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Gerhard Schmid im Interview

Monika KACZEK

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Gerhard Schmids (geb. 1960) politische Laufbahn begann in der Sozialistischen Jugend seines Wiener Heimatbezirks Hietzing, deren Vorsitz er von 1976 bis 1982 führte. Nach der Absolvierung eines Lehramtsstudiums an der Berufspädagogischen Akademie war er als Berufsschullehrer tätig, absolvierte nebenberuflich ein Diplomstudium der Politikwissenschaft und Pädagogik sowie im Anschluss daran ein Doktoratsstudium der Politikwissenschaft an der Universität Wien. Weitere Stationen: ab 1997 Vizedirektor einer Wiener Berufsschule und ab 2000 Abteilungsleiter und Direktor am Pädagogischen Institut des Bundes in Wien. 2007 wurde er von Werner Faymann, dem damaligen Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, in sein Kabinett berufen. Nach der Bestellung Faymanns zum Bundeskanzler im Jahre 2008 folgte ihm Gerhard Schmid als wissenschaftlicher Mitarbeiter ins Bundeskanzleramt. Von 3. Juli 2015 bis 13. Juni 2016 war Gerhard Schmid Bundesgeschäftsführer der SPÖ 1 und seit dem 24. November 2015 ist er als Landtagsabgeordneter sowie im Gemeinderat tätig.

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© SPÖ

DAVID: Seit Ihrer Jugend sind Sie in der SPÖ aktiv. Kommen Sie aus einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus?

G. Schmid: Ja, ich komme aus einem weitestgehend sozialdemokratischen Umfeld. Mein Grossvater väterlicherseits war beim Republikanischen Schutzbund aktiv, mein Vater engagierte sich als Betriebsrat in der damals noch verstaatlichten Industrie. Als ich mit 16 Jahren in der Sozialistischen Jugend aktiv wurde, war mit Sicherheit der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky die wohl prägendste politische Persönlichkeit und ein Vorbild für mich. Damals wurde mir bewusst, welche Kraft in der sozialdemokratischen Bewegung steckt.

DAVID: Nach Ihrer Bestellung zum Bundesgeschäftsführer der SPÖ am 3. Juli 2015 betonten Sie, dass sozialdemokratische Werte wie Bildung und leistbares Wohnen verstärkt in den Vordergrund treten müssten. 2 Was sind für Sie weitere Aufgaben der Sozialdemokratie in der Gegenwart und vor allem in der Zukunft?

G. Schmid:  Im Leben und in der Welt müssen meines Erachtens Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Humanität und Toleranz im Vordergrund stehen - frei nach Otto Bauer geht es um die individuelle Freiheit der Menschen in einem sozialen Zusammenhang. Entscheidend für diese Maximen ist die politische Bearbeitung der „sozialen Frage". Da geht es etwa darum, wie wir die Kluft zwischen Arm und Reich verringern oder gar überwinden - etwa durch eine gerechte Verteilung des Wohlstands oder qualitative Arbeitsplätze für möglichst viele Menschen. Das beschäftigt uns damals wie heute, wenn auch unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Sozialdemokratie ist deshalb so eine starke und traditionsreiche Bewegung geworden, weil sie immer dafür eingetreten ist, dass alle Menschen die gleichen Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes Leben vorfinden. Beste Bildung für alle Menschen - ein Thema, das mich seit jeher begleitet und eng mit der sozialen Frage verbunden ist - ist mit Sicherheit ein weiterer wichtiger Schlüssel für die Zukunft unserer Gesellschaft.

DAVID: Mit Entsetzen beobachten wir in ganz Europa einen stärker werdenden Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft und der Politik. Besonders in der Anonymität der sozialen Medien tauchen immer wieder erschütternde rassistische und menschenverachtende Meldungen auf. Gruppierungen, wie die AfD in Deutschland, schrecken auch vor antisemitischen Vergleichen nicht zurück. Erklärungsmodelle für diese Gesinnung kann man finden, doch es stellt sich die Frage, wie man mit diesem Gedankengut umgehen soll.

