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Joseph Wulf

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Klaus Kempter: Joseph Wulf. Ein Historikerschicksal in Deutschland.
Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht Verlag 2012. 413 Seiten.
ISBN 973-3647-36956-2. Euro 64,90.

Nicolaus Berg, Autor des Buches „Der Holocaust und die westdeutschen Historiker“, nannte Joseph Wulf nicht umsonst den Pionier der Holocaustforschung. Er und Marcel Reich-Raniciki waren laut Kempter die beiden einzigen polnischen Juden, die in der bundesdeutschen Öffentlichkeit präsent und engagiert waren.
Wulf wuchs als Sohn eines Kaufmanns in Krakau und Chemnitz auf und besuchte von 1927 bis 1929 die Jeschiwa in Mir. Er war immer stolz auf seine ostjüdische Herkunft, veröffentlichte jiddische Gedichte und ein jiddisches Buch über Jehuda Leib Perez. Seine Frau Jenta lehrte an der religiösen Beth Jakob Schule in Tarnopol.
Nach der Befreiung arbeitete Wulf für die Jüdische Historische Kommission in Krakau und lebte bis 1952 in Paris. Als freier Wissenschaftler publizierte er  zusammen mit dem französischen Historiker Leon Poliakov die Bände „Das Dritte Reich und die Juden“, „Das Dritte Reich und seine Diener“ und „Das Dritte Reich und seine Denker“.  In den sechziger Jahren folgten Dokumentationen über die bildenden Künste, über Musik, Literatur und Dichtung, Theater und Film und über Presse und Funk im Dritten Reich.
1965/66 scheiterte Wulfs groß angelegter Plan eines Internationalen Dokumentationszentrums  zur Erforschung des Nationalsozialismus und seiner Folgeerscheinungen in der Villa der historischen Wannsee-Konferenz trotz der großen internationalen Unterstützung, nachdem Willy Brandt als Bürgermeister Berlins abgewählt worden war. Sein bitteres Fazit lautete: "Ich habe hier 18 Bücher über das Dritte Reich veröffentlicht und das alles hatte keine Wirkung."  Wulf starb, vierzehn Monate  nach dem Tod seiner Frau, 1974 durch eigene Hand. Er ist in Israel begraben, wohin er dreimal reiste und wohin er auch die Auswanderung überlegte.
Der Heidelberger Historiker Klaus Kempter, der 1998 das für die österreichisch-jüdische Geschichte wichtige Buch „Die Jellineks“ veröffentlichte, konnte auf den umfangreichen Nachlass zurückgreifen und auch Wulfs Sohn und Enkelin, die beide 2012 verstarben, interviewen. 1981 drehte Henryk M. Broder einen Dokumentarfilm über Wulf. Gerard Schoenberner veröffentlichte 2006 eine Studie über Wulf. Darin beschrieb er ausführlich Wulfs mittels der Korrespondenz gut rekonstruierbares umfangreiches Beziehungsnetz und damit ein wichtiges Kapitel der intellektuellen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.