Ausgabe

Salzburg 1816 - 2016

Tina WALZER

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Verlässlich nähert sich die sommerliche Eröffnung der Salzburger Festspiele, dieses Jahr im Licht des Jubiläums: 200 Jahre ist Salzburg nun bei Österreich. Der jüdische Anteil am heutigen Weltruhm der alten Bischofsstadt ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Infolge der Napoleonischen Kriege kam Salzburg zu Österreich. Hatten die Juden Napoleon verehrt, weil ihnen unter seinem Regime 1804 im Rahmen des Code Civil die bürgerlichen Rechte verliehen worden waren, so mussten sie in Österreich doch noch bis 1867 warten, bis das Staatsgrundgesetz selbst Juden gleiche Rechte wie den übrigen Staatsbürgern garantierte. Sobald die rechtlichen Hindernisse beseitigt waren, nahm das jüdische Leben auch abseits der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien einen sprunghaften Aufschwung. In Landeshauptstädten wie kleinen Provinzgemeinden bildeten sich Kultusgemeinden, deren Rechte im Zusammenleben des Alltags schliesslich auch durch das Israelitengesetz 1890 gesetzlich festgeschrieben waren. Synagogen wurden gebaut, Friedhöfe entstanden, Vereine, Organisationen konstituierten sich. Die Entwicklung der Sommerfrische tat ihr Übriges, um Juden in ganz Österreich reisen zu lassen, unbekannte Bergtäler ebenso zu erkunden wie saisonweise idyllische Sommervillen an Seen zu beziehen. Die Juden entdeckten die Provinz. Albert Pollak durfte sich 1867 als Erster nach jahrhundertelangem Aufenthaltsverbot für Juden in Salzburg niederlassen. Die Israelitische Kultusgemeinde Salzburg war ab 1911 eine eigenständige Kultusgemeinde, bis dahin hatte sie organisatorisch zu Linz gehört.

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Jeden Sommer findet vor dem Dom Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes statt, und Jedermanns Name schallt spätnachts von der Feste Hohensalzburg herunter über den Domplatz und durch die Innenstadt. Foto: T. Walzer, mit freundlicher Genehmigung.


Von der Assimilation zum Jedermann
War den Juden seit Joseph II. und seinem Toleranzpatent eingebläut worden, sich anzupassen, einzugliedern, nur ja nicht aufzufallen im vielsprachigen Chor der kakanischen Bevölkerungsvielfalt, so setzten sie ihrerseits alles daran, in der umgebenden nichtjüdischen Mehrheitsbevölkerung akzeptiert zu werden. Lange wirkten die Ideen der Aufklärung, auch der Haskala, noch nach bis ins 20. Jahrhundert, immer wieder verliessen Juden ihren Glauben zugunsten eines vermeintlich sichereren, alltagstauglichen Christentums. Auch die Familie des Seidenfabrikanten Isak Löw Hofmann von Hofmannsthal (1759 - 1849), eines der Gründerväter der Israelitischen Kultusgemeinde Wien 1829, bildete da keine Ausnahme. Dessen Urenkel, der Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal (1874 - 1929) schrieb  von christlicher Moral inspirierte Stücke wie Jedermann und begründete 1920 mit diesem von Max Reinhardt (1873 Baden bei Wien - 1943 New York) als barock-katholisches „Mysterienspiel" gekonnt in Szene gesetzten Kassenschlager den Welterfolg der Salzburger Festspiele. Reinhardts Sommerresidenz Schloss Leopoldskron wurde in der Folge zum Treffpunkt der Reichen und Schönen dieser Welt. Die Exponenten der Wiener Ringstrassengesellschaft verbrachten verregnete Sommer im Salzkammergut und zögerten nicht, sich in Lederhosen und Dirndln zu zwängen, um als hoffentlich ebenbürtige Mitbürger den illustren Aufführungen und Veranstaltungen beizuwohnen.

