Im Jahr 2000 erschien im Heft 46 des David ein Artikel von Mag. Heide Liebhart über die Baugeschichte und die Zerstörung der im Jahr 1900 errichteten Synagoge für Atzgersdorf und Liesing.
In den Morgenstunden des 10. November 1938 wurde auch diese Synagoge von den Nationalsozialisten und ihren Helfern zerstört. Noch im gleichen Monat wurde die Ruine vollständig demoliert. Nach dem Krieg lag das Grundstück bis zur Errichtung eines Gebäudes der Firma Kerkoc brach.
1988 beschloss die Bezirksvertretung Liesing, in der Dirmhirngasse 112 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Synagoge zu errichten. Die Inschrift sollte in deutscher und auch in hebräischer Sprache abgefasst werden. Doch wurde dieses Vorhaben nicht umgesetzt. 1989, 1993 und 2000 gab es weitere Versuche. Im Frühjahr 2004 beauftragte Bezirksvorsteher Manfred Wurm Dr. Gerald Netzl, einen neuerlichen Versuch zur Errichtung einer Gedenktafel zu unternehmen.
Auf Initiative Netzls wurden 2002 in der Volksschule Atzgersdorf eine Gedenktafel für eine ermordete ehemalige jüdische Schülerin (siehe David Nr. 59, Dezember 2003) und 2004 bei der Wohnbaugenossenschaft Wien-Süd eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Ereignisse des Februar 1934 in Liesing angebracht. Die ersten Gespräche mit der Fa. Kerkoc verliefen sehr positiv, große Aufgeschlossenheit und Entgegenkommen wurden signalisiert. Der 10. November 2004 war für die Enthüllung vorgesehen. Ostern 2004 wurde an die Fa. Kerkoc ein Textvorschlag für die Tafel übermittelt, der über zwei Monate nicht kommentiert wurde und letztlich als zu "stark" und "aggressiv" betrachtet wurde. Aus Rücksichtnahme auf die eigenen KundInnen wurde ein "entschärfter" Text wie folgt vorgeschlagen: "Hier stand die ehemalige Synagoge für Atzgersdorf und Liesing die am 10. November 1938 zerstört wurde. ZUM GEDENKEN. Bezirksvertretung Liesing." Dieser Text entsprach nicht den Vorstellungen der Protagonisten. BV Wurm und Netzl beharrten auf "Hier stand die Synagoge für Atzgersdorf und Liesing die am 10. November 1938 von den Nationalsozialisten und ihren Helfern zerstört wurde. NIEMALS VERGESSEN! Bezirksvertretung Liesing" (auf Deutsch und Hebräisch). Nun war guter Rat teuer, doch eine Lösung zeichnete sich ab. So wurde die Gedenktafel auf dem unmittelbar angrenzenden Grundstück von Wienstrom, in der Dirmhirngasse 114, aufgestellt.
Endlich konnte am 17. März 2005 die Gedenktafel enthüllt werden. Über 120 Gäste nahmen an der Feier teil. Die Übersetzung des Tafeltextes stammt von Herrn Natan Blum, der heute in Israel lebt und bis zu seiner Vertreibung 1939 Hans hieß und in Atzgersdorf wohnte. Sein Vater überlebte den Krieg in Palästina, seine Mutter und seine Schwester wurden 1942 in Maly Trostinec von den Nationalsozialisten ermordet. Als Redner bei der feierlichen Enthüllung konnte neben Bezirksvorsteher Manfred Wurm Prof. Rudolf Gelbard, ehemaliger Häftling im KZ Theresienstadt, gewonnen werden.
Die Lokalhistorikerin und Mitarbeiterin des Bezirksmuseum Liesing Mag. Heide Liebhart sprach über die Geschichte und die Zerstörung der Synagoge sowie über die Geschichte der Liesinger Juden. SchülerInnen der Volksschule Atzgersdorf sangen drei Lieder und schufen einen schönen musikalischen Rahmen. Eine 20-seitige Broschüre, die anlässlich der Enthüllung entstand, beschreibt ausführlich die Geschichte der Synagoge und ihrer Zerstörung sowie den Novemberpogrom in Wien. Diese kann von der Bezirksvorstehung Liesing (Tel. 86334/23114) angefordert werden.