G. Schmid: Leider versuchen rechte Hetzer und Blender durch das Schüren von rassistischen Ressentiments und einem diffusen Hass auf Andersdenkende und -gläubige von der Notwendigkeit einer gerechteren Gesellschaft abzulenken. Dort, wo rechtsextreme Gruppierungen mit den Grundsätzen unserer demokratischen Verfassung kollidieren, muss man sie mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpfen. So einfach ist es in den meisten Fällen aber nicht. Ich teile Ihre Einschätzung, dass bestimmte Rechtsparteien in Österreich und anderen Teilen Europas zunehmend reüssieren. Ihre Themen sind zum Teil leider hegemoniefähig geworden. Hier stellt sich die Situation vertrackter dar. Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht, die Debatte nicht zu scheuen und entschieden darauf hinzuweisen, mit welch perfiden Methoden und Falschinformationen da gearbeitet wird. Andererseits müssen wir, wenn wir so wollen, mit „gutem Beispiel vorangehen" und zeigen, dass wir mit unserer, mit sozialdemokratischer Politik die wahren Probleme der Gesellschaft angehen: Beschäftigung, leistbares Wohnen und vieles mehr. Bildung und (historische) Aufklärung sind ebenfalls unverzichtbar, um vielen Menschen zu zeigen, wohin das Schüren von Rassismus und Antisemitismus führen kann. Die Arbeit von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in diesem Zusammenhang kann gar nicht hoch genug geschätzt werden.

DAVID: Heuer wurde am 8. Mai in Erinnerung an die Befreiung Österreichs vor 71 Jahren das „Fest der Freude" am Wiener Heldenplatz veranstaltet. Diese Kultur der Erinnerung zeigt, wie wichtig der Ruf „Niemals vergessen" ist. Welche Initiativen wären hier von Seiten der Politik wichtig?

G. Schmid: Ich bin sehr froh und auch stolz darauf, dass es Willi Mernyi, Daniel Löcker und mir gelungen ist, gemeinsam mit den Wiener Symphonikern das „Fest der Freude" ins Leben zu rufen. Gemeinsames Erinnern - etwa in Zusammenhängen wie dem „Fest der Freude" oder den Befreiungsfeiern in Mauthausen - ist eine Aufgabe, die nach wie vor einen unverzichtbaren Stellenwert hat. Die Politik ist hier sicherlich gut beraten, unterstützend zu wirken. Neben der vorhin angesprochenen Bildungsinitiativen und Aufklärungskampagnen ist eine gewisse Dezentralität von Gedenk- und Erinnerungskultur wichtig. Darunter verstehe ich, Menschen in ihrem unmittelbaren Alltagszusammenhang durch Mahnmale, Stolpersteine, Gedenkfeiern und andere Initiativen die Möglichkeit des Erinnerns und Gedenkens zu geben. In Wien funktioniert hier sehr vieles schon sehr gut. Aber wir dürfen nicht aufhören, permanent darüber nachzudenken, wie wir mit Gedenk- und Erinnerungsarbeit möglichst viele Menschen und vor allem neue Generationen erreichen.

DAVID: Da unsere Zeitschrift ein Kulturmagazin ist, würden wir Sie zum Abschluss des Gesprächs auch nach Ihren musikalischen, literarischen und sonstigen kulturellen Interessen fragen.
G. Schmid
: Musikalisch, literarisch und kulturell begeistern mich sowohl sogenannte Klassiker als auch Zeitgenössisches. Musikalisch gefallen mir etwa verschiedenste Opern und klassische Musik. Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, sind Interpretationen von Goethes Faust, aber auch Shakespeare-Stücke immer Favoriten. Elfried Jelinek zählt neben Arthur Köstler und Karl Kraus zu den Autorinnen und Autoren, die ich sehr gerne lese. Und - weil meines Erachtens auch der Sport eine wichtige Form der Kultur darstellt - wenn es um das runde Leder geht, schlägt mein Herz für Grün-Weiss, nämlich für Rapid Wien.

Am 13. Juni 2016 wurde der bisherige Wiener Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler zum neuen SPÖ-Bundesgeschäftsführer bestellt.

DAVID: Vielen Dank, Herr Dr. Schmid, für das interessante Gespräch.

1   Am 13. Juni 2016 wurde der bisherige Wiener Landespartei-

sekretär Georg Niedermühlbichler zum neuen SPÖ-Bundesge-

schäftsführer bestellt.

2  http://kurier.at/politik/inland/neuer-sp-parteimanager-gerhard-schmid-moechte-mit-unzufriedenen-genossen-sprechen/135.661.456