Die Fußballsaison 2001/2002 ist zu Ende. Im Kampf um die Teilnahme an der Champions-league kam es – wie schon im Jahr zuvor – zu einem Zweikampf zwischen den beiden Grazer Fußballvereinen GAK und Sturm Graz, die in diesem Jahr auch das österreichische Cup-Finale unter sich ausmachten, das der GAK, der heuer sein 100. Vereinsjubiläum feiert, gewann. Seit Jahrzehnten schon repräsentieren diese beiden Vereine die steirische Landeshauptstadt im österreichischen bzw. internationalen Fußball. In Vergessenheit geraten ist hingegen, dass es in den 20er und 30er Jahren in Graz noch einen dritten starken Fußballverein gegeben hat, die Grazer Hakoah. Die Hakoah, die Kraft, wie die wörtliche Übersetzung aus dem Hebräischen lautet, war zudem neben dem GAK der zweitgrößte Grazer Allroundsportverein und zeitweise in einzelnen Disziplinen dem GAK ebenbürtig bzw. zum Teil überlegen.
Der Beginn des jüdischen Sportes in Graz – Makkabi                      Graz
 Nach der Vertreibung der Juden aus der Steiermark durch Kaiser                      Maximilian I. im Jahre 1497 sollte es für Juden bis 1861                      unmöglich sein, sich in Graz niederzulassen. Nach der                      in diesem Jahr erfolgten Aufhebung der Judensperre und dem                      Staatsgrundgesetz von 1867, das den österreichischen                      Juden die rechtliche Gleichstellung sicherte, kam es bis zum                      Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu einem regen Zuzug von Juden,                      vor allem aus Westungarn. Diese Grazer jüdische Gemeinde,                      die sich 1869 als Grazer Israelitische Kultusgemeinde konstituierte                      und die laut Volkszählung von 1910 einen Höchststand                      von 1971 Mitglieder hatte, entfaltete in der Folge ein reges                      Vereinsleben, das im ausgehenden 19. Jahrhundert vor allem                      durch die Gründung von religiösen, kulturellen und                      sozialen Vereinigungen geprägt war.1
Als anlässlich des 2. Zionistenkongresses in Basel 1898                      Dr. Max Nordau zur "Erziehung zum Muskeljudentum"                      aufrief und die Errichtung jüdischer Turnvereine forderte,                      die aus Judenjungen junge Juden schaffen sollten, die stolz,                      aufrichtig und fähig seien, für ihre Rechte einzutreten,                      fanden diese seine Ideen überall rasch Anhänger.                      
 Organisierte sportliche Betätigung war zu dieser Zeit                      noch weitgehend unbekannt und lediglich die Deutsche Turnerschaft                      bot die Möglichkeit, zu gemeinsamen sportlichen Aktivitäten.                      Da Sport immer auch politisch war und ist, war es für                      Juden fast unmöglich, in dieser überwiegend deutschnational                      bis völkisch, antidemokratisch und antisemitisch orientierten                      Organisation mitzuturnen. So kam es bereits 1897 in Wien zur                      Gründung des "Ersten Wiener jüdischen Turnvereins"2                      , dem wenig später ein Grazer Turnverein folgen sollte.
Mitglieder des Grazer Vereins Zion3 beschlossen 1904 innerhalb                      des Vereins eine Turnsektion zu errichten, aus der im Frühjahr                      1905 der Jüdische Turnverein zu Graz4 hervorging. Damit                      begann einerseits die Sammlung aller Juden, die Sport betreiben                      wollten, denen dies aber in anderen Vereinen durch versteckten                      oder offenen Antisemitismus fast unmöglich war. Andererseits                      stand aber vor allem die Schulung bzw. Stählung der Körper,                      die Wehrfähigkeit und die Förderung des Nationalbewusstseins                      der Juden im Mittelpunkt, um damit der Öffentlichkeit                      – der jüdischen wie nichtjüdischen bzw. antisemitischen                      – zu zeigen, dass Juden neben der Fähigkeit zum                      allseitig gebildeten Menschen in der Körperkraft anderen                      Teilen der Bevölkerung nicht nachstehen.
 In "Unser Ruf", dem Aufruf, den der Gründer                      des Grazer Turnvereins, der Arzt Dr. Siegmund Leicht verfasst                      hatte, heißt es:5
"Heran, ihr Brüder, tretet an,
 Kopf hoch, die Brust geweitet!
 Das ist kein jüdischer Turnersmann, 
 Der krumm und kraftlos schreitet!
 Vergessen Sorg’ und Alltag sei,
 Ein Turnerherz schlag’ leicht und frei!
 Wir sind des Frühlings junge Saat:
 Hedad! Hedad!
Heran, ihr Brüder, tretet an,
 Kraftvoll gespannt die Sehnen!
 Dem Volke machet frei die Bahn,
 kein Spötter soll uns höhnen!
 Der Feige winselt, bangt und gafft,
 Nur herzhaft vorwärts, Mut gibt Kraft.
