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Ein neues Zentrum für jüdische Kulturgeschichte in Salzburg

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Seit 10. Mai dieses Jahres hat die Paris Lodron Universität Salzburg eine neue wissenschaftliche Forschungseinrichtung vorzuweisen, das "Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte". In enger Zusammenarbeit mit dem Rektorat und in fruchtbarem Austausch mit dem Präsidenten der Kultusgemeinde hat ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit judaistischen, historischen, religions-, literatur-, sprach- und rechtswissenschaftlichen Schwerpunkten in einer sechsjährigen Vorbereitungszeit die Voraussetzungen für diese interdisziplinäre und überfakultäre Einrichtung geschaffen.

Auf der Basis kulturwissenschaftlicher Analysen arbeitet das Team an einer Reihe von Projekten zum Diaspora-Judentum. Besonderes Augenmerk wird auf die Erforschung des breiten Spektrums der Beziehungen des Judentums zu nicht-jüdischen Gesellschaften und Kulturen, Kulturtransfers und wechselseitigen kulturellen Beeinflussungen gelegt.

Dabei forscht das Team nach den Bedingungen für ein friedliches Zusammenleben von Minderheiten und Mehrheit und besonders nach den Erfahrungen von Zugehörigkeit und Fremdheit. Daraus sollen Impulse für eine europäische Politik der positiven Integration und kulturellen Vielfalt erwachsen.

Im Unterschied zu einer Reihe von anderen Institutionen, die sich mit Jüdischen Studien befassen, will das Salzburger Team bewusst keine zeitlichen Einschränkungen vornehmen. Es will vielmehr die Kontinuität und den Wandel des Judentums und seine Erfahrungen als Diaspora-Gemeinschaft von den Anfängen bis zur Gegenwart darstellen. Das führt zur Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Fragen von Identität und Alterität, Migration, Integration/Akkulturation und Konfliktmanagement. Das Augenmerk wird gleichermaßen auf die unterschiedlichen Erscheinungsweisen von Religion, Politik, Sprachen, Literaturen, Künsten, Wissenschaften und Medien gerichtet.

Derzeit besteht das Team aus sieben an der Universität Salzburg beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die jeweils sowohl an einem der Fachbereiche als auch am Zentrum prozentuell angestellt sind. Sie werden durch je zwei assoziierte Mitglieder aus dem In- und Ausland ergänzt, die sich durch Projekte einbringen. Leiter des Zentrums ist der Theologe und Judaist Gerhard Bodendorfer, stellvertretender Leiter der Historiker Albert Lichtblau.

Das Team ist in ein Netzwerk von europäischen, israelischen und amerikanischen Universitäten eingebunden, die sich mit dem Judentum beschäftigen. Dazu gehören in Österreich vor allem das Institut für Judaistik in Wien und das Institut für Geschichte der Juden in Österreich in St. Pölten, international zum Beispiel das Department of Foreign Literatures and Linguistics der Ben Gurion Universität in Beer-Sheva, das Instituut voor Joodse Studies (IJS) in Antwerpen, das Europäischen Zentrum für jüdische Musik in Hannover, die Ecole Pratique des Hautes Etudes an der Sorbonne in Paris, das Institut für jüdische Studien in Basel oder das History Department der Universität von Philadelphia, um nur einige zu nennen.

Das Hauptaugenmerk der wissenschaftlichen Tätigkeit des Zentrums liegt in der projektorientierten Forschung, wobei hier die Kooperation und die Förderung von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern herausgestrichen werden. Um nur einige wenige Projekte mit Stichworten herauszugreifen:

Der Jakob-Esau Konflikt über die Geschichte und die jüdische "Identität" (Gerhard Bodendorfer);

Jüdisch-christliche Interaktion und Diaspora- bzw. Exilerfahrungen in mittelalterlichen Chroniken (Maria Dorninger);

Wien 1918 – 1938: Die retrospektive Perspektive österreichisch-jüdischer Autobiographien (Albert Lichtblau);

Deutsch-jüdische Rechtsgelehrte während der NS-Zeit: Eine Studie über Entrechtung und Verfolgung anhand ausgewählter Fälle (Bernhard Scherl);

Aktualisierungen und Erweiterungen der Online-Plattform "Österreichische SchriftstellerinnInnen des Exils seit 1933. Texte und Kontexte" mit dem Schwerpunkt jüdische Emigration und jüdisches Exil: www.literaturepochen.at/exil (Karl Müller);

Die Kinder der deutschsprachigen Einwanderer in Israel (2. und teilweise 3.Generation) (Anne Betten);

ein zweiter Band einer Anthologie moderner sefardischer Dichtung (drei- ev. teilweise viersprachig: Judeo-Espanyol, Deutsch, Englisch, Türkisch), thematisch gegliedert (Alltagsleben, Geschichte vor 1492, Geschichte nach der spanischen Vertreibung bis zur Gegenwart, Sprache, Türkei, Israel, Diaspora, Legenden, ...) - mit ausführlichem Kommentarteil (Armin Eidherr);

New Antisemitism in Europe? Ursachen und Hintergründe am Beispiel von Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Österreich (Helga Embacher).

Das Zentrum bietet Vorlesungen zu jüdischen Studien (JEST) und eine regelmäßige Vortragsreihe in der Max Gandolph Bibliothek an, die gleichermaßen junge wie etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstlerinnen und Künstler und Kulturschaffende zu Wort kommen lassen will.

Jährlich soll ein Kongress international die Arbeit des Zentrums vorstellen und den wissenschaftlichen Austausch beflügeln. Daher findet zwischen 17. und 19. November 2004 ein internationales Symposion mit dem Titel: "Diaspora – Exil als Krisenerfahrung: Bilanzen und Perspektiven" statt.

Sommerkurse mit Themen zur jüdischen Kultur, regionalgeschichtliche Exkursionen und vor allem die Bereitstellung eines Archivs von hunderten Interviews mit Überlebenden des Holocaust sowie mit deutschsprachigen Immigranten in Israel ergänzen das vielseitige Angebot.

Das Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte beherbergt zudem das Salzburg-Netzwerk von "Nationalsozialismus und Holocaust: Gedächtnis und Gegenwart", ein Vermittlungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur für Lehrende an österreichischen Schulen (www.erinnern.at). Diese Initiative leistet einen wichtigen Beitrag zur Prävention gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.

Das Zentrum ist leicht zu finden, befindet es sich doch im Herzen der Stadt, in der alten fürst-erzbischöflichen Residenz, Residenzplatz 1 (Telefon: 0662/8044/2961, E-mail: zjk@sbg.ac.at).

Über alle Aktivitäten informiert weiters die Homepage des Zentrums unter www.sbg.ac.at/zjk.

Das Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte ist für seinen Bestand intensiv auf Drittmittel angewiesen. Jede Unterstützung ist daher von besonderer Bedeutung: Die Bankverbindung lautet: 

Bank Austria Creditanstalt AG; Bezeichnung: Universität Salzburg § 27; Bankleitzahl 12000; Kontonummer 069 5383 4602; IBAN AT23 1200 0069 5383 4602; bitte immer auch die Kostenstelle 604300 und die Innenauftragsnummer P_604300_01 angeben.