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„Das Ende der Utopie“ Zum vierzigsten Todestag von Herbert Marcuse (1898 - 1979)

Monika Kaczek

Am 29. Juni jährte sich heuer zum vierzigsten Mal der ­Todestag des Philosophen, Politologen und Soziologen Herbert Marcuse. Seit den 1930-er Jahren gehörte er zu jenen Theoretikern, die
eine Tradition des unabhängigen und kritischen Marxismus begründeten.

Inhalt

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Herbert Marcuse
in Newton, Massachusetts 1955

Bildrechte: Marcuse family,
represented by Harold Marcuse,
Quelle: http://www.marcuse.org/herbert/booksabout.
htm CC BY-SA 3.0

 

Familie und Studium

Herbert Marcuse wurde am 19. Juli 1898 als  Sohn des jüdischen Textilfabrikanten Carl Marcuse und dessen Ehefrau Gertrud (geborene Kreslawsky) in Berlin geboren. Mit seinen zwei Geschwistern wuchs er in einem assimilierten Haushalt auf. Während des Ersten Weltkriegs absolvierte er 1916 das so genannte Kriegsabitur und wurde zum Heer einberufen. Ein Jahr später trat er der SPD bei und war als Mitglied eines Berliner Arbeiter- und Soldatenrates aktiv, wobei er zwei Jahre später sowohl die SPD als auch den Rat verliess.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs begann Marcuse mit dem Studium der Germanistik im Hauptfach, und als Nebenfächer belegte er Philosophie und Nationalökonomie zunächst an der Humboldt-Universität Berlin und später an der Universität Freiburg. Im Anschluss an seine Promotion 1922 war er im Verlagswesen in seiner Heimatstadt tätig, wo er die Mathematikerin Sophie Wertheim (1901–1951) heiratete. Ende der 1920-er Jahre setzte Marcuse sein Philosophiestudium fort, wo Edmund Husserl und Martin Heidegger zu seinen Lehrern zählten. In dieser Zeit beschäftigte er sich sehr mit den Werken von Karl Marx, von denen ihn vor allem die Jugendschriften massgeblich beeinflussten.

 

Emigration und Wirken

Am 30. Jänner 1933 trat Marcuse dem von Max Horkheimer geleiteten Frankfurter Institut für Sozialforschung bei. Noch im selben Jahr verliess Marcuse Deutschland und übernahm die Leitung der Zweigstelle des Instituts in Genf. 1934 emigrierte er in die USA, wo er am Institut für Sozialforschung an der Columbia Universität in New York tätig war. 1941 erschien sein Buch Reason and Revolution. Hegel and the Rise of Social Theory (deutsche Übersetzung Vernunft und Revolution. Hegel und die Entstehung der Gesellschaftstheorie, 1962). Von 1942 bis 1950 wirkte Marcuse als Sektionschef im amerikanischen Spionageabwehrdienst und wurde zum Leiter der Europaabteilung ernannt. Von 1950 bis 1951 hielt er Vorlesungen an der School of Psychiatry in Washington und in dieser Zeit starb seine Frau Sophie an Krebs. In seinem 1964 erschienenen Buch The One-Dimensional Man (deutscher Titel: Der eindimensionale Mensch) stellte er seine These vor, dass jede Kritik und alles Widerständige im Namen der technologischen Vernunft integriert und unwirksam gemacht werden kann. In den Jahren 1967 und 1969 verbrachte Marcuse einige Zeit in Deutschland, wo er sich in Vorträgen an Studierende wandte. 1967 verkündete er vor Berliner SudentInnnen das „Ende  der Utopie“. Da alle objektiven Voraussetzungen für eine Gesellschaft ohne Elend und Unterdrückung gegeben seien, sei eine andere Welt möglich. Beim Aufbau dieser neuen Gesellschaft vertraute Marcuse auf die „neue Arbeiterklasse“ – aufgeklärte WissenschaftlerInnen und Jugendliche sowie StudentInnen.

 

Herbert Marcuse starb am 29. Juli 1979 in Starnberg. Seine Botschaft wirkt heute aktueller denn je: „Und selbst, wenn wir nicht sehen, dass die Opposition hilft, müssen wir weitermachen, wenn wir noch als Menschen arbeiten und glücklich sein wollen – und im Bündnis mit dem System können wir das nicht mehr.“