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Ein Multitalent mit Seele und Stil

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Oskar Strnad war ein ausgezeichneter Zeichner, engagierter Architekt, leidenschaftlicher Bühnenbildner und großer Theoretiker, der das Wiener Kulturleben der Zwischenkriegszeit maßgeblich prägte.

Oskar Strnad ist noch lang nicht so berühmt, wie es ihm gebührte. Höchste Zeit, sich mit dem schillernden, vielseitig begabten Architekten, der das Wiener Kulturleben an der Zeitenwende vom Historismus zur Moderne maßgeblich prägte, näher auseinander zu setzen. Anlässlich einer Ausstellung im jüdischen Museum gaben Iris Meder und Evi Fuks einen Katalog heraus, der das ermöglicht. Oskar Strnad war ein sozial engagierter Architekt und Theoretiker von charismatischem Auftreten. Er verkehrte in Künstlerkreisen, hielt mitreißende Vorträge und entwarf mit hingebungsvollem Einfühlungsvermögen Bühnenbilder, Kulissen und Kostüme für Theater und Film. Viele teils farbige Illustrationen, Fotografien, Pläne, Entwürfe und Textbeiträge namhafter Autoren, die einzelne Aspekte seines Schaffens näher beleuchten, lassen ein umfassendes Bild von Leben, Werk und Person entstehen. Ein besonderes Vergnügen ist die Lektüre seiner Vorträge, in denen er auf ausschweifende und originelle Weise über Grundfragen der Architektur reflektiert.

Oskar Strnad (1879-1935) wurde als eines von sieben Kindern einer bürgerlichen jüdischen Familie in Wien geboren. Er studierte an der Technischen Hochschule bei Carl König, Karl Mayreder, Max von Ferstel und Ferdinand Fellner Architektur, die als „erste" Schule der Donaumonarchie galt und ein profundes Wissen um die historischen Bautradition vermittelte. Obwohl König selbst dem Späthistorismus verhaftet blieb, wurde seine Schule zu einer Keimzelle der Moderne, weil er die eigenständige Entwicklung seiner Studenten zuließ. Max Fabiani, Max Fellerer, Josef Frank, Friedrich Kiesler, Richard Neutra, Rudolph Michael Schindler zählten ebenso dazu wie Oskar Strnad, Josef Frank und Oskar Wlach. Gemeinsam gründeten die drei die „Wiener Schule", die sich gegen das „Schubladendenken" und den Ästhetizismus der Wiener Werkstätte wandte und vor allem die Bedürfnisse der Bewohner im Blick hatte.

Strnads größtes Interesse galt dem Wohnen, seine gestalterische Sehnsucht der hohen Kunst „formlos zu formen"1. Ab 1909 lehrte er an der Kunstgewerbeschule, wo er mit dem Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit seinen Schülern eine umfassende Auffassung von Architektur vermittelte. Gemeinsam mit Oskar Wlach plante er das Haus Hock (1910-12) in Wien-Döbling. „Man wollte dem Bauherren ,wegen gröblicher Verunstaltung des Stadtbildes’ die Benutzungsbewilligung verweigern," erinnert sich sein Assistent Oskar Niedermoser. Das erstaunt umso mehr, da das Haus mit seiner Putzfassade, dem ziegelgedeckten Steildach, dem Rundbogen unter dem Stiegenaufgang zur straßenseitigen Terrasse und dem klassizistischen Säulenportikus am Garten alles andere als eine streng orthodoxe moderne Haltung vertritt. An der Art und Weise, wie die Stiege mit ihren Wendungen den Weg zum Haus zelebriert, zeigt sich aber ebenso wie beim L-förmigen, unterteilbaren Wohnraum, dessen Raumhöhe sich allmählich zur „Piazza" des Hauses hin steigert, Strnads Auffassung von einer Architektur, die in der Vielfalt ihrer Möglichkeiten des Auf- und Abtretens zur Bühne des Lebens wird. Sein souveräner Umgang mit dem klassischen Formenrepertoire zeigt sich später auch beim Umbau und der Erweiterung des balustradengesäumten Hauses Kranz in Raach (1915-17) bei Gloggnitz in Niederösterreich.

Mit Oskar Wlach plante er auch für Jakob Wassermann ein Haus an einem großzügigen Vorgarten mit einer mehrfach gewendelten Treppe, deren erstes Podest den eineinhalbgeschosshohen Raum an der Straße erschließt. Von dort führt sie „wie ein Baum mit seinen Zweigen – von Absatz zu Absatz in Räume der verschiedensten Richtung, so dass man beim Anstieg die ganze schöne Gegend durch Ausblicke gewinnt."2 Auch das Haus Wassermann (1914) hat eine ausladende Freitreppe zum Hof und einen L-förmigen Wohnraum mit einem eigenen Musikbereich, der sich mit raumhohen Fenstertüren zum Garten öffnen und durch Vorhänge unterteilen lässt, in den Plan zeichnete Strnad einen roten Bewegungsbogen ein, der von der Treppe bis in den Garten führt. „So wird die ganze Wohnung schließlich ein großer Raum, der für alle Gelegenheiten passt und den man doch durch Vorhänge oder Schubtüren fallweise teilen kann,"3 schreibt Strnad 1913.

