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Ich kann heute nicht lächeln... vielleicht morgen...

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Amos Oz und Avraham Shapira: Man schiesst und weint.

Gespräche mit israelischen Soldaten nach dem Sechstagekrieg

Aus dem Hebräischen von Susanne Euler

Frankfurt am Main: Westend Verlag 2017

368 Seiten, gebunden, Euro 24,00 

ISBN: 978-3-86489-15-5

Auch als E-Book erhältlich

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Cover (Copyright: Westend Verlag, Frankfurt am Main)

Nach dem Ende des Sechstagekriegs von 1967 initiierte der israelische Kulturredakteur und Professor für Judaistik und jüdische Geschichte Avraham Shapira gemeinsam mit dem Schriftsteller Amos Oz das Buch Siach Lochamim/Gespräche mit israelischen Soldaten. Während der Recherche dazu besuchten Oz und Shapira - mit einem Tonbandgerät ausgerüstet - zahlreiche Kibbuzim, um aus dem Krieg heimgekehrte Soldatinnen und Soldaten über ihre Eindrücke zu befragen. Trotz massiver Eingriffe der israelischen Militärzensur unmittelbar nach seinem Erscheinen 1968, wurde das Werk ein Riesenerfolg. Wie Amos Oz in seinem Vorwort in der Neuauflage 1 schreibt, entstand es in einem Land, das nach dem Sechstagekrieg in einer „Art Siegesrausch war. (...) Kein Mensch sprach vom menschlichen Leid und erst Recht nicht vom besiegten Feind. Wir hatten das Gefühl, dass man von Mensch zu Mensch gehen und erfahren muss, was die Kämpfer auf dem Schlachtfeld erlebt haben und was sie nach dem Schlachtfeld erlebten." Die InterviewpartnerInnen berichten offen über ihre körperlichen und vor allem seelischen Probleme, als sie aus dem Krieg nachhause zurückkehrten. Wie die junge Soldatin Rivka Naidet, die in ihrem Tagebuch über ein Gefecht in El-Arish am 7. Juni 1967 schreibt: „Plötzlich befand ich mich mitten im Krieg. (...) Ich sah einen Jungen, einen Soldaten, der von der Gruppe übrigblieb, und er war verstört, und seine Augen waren rot und erstarrt. Er lächelte nicht. Er fragte nur und hoffte, dass jemand doch noch gerettet wurde... aber es kam keiner durch. (...) Ich bin nicht stark. Ich kann heute nicht lächeln... vielleicht morgen..." Ralf Balke in der Jüdischen Allgemeinen zum Buch: „Die Offenheit, mit der Situationen im Krieg, das eigene Handeln und die Emotionen reflektiert werden, verfehlt keinesfalls ihre Wirkung auf den Leser. Auch die Frage, wie es sich anfühlt, ins normale Leben zurückzukehren, wird angesprochen. »Viele Dinge, die ich vor dem Krieg für richtig hielt, kommen mir jetzt falsch vor«, bringt es Menachem aus Mishmar Haemek stellvertretend für viele seiner Kameraden auf den Punkt. Besonders eindrucksvoll sind ferner die Beschreibungen der sehr unterschiedlichen Wahrnehmungen der arabischen Soldaten und palästinensischen Flüchtlinge als Feinde, Menschen oder einfach nur Opfer der Umstände. Sie registrieren das Leid der besiegten Gegner, was nicht ohne Folgen für die eigenen Vorstellungen von Moral und Ethik bleibt." 2

1  Der deutsche Titel des Buches bezieht sich auf einen Spruch, der von Soldatinnen und Soldaten nach dem Ende des Sechstagekriegs verwendet wurde.

2  Ralf Balke: Euphorie und Moral. Amos Oz lässt Soldaten von ihren persönlichen Erfahrungen berichten. In: Jüdische Allgemeine, 23.03.2017; http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/28108)