrmachtseinheiten trieben die Häftlinge zu äusserster Eile an und erschossen alle, die mit dem Marschtempo nicht mithalten konnten. Die Frauen mussten bei winterlicher Kälte und Schnee zu Fuss von den Aussenlagern zum Hauptlager Gross-Rosen marschieren. Es handelte sich dabei um Strecken von 40 bis 120 Kilometern. Nach wenigen Tagen Aufenthalt im Hauptlager wurden sie in offenen Waggons per Bahn abtransportiert, ein Teil direkt nach Bergen-Belsen, ein anderer Teil zunächst nach Mauthausen und nach kurzem Aufenthalt dort weiter nach Bergen-Belsen. Auf den Märschen schlugen die SS-Frauen die Häftlinge bei geringsten Anlässen und oft verbot man den Frauen, sich unterwegs zu unterhalten. Sie bekamen nichts zu essen und nichts zu trinken, höchstens manchmal eine Scheibe Brot und eine Wassersuppe. Manchmal gab es eine Ruhepause, in der sie sich drei Stunden in den Schnee legen durften, der auch ihre Nahrung war. Oft marschierten sie auch bei Nacht oder sie mussten in Pferdeställen oder Scheunen schlafen. Frauen, die flüchteten und wieder ergriffen wurden, wurden erschossen. Viele starben an Erfrierungen und Erschöpfung. In den Waggons auf dem Transport nach Bergen-Belsen herrschten unvorstellbare Verhältnisse. Diejenigen, die nicht mehr stehen konnten, fielen auf den Boden und lagen in Staub und Exkrementen. Auf diejenigen, die schon am Boden lagen, fielen durch das Rütteln des Waggons andere und traten sie zu Tode. Das Lager war überfüllt, vier Personen mussten sich eine Pritsche von 70 cm teilen, es gab nichts zu essen, zur Erschöpfung kamen Läuse und Typhus dazu. Berge von Leichen häuften sich. Viele starben noch nach der Befreiung. Viele wurden nach Kriegsende vom Schwedischen Roten Kreuz zur Rehabilitation nach Schweden gebracht, wo sie in Krankenhäusern und Sanatorien wieder zu Kräften kamen. Hans Brenner hat mit seiner akribischen Recherche und Dokumentation eine Lücke in der Holocaustforschung geschlossen. Er hat nicht nur die Verhältnisse in den Aussenlagern untersucht, sondern auch penibel recherchiert, woher die Häftlinge kamen, wie viele es waren, welche Nummern sie hatten, wie viele starben. Auch die Marschrouten hat er akribisch nachgezeichnet. Dazu haben ihm einerseits die Sammlungen von Berichten von Yad Vashem und der Spielberg-Foundation gedient. Andererseits hat er in den Gebieten des Geschehens Feldforschungen entlang der Marschrouten durchgeführt. Insbesondere für Historiker ist das Buch wegen seiner Detailgenauigkeit ein wichtiges Werk, wendet sich aber auch durch die erschütternden, zahlreich zitierten Berichte der Opfer an den interessierten Laien.