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Vergeben – nicht vergessen

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In einer beeindruckenden Rede vor Kuratoren und hochrangigen Gästen anlässlich der Kuratoriumssitzung des Österreichischen Schwarzen Kreuzes - Kriegsgräberfürsorge (ÖSK) brachte der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) seine Gedanken über das Andenken und die gemeinsame Erinnerung an alle Kriegstoten  zum Ausdruck. Die bewusste Versöhnung der einstigen Gegner stand dabei an oberster Stelle. Insbesondere die merkbare Zusammenarbeit mit Russland war ihm ein grosses Anliegen. Unter anderem hielt Reinhard Führer dabei fest:

Im vergangenen Jahr war es das dritte Mal, dass durch den Volksbund über 42.000 deutsche Wehrmachtssoldaten in Osteuropa geborgen und in Sammelfriedhöfen bestattet werden konnten. 42.000 Schicksale - um die getrauert wurde und das jedes für sich ein Einzelschicksal darstellt. Auch wenn sich darunter Soldaten befinden, die sich schuldig gemacht haben, so müssen sie ihre Schuld mit dem Herrgott ausmachen, wir sind heute nicht ihre Richter. In Rzshew haben Deutsche und Russen gemeinsam an ihre gefallenen Soldaten gedacht. Vor 10 Jahren wäre das noch unmöglich gewesen. Das beweist die positive Entwicklung des Zusammenlebens der Gegner von einst.

Die Arbeit des VDK gemeinsam mit dem ÖSK bildet die Klammer, die die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft. Der luxemburgische Ministerpräsident und seinerzeitige EU-Ratsvorsitzender Jean Claude Juncker hat gesagt: „Wer an Europa verzweifelt, der dieses Europa nicht will, der soll Soldatenfriedhöfe besuchen!" Ein Beispiel dazu. Es war am 22. September 2012 und bitterkalt, als in Rzshew auf einem freien Feld eine Grabstätte gefunden und dabei die sterblichen Überreste eines deutschen Soldaten exhumiert werden konnten. Eine Pfeife, die Brieftasche, der Ehering und die Erkennungsmarke wurden geborgen. Das Geburtsdatum darauf wies den 22. September 1912 aus! Der Soldat namens Schmidt hätte demnach an diesem Tag seinen hundertsten Geburtstag gehabt. Was für eine berührende Begebenheit.

Spannen wir den Bogen weiter nach Stalingrad, wo heuer des 70. Jahrestages der Schlacht gedacht wurde. Der Gouverneur von Wolgograd lud dazu nicht nur die ehemaligen sowjetischen Veteranen, sondern auch die einstigen Gegner ein. Am 3. Februar fand im Sportpalast vor tausenden Besuchern ein gemeinsames Konzert des Symphonieorchesters Osnabrück mit dem dortigen Symphonieorchester und einem Chor von Wolgograd statt. Gespielt wurde auch die 9. Symphonie von Beethoven. Dazu hat der russische Chor in deutscher Sprache gesungen! Das war bis heute unvorstellbar.

In anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks ist die Kriegsgräberfürsorge nicht so einfach. Trotz bis dato funktionierendem Kriegsgräberabkommen hat Polen nunmehr ein Gesetz erlassen, worin alles, was unter der Erde liegt, als polnisches Eigentum zu betrachten ist. Darunter würden auch die persönlichen Gegenstände - wie z.B. Eheringe - von exhumierten Wehrmachtssoldaten fallen. Hier ist noch viel Verhandlungsgeschick notwendig. Es gibt daher da und dort noch Schwierigkeiten zu überwinden, Erfolge sind aber allerorts erkennbar. Was zählt, sind das gemeinsame Totengedenken von Russen und Deutschen, und die von Russen in Deutsch gesungene 9. Symphonie. Heuer werden auch wieder Soldaten aus Russland und Deutschland auf Kriegsgräberanlagen in Russland gemeinsam arbeiten. Das russische Fernsehen wird darüber wieder ausführlich zur Hauptsendezeit in den Nachrichten berichten. Für die Russen ist es wichtig, hier einen Beitrag zur Versöhnungsarbeit zu leisten. Der Gegner von einst wird genauso geachtet wie der eigene Soldat.

7 Prozent der Wehrmachtssoldaten waren Österreicher. Diese Gedenkarbeit trifft daher genauso auf Österreich zu. Johann Gabriel Seidl, der Texter der österreichischen Kaiserhymne, hat ein Gedicht über den toten Soldaten auf dem Schlachtfeld verfasst. Der Einzelne versinkt dabei in der Masse der Opfer. Im Gedicht bringt er jedoch die Trauer der Hinterbliebenen, die hinter jedem Einzelschicksal stehen, lyrisch ernst und treffend zum Ausdruck. Diese Trauer ist auch Mahnung an uns, das Schicksal der Kriegstoten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.