Ausgabe

Die Korngolds – Klischee, Kritik und Komposition

Julia URBANEK

Content

Das Jüdische Museum Wien zeigt noch bis 18. Mai "Die Korngolds – Klischee, Kritik und Komposition".

„So Gott und Papa will": Dieses Zitat von Erich Wolfgang Korngold sagt viel – und hängt vermutlich auch deshalb an prominenter Stelle im Ausstellungsraum des Jüdischen Museums Wien. Die Schau „Die Korngolds – Klischee, Kritik und Komposition", die hier noch bis 18. Mai zu sehen ist, beschäftigt sich mit einer prominenten und doch ein wenig in Vergessenheit geratenen Vater-Sohn-Beziehung.

Auf der einen Seite Julius Korngold, bissiger Musikkritiker und ehrgeiziger Vater. Auf der anderen Seite der Sohn: Erich Wolfgang Korngold - Wunderkind, Komponist und späterer Oscar-Gewinner. Kritiker und Komponist in der gleichen Familie – eine Laune des Schicksals, die auch für Schwierigkeiten sorgte.

Erich Wolfgang Korngold im Alter von 12 Jahren © Korngold Family Estate

Julius Korngold scheint das Talent seines Sohnes geahnt zu haben: Den am 29. Mai 1897 in Brünn Geborenen benannte er berührenderweise nach Mozart mit dem zweiten Namen Wolfgang. Eine gezielte Anspielung auf das berühmteste Wunderkind der Musikgeschichte, Wolfgang Amadeus Mozart. Und das zweite Wunder nahm seinen Lauf.

Julius Korngold war der von Theodor Herzl bestellte Nachfolger des gefürchteten Musikkritikers Eduard Hanslick bei der „Neuen Freien Presse" und strenger Richter über richtige und falsche Töne: ein Kritikerpapst, würde man heute sagen. Julius Korngold führte einen regelrechten Feldzug gegen die Atonalität, die zu jener Zeit im Aufschwung war. Arnold Schönberg und seine Weggefährten hatten unter dem Regiment von Korngolds spitzer Feder wenig zu lachen.

Korngold seinerseits war ein Verehrer und publizistischer Förderer Gustav Mahlers. Bald wurde bekannt, dass unter Julius Korngolds Dach ein Wunderkind heranwuchs. Das war dem Vater durchaus bewusst: Dennoch ließ er das Talent seines Sohnes von Experten prüfen, schon 1909 konnte er ganze 40 Kopien von Werken an Musiker und Kollegen schicken, die die Arbeit begutachten sollten: Engelbert Humperdinck ortete „die außerordentliche Erfindungsgabe des märchenhaften Wunderkindes", Gustav Mahler war mehr als überzeugt von Korngolds Fähigkeiten: „Ein Genie! Ein Genie! Geben Sie den Buben zu Zemlinsky in die Lehre. Nur ja kein Konservatorium, kein Drill".

 

Korngold am Klavier, ca. 1940 © Korngold Family Estate

Tatsächlich wurde der junge Korngold Schüler Alexander von Zemlinskys – womit Julius Korngold ansatzweise über seinen Schatten sprang, denn Zemlinsky stand dem verhassten Schönberg-Kreis nahe.

Bald wurde ganz Wien auf den Wunderknaben aufmerksam: Mit elf Jahren erregte er mit seiner Komposition des pantomimischen Balletts „Der Schneemann" Aufsehen – 1910 wurde das Werk in der Wiener Hofoper in der Instrumentierung Zemlinskys uraufgeführt. Auch die Kontakte des Vaters machten sich bezahlt, so wurden viele der Werke des jungen Korngold von namhaften Musikerpersönlichkeiten aufgeführt: Bruno Walter, Wilhelm Furtwängler oder Richard Strauss gehörten zu seinen Interpreten. Der junge Korngold ließ seinem ersten Werk Klaviersonaten und eine Sinfonietta nachfolgen, 1916 erlangte er dann mit den Operneinaktern „Der Ring des Polykrates" und „Violanta" auch in München Bekanntheit. Die Kritiker waren fassungslos vor Begeisterung.

