Ausgabe

Jüdische Friedhöfe

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Claudia Theune/Tina Walzer (Hg.):

Jüdische Friedhöfe:  Kultstätte, Erinnerungsort, Denkmal. 

Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2011

302 S., mit zahlreichen Abb., EURO 35,00.-

ISBN 978-3-205-78477-7

Grossräumig gesehen sind in den Jahrzehnten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mehr jüdische Friedhöfe Devastation und Verwilderung anheimgefallen als in den unseligen Jahren des Dritten Reiches. Zugrunde gegangene jüdische Kultusgemeinden einerseits, mangelndes Wissen und sich daraus ableitendes Desinteresse andererseits trugen dazu bei, dass erst ab dem Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Frage „Jüdische Friedhöfe" langsam in das Blickfeld der Öffentlichkeit rückte. Neben den religiösen und menschlichen Aspekten - die gesellschaftspolitisch endlich zu einer finanziellen Kostenbeteiligung bei der Erhaltung der Friedhöfe von Seiten des Staates geführt haben - sind es hauptsächlich soziologische und kulturhistorische Fragestellungen, die zur Beschäftigung mit denselben führen.

Der für die Geschichte Wiens so bedeutende jüdische Friedhof in Währing war 2007 der Stein des Anstosses für eine breitere Auseinandersetzung verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen mit diesem Thema, was zu einem Seminar, zu einer im In- und Ausland gezeigten Fotoausstellung und auch zu einer Vortragsreihe führte, in der rechtliche und historische, aber auch Fragen des Denkmalschutzes behandelt wurden. Diese Vorträge, gegliedert in die vier Kapitel: Rahmenbedingungen, Rezeptionsgeschichte, Einzelstudien und Konservatorisches sind Inhalt des vorliegenden Bandes. 

Im ersten (mehr als ein Viertel des Buches einnehmenden) Beitrag Jüdische Friedhöfe in Österreich und den europäischen Ländern gibt Tina Walzer einen umfassenden Überblick nicht nur über 69 jüdische Friedhöfe in Österreich, sondern auch den letzten Forschungsstand über die unzähligen Massengräber, meist im Zusammenhang mit den Todesmärschen in den letzten Kriegswochen 1945. Zu jüdischen Friedhöfen im Allgemeinen werden Aspekte von gesetzlichen Rahmenbedingungen, Gestaltungen bis hin zu Finanzierungen behandelt und im Vergleich dazu die Situationen in anderen europäischen Ländern beleuchtet. 

Auf die folgenden einzelnen Beiträge näher einzugehen, ist aufgrund des Umfanges nicht möglich. Eine Aufzählung der Autoren und der von Ihnen behandelten Themen soll aber einen Überblick über Vielfalt und Qualität der Aufsätze geben. Otto Lohr schreibt Vom (oft beschämenden) Umgang mit jüdischen Denkmälern nach 1945. - Géza Hajós  widmet sich Grundsätzlichem zu Denkmalschutz, Gartendenkmalpflege, jüdische Friedhöfe.

 

Im zweiten Teil befasst sich Michael Studemund-Halévy, sehr interessant, mit Grenzenlos und globalisiert. Sefardische Grabkunst in der Alten und Neuen Welt. - Elana Shipara bereichert das schon vielfach bearbeitete Thema Jüdisches Mäzenatentum zwischen Assimilation und Identitätsstiftung in Wien 1800-1930 um einige neuen Facetten. Unter den Einzelstudien gibt Michael Guggenberger mit Der Alte jüdische Friedhof am Judenbichl (Judenbühel) bei Innsbruck. Ein „wiederentdecktes" Tiroler Kulturdenkmal einen Überblick über dessen Sanierungsarbeiten. Existenz und Lage waren einer breiten Öffentlichkeit nicht mehr bewusst. - Elgin von Gaisberg, gemeinsam mit fünf Co-Autoren, fasst aktuelles Wissen in Der Fall Berlin-Weissensee. Der grösste noch bestehende jüdische Friedhof Europas im Spannungsfeld zwischen Kultort und Denkmalpflege zusammen. - Mit Stefan Schmidts Gartendenkmalpflege am jüdischen Friedhof Wien-Währing wird ein spezieller, aber wichtiger Aspekt angesprochen.

Konservatorische Themen folgen: Gabriele Krist mit Konservatorisch-restauratorische Bestandsaufnahme als Tool für die Denkmalpflege und Johannes Weber mit Gesteinsverwitterung - Grundlagen und Untersuchungsmöglichkeiten widmen sich allgemein gültigen Aspekten der Denkmalpflege. Forschungsergebnisse für die praktische Arbeit stellt Andreas Rohatsch in Die Denkmalgesteine historischer jüdischer Friedhöfe in Wien - gesteinskundliche Grundlagen  zur Verfügung. Zum Abschluss kehrt Martin Pliessnig mit seinem Beitrag Wettlauf gegen die Zeit. Konservatorische und restauratorische Bestandsaufname sowie Zustandsanalyse am jüdischen Friedhof in Währing wieder zu dem Friedhof zurück, der der Anlass für die Tagung gewesen war.

Fast alle Beiträge sind mit zumindest einigen Fotos illustriert, die durchgehend angeführten Literaturhinweise stellen einen repräsentativen Querschnitt durch das heute fast schon unübersehbare Schrifttum dar. So stellt sich das vorliegende Buch als sehr begrüssenswerte Publikation vor, die neu gewonnene Erkenntnisse vermittelt und zu weiteren Forschungen anregt.