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Jüdisches Leben in Uman

Eugene KOGAN

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Uman ist eine kleine, heute etwa 90.000 Einwohner beheimatende Stadt in der Zentralukraine, etwa 200 Strassenkilometer südlich von Kiew und 270 Kilometer nördlich der bekannten Hafenstadt Odessa. Die Stadt wurde erstmals als polnische Festung und Garnison (polnisch Huma�) gegen Tartareneinfälle aus dem Osten 1609 urkundlich erwähnt. Die Westukraine gehörte damals bis zum Don zum Königreich Polen-Litauen - ein Faktum, das bis heute in der ukrainischen Innenpolitik eine gewisse Rolle spielt.

In dieser Rolle gelangte Uman auch erstmals zu trauriger Berühmtheit: Als 1768 Kosaken Aufstände in der Ukraine anstifteten und ihre Truppen zur Ermordung von Polen und Juden aufriefen, wurde Uman zu einem Anlaufpunkt für Flüchtlinge aus dem Donbogen. Als die Stadt ab dem 17. Juli 1768 belagert wurde, war sie voller jüdischer und polnischer Flüchtlinge. Der Stadtkommandant versuchte das Leben der polnischen Adeligen gegen eine freie Übergabe der Stadt zu erkaufen - und wurde dabei vom Kosakenführer Zalizniak betrogen. Zunächst ermordete man die sich ergebenden Polen. Nachdem der jüdische Bevölkerungsteil verzweifelt versuchte, sich in den Synagogen zu verschanzen und noch militärischen Widerstand zu leisten, wurden diese von der Artillerie beschossen und die überlebenden Juden ermordet. Dem Massaker von Uman fielen 20.000 bis 30.000 Juden und Polen zum Opfer.

Doch auch das jüdische Leben erholte sich wieder in Uman, und als die Stadt 1793 zum Russischen Zarenreich kam, entwickelte sie sich zu einem Zentrum jüdischen Lebens und Kultur. Bekanntestes Beispiel ist Rabbi Nachman von Bratzlaw (1772-1810), Begründer des Bratzlawer Chassidismus, der sich kurz vor seinem Tod in Uman niederliess und dort begraben wurde.  Seit dem 18. Jahrhundert siedelten sich zahlreiche Juden aus Osteuropa in Uman an, um 1900 sollen über die Hälfte der Einwohner jüdischen Glaubens gewesen sein.

Der Zweite Weltkrieg beendete diese Periode. Nachdem die Stadt in der Kesselschlacht von Uman am 8. August 1941 fiel, ermordeten oder deportierten deutsche Einsatzgruppen die gesamte jüdische Bevölkerung. 17.000 Umaner Juden fielen der Shoah zum Opfer. Auch wurden die jüdischen Kulturdenkmäler, inklusive des Friedhofes, der das Grab Rabbi Nachmans und die Gräber der Opfer des Massakers von 1768 beherbergte, völlig verwüstet. Zum Glück konnte das Grab nach dem Krieg durch einen Chassid lokalisiert werden und blieb so erhalten, denn das Gebiet des jüdischen Friedhofes wurde durch die Sowjets als Baugrund für Wohnsiedlungen verwendet. Nach 1991 emigrierten zahlreiche der noch verbliebenen Juden nach Israel, und so leben heute nur rund 500 Juden in der Stadt. Viele von ihnen, genau wie hunderte Nichtjuden, verdienen ihren Lebensunterhalt durch den Tourismus.

Die kleine Stadt ist heute bekannt für ihren botanischen Garten und Landschaftspark (der Sophienpark oder Sofiewka), der ein Geschenk des polnischen Grafen Stanislav Potockis an seine griechischstämmige Frau Sofia war, sowie natürlich für das Grab des Rabbi Nachman von Bratzlaw, heute eine Pilgerstätte.

Normalerweise fliesst das Leben in Uman ruhig und beschaulich dahin. Aber einmal im Jahr, zum jüdischen Feiertag Rosch Haschana, verwandelt sich Uman in einen religiösen Pilgerort. Das jüdische Neujahr ist ja auch eine Zeit der Besinnung, der Umkehr und des Neuanfangs. Es war auch das letzte Fest, das Rabbi Nachman mit seinen Gläubigen vor seinem Tode feierte. Daher schwillt das kleine Rinnsal jüdischer Pilger zu Neujahr zu einem gewaltigen Strom an, und es versammeln sich mehr als 30.000 chassidische Juden aus aller Welt, um miteinander zu feiern, zu beten und sich auszutauschen. Aber nicht nur Breslover/Bratzlaver Chassidim befinden sich auf dem Weg nach Uman. Tausende andere Juden aus Israel machen sich jedes Jahr auf den Weg in die kleine Stadt. In der eigens neu errichteten Synagoge nahe des Grabes des Zaddik Nachman finden sich bis zu 3.000 Gläubige gleichzeitig zum Gebet ein.

Svetlana Lipinska, Beraterin des Bürgermeisters von Uman, erklärt: „Wir müssen in Betracht ziehen, dass im Laufe eines Jahres mehr als 30.000 Juden Uman besuchen und wir mit zwei polnischen Städten direkte Kontakte haben."

Uman ist zudem ein Zentrum der verarbeitenden Industrie. Allerdings hat die Wirtschaftskrise, die den wichtigen russischen Absatzmarkt zum Einbruch brachte, auch die Ukraine schwer getroffen. Umso wichtiger sind heute Einnahmen aus dem Fremdenverkehr für die kleine Stadt.