Der Einfluss des Vaters machte vieles einfacher, aber dem jungen Korngold wohl auch manchmal das Leben schwer: Die Meinungen von Kollegen und Experten über das neue Wunderkind waren geteilt – während die einen vom offensichtlichen Talent beeindruckt waren, lehnten die anderen Korngold junior wegen der allzu offensichtlichen Förderung durch den Vater ab. Amüsante Dokumente in der Ausstellung demonstrieren diese Ambivalenz in der Wiener Gesellschaft: etwa eine Karikatur, die einerseits den jungen Korngold zeigt, der in die Klaviertasten haut – andererseits Vater Korngold, der sich mit gleicher Inbrunst an einem reichhaltigen Büffet vergeht. Oder jener überlieferte Dialog: „Sie spielen die Sonate vom jungen Korngold, ist sie dankbar? – Die Sonate nicht, aber der Vater!" Eines war wohl mehr als Gerede: Wer sich weigerte, ein Korngold-Werk zu interpretieren, war sich einer vernichtenden Kritik des Vaters sicher. „Überblickt man Korngolds ganzes Leben, so möchte man freilich schon darüber nachdenken, ob ihm der Vater insgesamt mehr genützt oder mehr geschadet hat", schreibt Otto Biba im Katalog der Ausstellung.

Der junge Korngold ließ sich – so scheint es - vom Gerede nicht beirren und knüpfte an seine ersten Erfolge an: 1920 gelang ihm mit „Die tote Stadt" ein Welterfolg, die Oper wurde zur meistgespielten eines lebenden Komponisten und war ein Hit in den Opernhäusern Österreichs und Deutschlands.

Noch vor dem Krieg folgten „Das Wunder der Heliane" und „Die Kathrin" – das „Wunder der Heliane" wurde zum letzten großen Opernerfolg Korngolds, mit dem er allerdings auch nicht an die Sensation der „Toten Stadt" anknüpfen konnte. „Das Wunder der Heliane" ist Korngolds ehrgeizigstes Werk – Julius Korngolds Intrigen und der „mitleidlose Zeitgeist" verhinderten aber den großen Erfolg: Ernst Kreneks Jazzoper „Jonny spielt auf" hatte etwa zur gleichen Zeit Premiere und eroberte die Welt im Sturm. In Wien entstand ein regelrechter Krieg zwischen den Anhängern der beiden Opern – welch absurde Ausmaße das damals annahm, zeigt die Auswirkung auf das Alltagsleben: Die Austria Tabak-Regie brachte in dieser Zeit zwei Zigaretten auf den Markt: eine billige ohne Filter namens „Jonny" und eine edle parfümierte namens „Heliane". Noch ungewöhnlicher ist allerdings, dass antisemitische Organisationen begannen, mit dem Juden Julius Korngold gemeinsame Sache zu machen. Ein Propagandageflecht stellte „Jonny" und Krenek als „jüdische Volksschädlinge" hin, obwohl Krenek Katholik und nicht jüdischer Herkunft war.

Erich Wolgang Korngold mit seiner Frau Luzi und den Söhnen Ernst und Georg im Hotel St. Moritz, New York 1935 © Photofest

So unerfreulich die Zeit der „Heliane" wohl für Erich Korngold war, so sollte genau dieser von breiten melodischen Strömen und dissonanten, aber weich klingenden Akkorden geprägte spätromantische Stil Korngolds später Hollywood erobern und zu dessen spezifischem „Sound" werden.

1924 heiratete Korngold Luzi Sonnenthal und begann sich in dieser Zeit vom Vater abzunabeln. Bei diesen Versuchen landete er in der Welt der leichten Musik und der Operettenarrangements – Arbeiten, die ihn vom Vater finanziell unabhängig machten und ebenfalls unbewusst seinen Weg für seinen zweiten Lebensweg Hollywood ebneten.

Der internationale Erfolg dieser Arrangements erlaubte es den Korngolds, 1930 eine schöne Villa in der Sternwartestraße im 18. Wiener Gemeindebezirk zu erwerben. Zur tatsächlichen Heimat wurde dann das Familienrefugium Schloss Höselberg bei Gmunden. Dort konnte das Paar – in sicherer Entfernung zu den Eltern – Zeit mit seinen zwei Söhnen verbringen.