Die Einrichtung betrachtete er als „Angelegenheit rein seelischer Natur, eine Aufgabe, die der eines guten Arztes gleicht."4 Nach diesem Prinzip stattete er die Wohnung von Hugo von Hofmannsthal aus, ebenso hingebungsvoll aber widmete er sich dem Entwerfen von Stühlen für die Siedlerbewegung, die mit ihren hohen Rückenlehnen etwas Königliches an sich haben. Im Krieg realisierte er gemeinsam mit seinen Schülern das Projekt „einfacher Hausrat" mit bescheidenen, billigen Massivholzmöbeln. Strnad plante u.a. auch einen Bauteil des Winarsky-Hofs (1924-26) und den sozialen Wohnbau in der Holochergasse (1932). In der Wiener Werkbundsiedlung (1932) entwarf er ein wunderschönes, weißes Doppelhaus mit einer rundgeschwungenen Kammer am Wohnraum, der sich zum gedeckten Vorbereich an der Terrasse weitet, von der einige Stufen in den Garten führen. Auch die Schlafebene darüber hatte ihren flugbedachten, geschützten Freiraum vor der großen Terrasse. Leider existiert dieses Haus heute nicht mehr. Außerdem entwarf er eine Arbeiterkolonie mit Kino-und Theatersaal für Hugo Bunzl, die aber - wie so viele andere ambitionierte Projekte - nicht realisiert wurde.

Auch das Haus, das er für sich selbst plante, zählt dazu. Für seine Eltern Samuel und Martha Strnad entwarf er ein Grabmal am Zentralfriedhof, I. Tor, einigen jüdischen Familien gestaltete er dort ihre Gedenkstätten.

Eine weitere ganz wesentliche Leidenschaft seines Lebens galt dem Theater: zehn Monate seiner Praxis absolvierte er im renommierten, einschlägig versierten Büro Fellner & Helmer, das quasi alle größeren Städte der Donaumonarchie mit seinen schmucken Opernhäusern bestückte. Gemeinsam mit Oskar Wlach machte er bei einem Wettbewerb für ein Theater in Brüx mit, unter anderem hat sich auch ein Entwurf für ein Stadttheater in Wien erhalten. Besonders intensiv setzte sich Strnad mit dem Projekt seiner Ringbühne auseinander, die aus mehreren Segmenten besteht. Beim Schneider schloss er die folgenträchtige Bekanntschaft mit Max Reinhardt, aus der sich eine lange, fruchtbare Zusammenarbeit ergab. Für Reinhardt entwarf er ein Simultantheater mit drei Bühnen, unter seiner Regie gestaltete er u.a. den „King Lear" und „Die Namenlosen." Strnad stattete von Goethes „Faust", Shakespeares „Sommernachtstraum", verschiedenen Stücken Nestroys und Raimunds, Hoffmannsthals „Schwierigem", Mozarts „Zauberflöte", Wagners „Ring" bis hin zu Kreneks „Johnny spielt auf" viele Standardwerke der Theaterliteratur und ein paar Filme aus. Seine Bühnenbilder lebten von ihren Treppenlandschaften, der Lichtregie und seinem Einfühlungsvermögen in die Charaktere, einige davon bescherten dem Theater Sternstunden. „Was ihm bei seinen Architekturaufträgen oft zum Verhängnis wurde, sein tiefes Eingehen in die Persönlichkeit, für die er schuf, die er bei seiner Arbeit immer enthüllte (oft mehr als gut war), wurde bei seiner Theaterarbeit zum größten Vorteil,"5 erinnert sich Oskar Niedermoser. Was es sonst noch zu Strnad zu sagen und in seinem Werk zu entdecken gibt, liest man am besten selbst nach.

Iris Meder, Evi Fuks: Oskar Strnad 1879 - 1935
144 Seiten, zahlreiche Abb. , 20,5 x 23,5 cm, französische Broschur

Verlag Anton Pustet – www.anton-pustet.at

ISBN:978-3-7025-0553-0
Preis: € 32,00 / SFr auf Anfrage

Anmerkungen

1 Strnad, Neue Wege in der Wohnraumeinrichtung, in: Innendekoration, 1922, S. 232

2 Max Eisler, Oskar Strnad, Wien 1936, S.22

3 Vortrag „Wohnung und Haus", Januar 1913, S.15

4 Mit Freude wohnen (1932), zitiert nach: Johannes Spalt, Hermann Czech (Zst.): Josef Frank, Ausstellungskatalog Wien 1981, S. 97

5 Niedermoser (1925), S. 24.