 Und starker Wille wird zur Tat:
 Hedad! Hedad!
Heran, ihr Brüder, tretet an,
 Das Goluth ist ein Sterben!
 Zum Land der Freiheit weist die Fahn’,
 Wir zieh’n, es zu erwerben.
 Die eig’ne Erd’, der eig’ne Herd,
 Sie sind der Besten Herzblut wert.
 Wir sind am Weg: "Kadimah zad"!
 Hedad! Hadad!
Trotz dieses und anderer Aufrufe in der Zeitung des Israelitischen Kultusgemeinde, dem Grazer Israelitischen Gemeindeboten, ging in Graz die Sammlung der jungen Juden nur mühsam voran. Neben den jungen Juden versuchte man schon bald mit der Gründung einer eigenen Damen- und Mädchenriege auch junge Jüdinnen im Turnverein zu erfassen, doch gelang dies noch schlechter, sodass das Mädchenturnen zeitweise zum Erliegen kam.6 Auch die nationale Erziehung, die durch Vorträge im Rahmen des Turnvereins erfolgte, fand nur schwachen Anklang.7 Als der Jüdische Turnverein, der sich seit Herbst 1913 Makkabi Graz nannte, am 29. März 1914 sein zehnjähriges Bestehen feierte8 , konnte man zwar auf ein Anwachsen des Vereins zurückblicken, der sich seit 1904 von 30 Turnern auf 122 aktive Mitglieder vervierfacht hatte, doch war dies, gemessen an der Zahl der Gemeindemitglieder und auch im Vergleich zum Allroundsportklub Hakoah, der nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurde, nur eine bescheidene Zahl von Aktiven.
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																				 Maccabi Graz 1914 
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Die Grazer Hakoah
Nach dem Ersten Weltkrieg, während dessen die Aktivitäten                      eingestellt und 1917 der Jüdische Turnverein letztlich                      suspendiert wurde9, kam es im März 1919 zur Gründung                      des Grazer Allroundsportvereins Hakoah.10 Die Gründung                      dieses Vereines ging mit gemischten Erwartungen vor sich.                      Während ein Teil auch der Kultusgemeinde der Idee eines                      jüdischen Sportvereins ablehnend gegenüberstand                      und dem Verein ein baldiges Ende prophezeite, war es vor allem                      die fußballbegeisterte Jugend, die den Sport als Möglichkeit                      ansah, in der Öffentlichkeit zu beweisen, dass Juden                      es den anderen gleichtun können. Die Fußballer                      der Hakoah waren es, die den guten Ruf der Graz Hakoah, die                      bald auf 400 Aktive in verschiedenen Sektionen anwachsen sollte,                      begründete. Dabei hatten die Fußballer der Hakoah                      vor allem in den ersten Jahren mit massivem Antisemitismus                      und Platzschwierigkeiten zu kämpfen, da die platzbesitzenden                      Klubs sich weigerten, die Hakoah auf ihren Plätzen trainieren                      zu lassen. Erst als 1923 in der Engelgasse ein eigener Platz                      gemietet werden konnte, ging es mit der Hakoah steil bergauf.                      Dem Meistertitel in der 2. Klasse folgte der Aufstieg in die                      oberste steirische Liga, wo sie erneut mit Antisemitismus                      und der Weigerung einiger Klubs, sich mit Juden zu messen,                      konfrontiert wurden. Während der GAK die Weigerung zurücknahm,                      beschloss der Deutsche Sportverein Leoben auf Grund des "Arierparagraphen"                      in seinem Statut, nicht gegen Juden anzutreten, weshalb der                      Steirische Fußballverband ihn wie auch den Turnverein                      Leibnitz von den Meisterschaftsbewerben ausschloss.11 
 Die Hakoah etablierte sich rasch in der 1. Liga, wo die Mannschaften                      von Germania bzw. Ostmark regelmäßig mit Ergebnissen                      wie beim Kegeln deklassiert wurden. Gegen den mehrfachen 
 Steirischen Meister Sturm Graz hatte die Hakoah 
 aber immer das Nachsehen, während dem GAK immer wieder                      ein Unentschieden abgerungen bzw. gelegentlich eine Niederlage                      zugefügt werden konnte, was vor allem die Meisterschaft                      1925 bis zuletzt spannend machte. In diesem Jahr war die Hakoah                      mit dem GAK punktegleich in der Schlusstabelle, war aber auf                      Grund des schlechteren Torverhältnisses wieder nur dritter                      geworden, ein Platz, der jahrelang für die Hakoah reserviert                      war. 
 Sturm Graz konnte nur einmal in der Saison 1928/29 besiegt                      werden, was damals als Sensation galt, wie dies auch aus der                      Berichterstattung der "Grazer Sport-Zeitung" hervorgeht:
 "Eine sensationelle Überraschung in der Meisterschaft,                      da es der Hakoah gelang, Sturm beide Punkte abzunehmen. Die                      ungekünstelte und vor allem schnelle Spielweise der Blau-weißen                      trug ihnen den wertvollen Sieg ein."12 Es sollte für                      die Mannschaft von Sturm, die Herbstmeister werden sollten,                      die einzige Niederlage sein und für die Hakoah bedeutete                      dies, mit nur einem Punkt Rückstand auf Sturm in die                      Winterpause zu gehen.
