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Niemand sollte davonkommen!

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Hüttl, Tina/Meschnig, Alexander: Uns kriegt ihr nicht. Als Kinder versteckt - jüdische Überlebende erzählen

München, Piper Verlag 2013

287 Seiten, 16 S/W-Abbildungen, € 20,60

ISBN 978-3-492-05521-5

  

Während ich für mein „Buch der jüdischen Kunst" mit der Geschichte des Synagogenbaus in Deutschland und damit auch mit der Geschichte der Juden in eben diesem Land beschäftigt war, kam dieser Titel heraus. Für mich stellte sich beinahe automatisch Kontinuität ein: Verfolgung der Juden in Deutschland seit den Kreuzzügen in dem einen Buch, Verfolgung der Juden in Deutschland. Als hätte sich nichts geändert: Juden waren Freiwild, das man ungestraft abschießen durfte; Juden wurden zu Ungeziefer erniedrigt, das ungestraft ausgerottet werden durfte. Immer hat es Überlebende gegeben, zum Teil, weil sie untergetaucht waren. Und diese Überlebenden schwiegen lange Jahre, bis sie, oft erst in einem fortgeschrittenen Alter, das Schweigen nicht mehr ertragen konnten. Sie begannen zu erzählen, davon, was sie an Schrecklichem erlebten, und davon, wie sie überlebten. Denn diese Überlebenden standen bisher im Schatten der Überlebenden aus den Konzentrationslagern.

Zwei, die nicht nur zuhörten, sondern auch notierten, was die Überlebenden zu er-zählen hatten, waren Tina Hüttl und Alexander Meschnig, zwei Nachgeborene, die eine 1975 in München auf die Welt gekommen, der andere 1965 in Dornbirn in Österreich. Und sie hörten nicht nur zu und notierten, sie sammelten die Erzählungen der Überlebenden und stellten sie am 5. April 2013 zusammen mit ihrem Verlag auch in einer offiziellen Veranstaltung dem breiten Publikum vor.

Die Autoren befassen sich mit den Untergetauchten, jenen, die sich widersetzten, sich nicht bei den anbefohlenen Sammelstellen meldeten, sondern in den Untergrund gingen und in Kellern, in Schrebergärten und auf Dachböden überlebten. Mut brauchten sie und die Hilfe von Menschen guten Willens, die sich tatsächlich fanden. Von den insgesamt 15 Überlebenden, die im Buch zu Wort kommen, sind neun Frauen und sechs Männer, ein Verhältnis, das symptomatisch ist, denn inoffiziellen Statistiken zufolge überlebten mehr Mädchen als Jungen im Versteck aus dem einfachen Grund, dass Mädchen nicht beschnitten werden und daher äußerlich nicht als jüdisch zu erkennen sind. Die ältesten Überlebenden sind 1920 und 1921 geboren, die jüngsten 1941 und 1942. Dass aber auch diese Überlebenden bald nicht mehr unter uns weilen, davon zeugt die Tatsache, dass zwei der Befragten nicht mehr die Veröffentlichung des Buches erlebten.

Den Autoren ist zu danken, dass sie die Schilderungen der in den Untergrund abgetauchten Überlebenden, abgesehen von behutsamen Korrekturen, weitgehend übernommen haben, sodass man beim Lesen den Eindruck hat, man lausche persönlich ihren Geschichten. Ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Schoa, der viele Leser verdient hat.