In jenen Jahren entstand die Freundschaft und Zusammenarbeit mit Max Reinhardt: Er war es dann auch, der Korngold 1934 erstmals in die Vereinigten Staaten holte. Korngold sollte Felix Mendelssohn Bartholdys „Sommernachtstraum"-Schauspielmusik für Reinhardts Shakespeare-Verfilmung arrangieren.

Luzi und Erich reisten im Oktober 1934 ab. Mit seinem Korngoldschen „Hollywood Sound" hatte Erich schließlich wesentlich mehr Erfolg in den USA als Reinhardt, der sich in die Filmwelt nicht richtig einleben konnte.

Der ganz große Durchbruch für Korngold kam 1936: Für das Filmepos „Anthony Adverse" komponierte er die Filmmusik, für die er den ersten von zwei Oscars erhielt.

In dieser Zeit pendelte Korngold zwischen den USA und Wien – er wollte die Brücken zur Alten Welt nicht abbrechen, die er als sein eigentliches künstlerisches Standbein empfand. Für die Arbeit an der Filmmusik für „Robin Hood" fuhr Korngold wieder nach Hollywood – ein Großteil der Korngold-Familie saß kurz danach bereits in der Falle in Hitler-Deutschland. Aber nur wenige Stunden nach Hitlers Ankunft schaffte es die Familie, Österreich zu verlassen. Vater und Sohn waren in den USA wieder vereint: Julius verlangte nach der Kontrolle von Erichs Finanzen und benahm sich ganz im Sinne eines Patriarchen. Er starb am 25. September 1945 in Hollywood – für Erich Wolfgang Korngold begann nun auch eine neue Schaffensphase. „Mit 50 ist man kein Wunderkind mehr", äußerte Korngold in Interviews und zeigte sich bereit, Hollywood und die Filmmusik zu verlassen.

Erich Wolfgang Korngold erlitt im Alter von 50 Jahren einen Herzinfarkt und war künstlerisch – ohne seinen Vater und ohne Max Reinhardt – auf sich allein gestellt. Er begann mit der Arbeit an der „Sinfonischen Serenade", die er als eine seiner besten Arbeiten ansah. Er war hoch erfreut, als Furtwängler zusagte, das Werk mit den Wiener Philharmonikern aufzuführen.

1949 kehrten die Korngolds nach Wien zurück – die meisten Freunde und Verwandten waren allerdings entweder tot oder verschollen. Auch künstlerisch war die Rückkehr ernüchternd. Die Zeiger der zeitgenössischen Musik standen auf Avantgarde, Schönberg und die Nachfolger dominierten die Neue Musik, für Korngolds luxuriöse, aber auch wieder nicht konservative Spätromantik hatte niemand mehr ein Ohr.

1954 reiste Korngold nach Deutschland, um noch einmal einen Filmsoundtrack zu schreiben: für „Die Frauen um Richard Wagner", der zu einem Flop und einem bitteren Erlebnis für Korngold wurde. Die Versuche der Korngolds, ihr Schloss Höselberg, das im Krieg „arisiert" worden war, zurückzuerlangen, gestalteten sich schwierig. Das Eigentumsrecht an der Villa in der Sternwartestraße konnten sich die Korngolds sichern und wohnten sogar ein Jahr lang dort, ehe sie sich zum Verkauf und zur Rückkehr nach Amerika entschieden. Bis heute fehlt ein Großteil des Inventars aus Schloss Höselberg und der Villa in Wien. 1955 kehrten die Korngolds endgültig nach Amerika zurück, 1956 erlitt Erich zwei starke Schlaganfälle. An seinem 60. Geburtstag im Mai 1957 erhielt er zahllos Glückwunschbriefe aus aller Welt – im November desselben Jahres starb Erich Wolfgang Korngold. Die Ausstellung beschließt mit einem wunderbaren Epilog über Korngolds Familie und Nachkommen.

Die reich gestaltete Schau bietet auch für Kenner der Materie noch Entdeckungen – und rückt eine fast vergessene große Musikerpersönlichkeit wieder ins Gedächtnis.

Julia Urbanek ist Redakteurin der „Wiener Zeitung"

„Die Korngolds – Klischee, Kritik und Komposition". Jüdisches Museum Wien bis 18. 5.