 Neben den Ligaspielen – damals gab es noch keinen Europacup                      – unternahm die Hakoah ausgedehnte Auslandsturnierfahrten                      nach Polen, Italien, Jugoslawien oder Griechenland, wo so                      manches Team besiegt werden konnte. Anfang der 30er Jahre                      sollte es aber mit der Fußballmannschaft der Hakoah                      bergab gehen, was nicht nur daran lag, dass ihr die Pacht                      für den Fußballplatz 1933 nicht verlängert                      wurde.13 Die Ab- und Auswanderung führender Fußballer                      beschleunigten zudem den Abstieg der Hakoah 1935 in die zweite                      Liga. Auch der Antisemitismus im Sport machte sich am Beginn                      der 30er Jahre wieder stark, was etwa die Hakoah-Spieler,                      die ins steirische Fußballteam für Auslandsspiele                      berufen wurden, dadurch zu spüren bekamen, dass sie von                      ihren eigenen Mitspielern regelmäßig ignoriert                      wurden.14 
 Unter dem immer stärker werdenden Antisemitismus hatten                      aber nicht nur die Fußballer zu leiden, sondern ganz                      besonders stark auch die anderen Sektionen der Hakoah, die                      sich im Laufe der Jahre entwickelt hatten, wie etwa die Schachsektion,                      die zwischen 193115 und 1933 steirischer Meister wurde, oder                      die Tischtennissektion, die in diesen Jahren den dritten Platz                      in der steirischen Meisterschaft errang. 
 Mit der Gründung "arischer" Landessportverbände                      in den Jahr 1933/34 wurden die SportlerInnen mit dem Davidstern                      am Trikot an der Teilnahme der Handball-, Schwimm-, Fecht                      und Leichtathletikmeisterschaft ausgeschlossen. Das endgültige                      Aus für den jüdischen Sportklub bedeutete allerdings                      der März 1938. Mit der Verfolgung, der Vertreibung und                      Ermordung ihrer Mitglieder endete eine über dreißig                      Jahre dauernde Tradition des jüdischen Sportes in Graz.
1) Gerd Salzer-Eibenstein, Geschichte der                      Juden in Graz, in: Hugo Gold, Geschichte der Juden in Österreich.                      Ein Gedenkbuch, Tel Aviv 1971, 9-20; Gudrun Reitter, Die Grazer                      Israelitische Kultusgemeinde 1908-1938, in: Dieter A.Binder                      / Gudrun Reitter / Herbert Rütgen, Judentum in einer                      antisemitischen Umwelt. Am Beispiel der Stadt Graz 1918-1938,                      Graz 1988, 9-172.
 2) Hoppauf Hakoah. Jüdischer Sport in Österreich.                      Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Hg. v. John Bunzl,                      Wien 1987, 18.
 3) Steiermärkisches Landesarchiv (StLA), Statth. Präs.                      5 Ver-1038/1902 (Vereinsakt Zion).
 4) StLA, Statth. Präs. M 297 a –1346/1914 (Vereinsakt:                      Jüdischer Turnverein zu Graz).
 5) Jüdischer Turnverein "Makkabi" Graz 1904-1914;                      Graz 1914, 15.
 6) Jüdischer Turnverein Graz, in: Grazer Israelitischer                      Gemeindebote vom 1.11.1909.
 7) Jüdischer Turnverein Graz, in: Grazer Israelitischer                      Gemeindebote vom 1.3.1913.
 8) Jubiläumsgründungsfest des Jüdischen Turnvereins                      "Makkabi", in: Grazer Israelitischer Gemeindebote                      vom 27.5.1914.
 9) Die offizielle Auflösung des Vereins erfolgte erst                      am 25.11.1922. Brief der Polizeidirektion Graz an die Steiermärkische                      Landesregierung betr. Auflösung des Jüdischen Turnvereins,                      in: StLA, Statth. Präs. M 297 a –1346/1914.
 10) StLA, 206 So 12/1936 (Vereinsakt Sportklub Hakoah Graz).
 11) 50 Jahre Steirischer Fußballverband, Graz 1961,                      378 f.
 12) Hakoah besiegte Sturm 2:0, in: Grazer Sport Zeitung. Beilage                      der Montagszeitung vom 29.10.1928.
 13) Liquidierung des Sportplatzes, in: Mitteilungen der Israelitischen                      Kultusgemeinde, Mai 1933.
 14) Hakoahner im steirischen Team, in: Jüdisches Vereinsnachrichten                      vom Jänner 1929.
 15) Hakoah – Landes-Schachmeister!, in: Mitteilungen                      der Israelitischen Kultusgemeinde Graz, März 1932.