Ausgabe

Jüdisches Erbe: ­Denkmäler erhalten Restaurierungsarbeiten der Grabsteine Arnstein und Eskeles

Werner Winterstein

Serie, Teil 2: 10 Jahre VEREIN „JEA – Jüdisches Erbe Austria“

Erfolgreiche Kooperationen mit persön-lichen Nachkommen der auf jüdischen Friedhöfen Begrabenen, zur Auffindung und Erhaltung von ihren Grabstätten, am Beispiel der Familien Arnstein und Eskeles am jüdischen Friedhof Währing.

Inhalt

Im Jahre 2017, anlässlich des bevorstehenden 200. Todestages von Franziska „Fanny“ von Arnstein  (gestorben am 8. Juni 1818), entschieden sich die Nachkommen der verschwägerten Familien Arnstein und Eskeles, Ergänzungs- und Reinigungsarbeiten an der prächtigen Grabdenkmalgruppe in Auftrag zu geben. Die Initiative zu diesem Vorhaben, sowie die wissenschaftliche, baukünstlerische und wirtschaftliche Planung dieses aufwendigen Projekts lag in den Händen des Vereines JEA, und so konnte dieses schliesslich Ende 2018 auf Kosten der Nachkommen in Angriff genommen werden. Pünktlich zum 200-Jahr-Jubiläum der Ersten Oesterreichischen Spar-Casse, deren Mitbegründer der umsichtige Bernhard Freiherr von Eskeles war, wurden die Arbeiten im Oktober 2019 fertiggestellt.

h123_03.jpg

Die offenen, verwahrlosten Grabmäler Arnstein und ­Eskeles, vor der Wiederinstandsetzung.

Foto: T. Walzer 2009,
mit freundlicher Genehmigung

h123_04.jpg

Die drei fertig wieder-­hergestellten, gereinigten Grabdenkmäler Arnstein und Eskeles auf dem jüdischen Friedhof
Währing, Oktober 2019

Foto: W. Winterstein,
mit freundlicher Genehmigung

Die Ausgangslage war trist gewesen: Drei der ursprünglich vier einst prächtigen Kenotaphe waren ihrer Würde beraubt worden, standen nach Schändungen während der NS-Zeit sowie Vandalismus-Akten aus jüngster Zeit offen, die Namenstafeln der Begrabenen, zerschlagen, lagen in Trümmern. Die vierte Grabstelle, jene des Nathan Adam Freiherrn von Arnstein, war jedoch bereits 1942 von der IKG im letzten Augenblick, bevor die Nazis die Gebeine des Verstorbenen zur „rassenkundlichen Forschung“ in das Naturhistorische Museum verbringen konnten, auf den neuen jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofes Tor IV verlegt worden.1

Die zerstörten Inschriften konnten aufwendig rekonstruiert werden. Glücklicherweise lagen dem Verein JEA Abschriften des Historikers Pinkas Heinrich aus 1902–1907 vor. Auch jene Abgüsse, die Schülerinnen des Schulzentrums Friesgasse unter Anleitung von Frau Mag. Walzer, Obfrau des Vereines JEA, aus den Trümmern anfertigten, zeigten sich bei den Vorarbeiten als sehr hilfreich. Für die originalgetreue Inschriftenrekonstruktion holte JEA die Expertise von Dan Bondy vom Salomon Ludwig Steinheim Institut für jüdische Epigrafik an der Universität Duisburg-Essen ein. Somit lag ein wissenschaftlich geprüftes und abgesichertes Inschriften-Transkript für die originalgetreuen Repliken der ursprünglichen Grabinschriftentafeln vor. Die Schriftzüge wurden auf dem Originalmaterial „Kehlheimer Platten“ aufgebracht und mit Blattgold ausgeführt.

Auf der abgeräumten Grabstelle von Nathan Adam Freiherr von Arnstein wird demnächst im Auftrag der Nachkommen eine Gedenktafel für die beiden verschwägerten Ehepaare, Franziska „Fanny“ und Nathan Adam Arnstein  sowie Bernhard und Cäcilie Eskeles errichtet.

So schliesst sich der Kreis, haben die Nachkommen ihre Vorfahren wiedergefunden und deren Würde wiederhergestellt. Das zu ermöglichen ist Ziel und selbstgestellte Aufgabe des Vereines „JEA – Jüdisches Erbe Austria“.

 

Nachsatz zu aktuellen Ereignissen wie dem einwöchigen Pflegeeinsatz des Österreichischen Bundesheeres Anfang November 2019: JEA führt seit 2009 erfolgreich denkmalschutzgerechte Restaurierungen in Kooperation mit Nachkommen durch. JEA organisierte und betreute seit 2009 Pflegepatenschaften für den Währinger jüdischen Friedhof  und sorgte gemeinsam mit den Grünen Wien erfolgreich dafür, dass ein dauernder Pflegezustand aufrechterhalten werden konnte. JEA-Gründerin und Obfrau Tina Walzer brachte darüber hinaus in mehr als 500 Führungen, die sie seit 25 Jahren anbietet, die jüdischen Friedhöfe der interessierten Öffentlichkeit näher. Ihren bereits Jahrzehnte währenden Einsatz für die Rettung des Währinger Friedhofs ergänzen Fachvorträge, wissenschaftliche Tagungen, Lehrveranstaltungen an Schulen und Universitäten sowie im Rahmen der Erwachsenenbildung ebenso wie zahlreiche von ihr initiierte Medienberichte, Filme und Dokumentationen.

 

In der kommenden Ausgabe lesen Sie
Teil 3 der Serie: Denkmäler erhalten. Beispiele erfolgreicher Kooperation zwischen Nachkommen und JEA.

 

Nachlese:

Tina Walzer, Der jüdische Friedhof Währing in Wien. Entwicklung des Areals, Zerstörungen der NS-Zeit, Status quo. Wien: Böhlau Verlag 2011.
Vergriffen, Neuauflage wird vorbereitet.

Claudia Theune/Tina Walzer (Hg.): Jüdische Friedhöfe. Kultstätte, Erinnerungsort, Denkmal.
Wien: Böhlau Verlag 2011.
Unter google books online verfügbar.

 

Werner Winterstein ist freischaffender Architekt in Wien und Gründungs­mitglied des Vereines
„Jüdisches Erbe ­Austria – JEA“.
Er war 2006 – 2015 Weltkulturerbe-­Beauftragter für das Welterbe „Historisches Zentrum Wien Innere Stadt.“

 

1 Vgl. im Detail auch: Tina Walzer, Die jüdischen Gründungsmitglieder der Österreichischen Nationalbank 1816 und ihre Grabmäler am jüdischen Friedhof Währing in Wien. Serie,

Teil 1: Geschändet – verfallen – vergessen – gefährdet. In: DAVID Heft 111, Chanukka 2016, S. 48 f.