Unter den historischen Regionen Ostmitteleuropas                      nimmt die Bukowina (bis 1918 ein Kronland Cisleitchaniens)                      eine besondere Stellung ein.* Sie verzeichnete innerhalb der                      Donaumonarchie die größte ethnische Mannigfaltigkeit.                      Es herrschten dort besondere ethnosoziale, gesellschaftspolitische                      und kulturelle Verhältnisse, die sich von der Situation                      in den benachbarten Kronländern wesentlich unterscheiden.                      
 Die Jüdische Gemeinde in der Bukowina und insbesondere                      in der Landeshauptstadt Czernowitz entwickelte sich am Anfang                      des 20. Jhdts. zu einer einheitlichen und einflussreichen                      politischen und wirtschaftlichen Kraft. Im Jahre 1908 fand                      in Czernowitz sogar der erste Weltkongress für jiddische                      Sprache statt. Der Organisator dieses Kongresses, Dr. Nathan                      Birnbaum charakterisierte seine jüdischen Landsleute                      aber nicht besonders löblich: "Die Juden von Czernowitz                      sind liebenswürdig lustig, dem Politisieren zugetan,                      aber gegenüber den Hintergründen des Lebens gleichgültig.                      Fortschrittlich, aber nicht fortgeschritten, noch weniger                      vorgeschritten, am allerwenigsten vorschreitend. Temperament                      ohne Bewegung. Kurz: Ausgezeichnetes Material, aber nirgends                      hineinverbaut, unnötig an der Sonne trocknend."
Friedhof
 Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches mussten viele                      feststellen, dass das Leben unter dem Doppeladler wesentlich                      liberaler, demokratischer und freier war, als in den neuen                      Staatsgebilden der Zwischenkriegszeit. Besonders viel Grund                      für nostalgische Gesinnung hatten die Volksgruppen in                      der nunmehr rumänischen Bukowina, die zum Übungsfeld                      des rumänischen Staatsnationalismus wurde. "Schwarz-gelb,                      die Kinder der Monarchie träumten deutsche Kultur"                      – beschrieb Rose Ausländer in ihrem Gedicht "                      Czernowitz" die damalige Atmosphäre.
 Leider mussten die Czernowitzer Juden viel tragischeren Folgen                      des Nationalismus des 20. Jhdts., welche zum Holocaust und                      zur Vernichtung einst blühender jüdischer Volksgruppe                      geführt hatten, erfahren. Und wieder Rose Ausländer                      "Im Getto: Gott hat abgedankt" ("Czernowitz").
Synagoge
 Nach 1991 erlebt Czernowitz, als Gebietshauptstadt der Ukraine,                      nicht nur eine große Auswanderungswelle der Juden nach                      Deutschland, Israel und in die USA, sondern auch eine Renaissance                      des jüdischen Kulturlebens. Heute zählt die jüdische                      Gemeinde mit ca. 3.000 Mitgliedern mit Ihren Vereinen, sozialen                      und kulturellen Einrichtungen einer Synagoge, ungeachtet ihrer                      Größe zu den aktivsten sozialen Gruppen der 270.000                      Einwohner zählenden Stadt Czernowitz. Zu den bedeutendsten                      historischen Gedenkstätten jüdischer Gemeinden von                      Czernowitz gehört auch ein großer jüdischer                      Friedhof (über 50.000 Grabanlagen,) welcher in den 60-er                      Jahren des 19. Jhdts. angelegt wurde und bis zu unseren Tagen                      wie ein offenes Buch der jüdischen Geschichte da liegt.                      Und es will gelesen werden. "Alles ist belassen, vollkommen                      unberührt, unverändert und wie verzaubert ... .                      Grab reiht sich an Grab, Wege kreuzen und geben den Blick                      frei. Tage, Wochen könnte man zubringen, um alles zu                      sehen und in sich aufzunehmen" – beschreibt Othmar                      Andre seine Eindrücke in "Czernowitzer Spaziergänge".                      
 1995 wurden vom Czernowitzer Magistrat alte christliche und                      jüdische Friedhöfe unter Denkmalschutz gestellt,                      man ist bemüht, diese Memorialstätten für die                      Zukunft zu retten. Und solche städtischen Maßnahmen                      werden von privaten und öffentlichen Initiativen im Ausland                      unterstützt, 1995 - 1997 wurde die Friedhofsverwaltung                      mit Spenden vom ÖSK unterstützt, da sowohl auf dem                      christlichen, als auch auf dem jüdischen Friedhof Grabstätten                      gefallener österreichischer und russischer Soldaten aus                      dem Ersten Weltkrieg vorhanden sind. Im Juni 2000 wurde auf                      Initiative der Rose-Ausländer-Stiftung in Deutschland                      der Verein "Patenschaft Jüdischer Friedhof Czernowitz"                      ins Leben gerufen. Dieser Verein will die nötige Sanierung                      des jüdischen Friedhofes ermöglichen.
*) Hier haben Ukrainer, Rumänen gemeinsam mit Deutschen, Juden, Polen, Armeniern, Russen seit dem Ende des 18. Jahrhundert eine Kulturlandschaft geformt, die im Lauf der letzten vier Jahrzehnte von Literatur- und Kulturhistorikern, aber auch von Journalisten überaus eindrucksvoll, manchmal aber auch einseitig dargestellt wurde.