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Gedenkstein am jüdischen Friedhof Salzburg, mit der Inschrift: „Nach dem II. Weltkrieg zogen durch Salzburg verfolgte Juden. Die Frauen waren sehr geschwächt und hatten sehr viele nicht lebensfähige Geburten. Zur Erinnerung von Stadt und Land Salzburg.“ Foto: T. Walzer, mit freundlicher Genehmigung.


Vertreibung und Verfolgung
Stefan Zweig (1881 Wien - 1942 Pétropolis) beobachtete das Treiben von seinem Haus am Kapuzinerberg aus mit zunehmendem Misstrauen, blieben ihm die vielen Anfeindungen in der näheren und weiteren Umgebung gegenüber „den Juden" doch keineswegs verborgen. Bereits 1921 hatte die Urlaubsgemeinde Mattsee, die „judenrein" zu sein wünschte, dem Komponisten Arnold Schönberg (1874 Wien - 1951 Los Angeles) nahegelegt, den Sitz seiner Sommerfrische zu verlassen. Am 18. Februar 1934 kam es in Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen dem austrofaschistischen Ständestaat und der Sozialdemokratie zu einer antisemitisch motivierten Hausdurchsuchung bei Zweig, der die Bedrohungssituation sofort erkannte. Er zog daraus die Konsequenzen und verliess Salzburg für immer. Am 23. Februar 1942 nahm er sich im brasilianischen Exil das Leben.

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Das Ehepaar Feingold. Foto: T. Walzer, mit freundlicher Genehmigung.


Das Überleben
Die jüdische Gemeinde Salzburgs wurde vertrieben. Nach Kriegsende installierten die Alliierten in Salzburg Lager für sogenannte Displaced Persons, Überlebende der Konzentrationslager. Viele Gräber am jüdischen Friedhof Salzburg zeugen von den tristen Lebensverhältnissen der Heimatlosen. Der Buchenwald-Überlebende Marko Feingold (geb. 1913) liess sich nach der Befreiung in Salzburg nieder. Er half, die Internierten zu versorgen und organisierte eine Fluchtmöglichkeit über die Krimmler Tauern in Richtung Palästina. Nachdem er bereits zwischen 1946 und 1947 kurz Präsident der IKG Salzburg gewesen war, übt er dieses Amt nun bereits seit 1977 aus. Mit seiner ungebrochenen Schaffenskraft ist er  einer der stärksten Zeitzeugen Österreichs dafür, dass ein Leben nach der Shoa nicht nur möglich, sondern eine unschätzbare Bereicherung der österreichischen Gesellschaft ist. DAVID gratuliert herzlich zum 103. Geburtstag: Mazel Tov!

Informationen: http://www.salzburg2016.at/de/; Alpine Peace Crossing - Verein für Flüchtlingshilfe http://alpinepeacecrossing.org/ ; http://www.ikg-salzburg.at/
Landesausstellung:  Bischof. Kaiser. Jedermann. 200 Jahre Salzburg bei Österreich. Salzburg Museum Neue Residenz, Mozartplatz 1, 30.04. - 30.10. 2016, Geöffnet Di bis So 09.00 - 17.00 Uhr.

Literatur:
Marko M. Feingold: Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte. Hg. v. Birgit Kirchmayr/Albert Lichtblau. Wien: Picus Verlag 2000.
Marko Feingold (Hg.): Ein ewiges Dennoch. 125 Jahre Juden in Salzburg. Wien-Köln-Weimar: Böhlau Verlag 1993.
Adolf Altmann: Geschichte der Juden in Stadt und Land Salzburg. Otto Müller Verlag 1990.
Stan Nadel: Ein Führer durch das jüdische Salzburg. Verlag Jung und Jung 2005.
Daniela Ellmauer/ Helga Embacher/ Albert Lichtblau (Hg): Geduldet, geschmäht und vertrieben. Salzburger Juden erzählen. Otto Müller Verlag 1998.

Siehe auch unseren Artikel in Heft 84, Pessach 2010, link: http://davidkultur.at/ausgabe.php?ausg=84&artikel=105: „65 Jahre habe ich gebraucht, um ein Salzburger zu werden. Präsident Marko Feingold im Gespräch mit Tina Walzer."