Anning Lehmensieck: "Ich war und bin eine stolze Jüdin".
Eva Lux Braun – eine Begegnung.
Berlin: Metropol Verlag 2007, 199 Seiten, 15 Abbildungen, Euro 18,00.-, ISBN 978-3 –938690-68-0
Dieses bemerkenswerte Buch entstand nach einer Begegnung 1998 in der Yad Vashem, Gedenkstätte in Jerusalem. Dort lernte eines Tages Anning Lehmensick, die Tochter von Nazi-Eltern, zufällig die Holocaust-Überlebende Eva Lux Braun kennen.
Damals entstand eine besondere Freundschaft zwischen einer Jüdin, Jahrgang 1927, und einer Deutschen, Jahrgang 1942, die bald zu einem bewegenden gemeinsamen Projekt führte: Es ist die Lebensgeschichte der ungarischen Jüdin aus Kassa (Kaschau, Košice) im ehemaligen Oberungarn (heute Slowakei), die als 16jähriges Mädchen nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Im Unterschied zu anderen Büchern, in denen versucht wird, den Holocaust literarisch oder dokumentarisch darzustellen, wird hier Oral History – einzelne Sätze und Kurzberichte der Erzählerin – durch die Aufzeichnungen der Biografin ergänzt.
„Ich habe Gebrochenheit erwartet und eine Frau gefunden, die sich nicht hat brechen lassen", schreibt Anning Lehmensick. Sie schuf einen Lebensbericht, der durch seine Authentizität zutiefst erschüttert. So erzählt Eva Lux Braun von ihrer Ankunft am 26. Mai 1944 in Auschwitz, zusammen mit den Eltern und den beiden Schwestern: „Da war keine Zeit, sich zu verabschieden, ihren Segen zu bekommen. Meine junge, elegante Mutter hat meine zwölfjährige Schwester umarmt und geschrien: ‚Bleibt zusammen! Bleibt zusammen!’". Dazu die Ergänzung der Autorin: „Ein Capo, der die Kolonne begleitet, deutet später auf eine Rauchwolke und sagt: ‚Deine Familie steigt jetzt auf in den Rauch.’ Er rät Eva, alles und jeden zu vergessen." In der Mitte des Buches, Seite 82-84, fügt Anning Lehmensick ein „Zwischenstück" ein, „Die Biografin fällt aus der Rolle", und erinnert daran, was ihre Eltern in der Nazi-Ära taten. Sie schließt mit den beschämten Worten: „So sitze ich besudelt, allein und berichte unter Schmerzen von diesen geschundenen, jungen Mädchen Eva und Vera und Mirjam."
Am Rande wäre noch zu bemerken, daß man sich bei der Schreibweise der Ortsnamen mehr Aufmerksamkeit gewünscht hätte, so z.B. ist Gustav Mahler nicht in „Kalisli" geboren sondern in Kalischt/Böhmen, Karl Kraus nicht in „Jacin" sondern in Jicin(dt. Gitschin/Böhmen) usw.; auch hieß Košice im 19. Jh. Kassa bzw. Kaschau, ebenso hatte eine Reihe anderer angeführter Ortschaften der Zips zu jener Zeit ungarische oder deutsche Namen.