Ausgabe

Jüdische Identität und vaterländische Loyalität

Inhalt

Klaus Kreppel: Jonas Kreppel – glaubenstreu und vaterländisch. Biografische Skizze über einen österreichisch-jüdischen Schriftsteller. Unter Mitwirkung von Evelyn Adunka und Thomas Soxberger. 

Wien: Mandelbaum Verlag 2017

308 Seiten, 25 SW-Abb., Euro 24.90

ISBN: 978385476-814-2

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Die AutorInnen:

Dr. Klaus Kreppel (geb. 1944), deutscher Historiker, Sozial- und Religionswissenschafter, Studium der Geschichte, Theologie und Sozialwissenschaften in Frankfurt am Main, danach Gymnasiallehrer für Geschichte und Dozent am Lehrerseminar zu Bielefeld. 1988 initiierte er einen Schüleraustausch im Rahmen der Städtepartnerschaft Bielefeld (NWF) – Nahariya (ISR). Klaus Kreppel ist Mitautor zahlreicher Publikationen zu religionssoziologischen und pädagogischen Themen. Seine eingehenden Forschungen zum Leben der »Jeckes«, der deutschsprachigen Einwanderer in Palästina bzw. Israel, wurden von Institut für Jüdische Studien der Universität Basel wissenschaftlich begleitet. 

Dr. Evelyn Adunka (geb. 1965), eine österreichische Historikerin und Publizistin, studierte Philosophie, Geschichtswissenschaften und Judaistik an der Universität Wien und wurde dort 1990 mit einer Dissertation über Friedrich Heer (1995 auch als Buch veröffentlicht) zum Dr. phil. promoviert. Sie war Lehrbeauftragte für moderne jüdische Philosophie an der Universität Wien und veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur jüdischen Zeit- und Geistesgeschichte. Adunka ist Redaktionsmitglied der Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung und der 1990 in Wien gegründeten jüdisch-liberalen Gemeinde »Or Chadasch – Bewegung für progressives Judentum«. 

Dr. Thomas Soxberger (geb. 1965), österreichischer Judaist und Historiker, Studium der Judaistik und Geschichte an der Universität Wien, anschliessend Yiddish Studies an der School of Oriental and African Studies (SOAS), London University, 1994 Diplomarbeit über Jiddische Literatur und Publizistik in Wien, 2011 Dissertation über Literatur und Politik Moderne jiddische Literatur und Jiddischismus in Wien (1904 bis 1938). Thomas Soxberger arbeitet als Redakteur im Pressedienst des Parlaments der Republik Österreich:

Das Buch:

Man fühlt sich ein wenig an den deutschen Religions- und Geisteswissenschafter Hans-Joachim Schoeps erinnert, der sich selbst als „Jude, Preusse und Konservativer“ bezeichnete. Auch im vorliegenden Buch geht es um jüdische Identität und vaterländische Loyalität: Jonas Kreppel, geboren 1874 zu Drohobycz im österreichischer Kronland Galizien (in der heutigen Westukraine), verstorben 1940 im Konzentrationslager Buchenwald, war ein österreichischer Beamter, orthodoxer Jude, politischer Publizist und jiddischer Schriftsteller. Er hinterliess ein bemerkenswertes kulturgeschichtliches Oeuvre.

„Das Buch skizziert das politisch-religiöse Leben Jonas Kreppels, rekonstruiert aus seinen literarischen Selbstzeugnissen und verstreuten Quellen und Archivalien. Kreppel wurde in Drohobycz / Galizien geboren. Nach seiner Ausbildung im Druckereigewerbe eignete er sich sein umfangreiches Wissen und seine Mehrsprachigkeit an. 1898 heiratete er die Tochter eines Verlegers in Krakau und gab dort die jiddische Zeitung Der Tog heraus.

Von 1914 an lebte er in Wien, wo er ab 1915 Pressereferent im Aussenministerium und ab 1924 im Bundeskanzleramt wurde. Er publizierte patriotische Traktate und Artikel und gab bis 1920 die Jüdische Korrespondenz, die Zeitschrift der Aguda, der Weltorganisation der orthodoxen Juden, heraus. 1925 folgte der Höhepunkt seiner publizistischen Tätigkeit mit der Herausgabe des umfangreichen Handbuchs Juden und Judentum von heute. Das Judentum verstand er als religiöse
Gemeinschaft, die aus dem biblischen Glauben und durch Festhalten an der Thora ihre Kraft erhielt. Kreppel gab auch chassidische Legenden und eine Sammlung
jüdischer Witze heraus. In die jiddische Literatur-geschichte ging er als Autor der Detektivgeschichten Max Spitzkopf ein. 1938 bis zu seinem Tod war Kreppel Häftling der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald. Mit Jonas Kreppel ging eine Lebenskultur unter, die grosse Teile des Judentums im Habsburgerreich und in der österreichischen Republik geprägt hat.“ 

Soweit die knappe biographische Einordnung auf dem Buchumschlagstext. Im Buch selbst werden Leben und Wirken des Jonas Kreppel in mehreren Abschnitten eingehend dargestellt. Dabei ist der Untertitel „biografische Skizze“ eine charmante Untertreibung. Ein Blick in den Anmerkungsapparat, die Bibliographie und das ausführliche Quellen- und Literaturverzeichnis lassen die akribische wissenschaftliche Recherche der Autoren zu dieser „biographischen Skizze“ erkennen.

Das Buch ist übersichtlich in 34 Kapitel gegliedert: auf die Vorbemerkung des Klaus Kreppel (S. 9-12) folgt die detaillierte Darstellung der Lebensstationen des Jonas Kreppel (S. 15-274). Der Band ist durch verschiedene praktische Handreichen erschlossen: Jonas Kreppel – Sein Lebenswerk (S. 275-277), Jonas Kreppel – Bibliographie (S. 278-290), Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 291-298), Abbildungsverzeichnis (S. 299-300), Personenregister (S. 301-304). Den Abschluss bilden Kurzcurricula der Autorinnen und Autoren (S. 305-307).

Am Beginn der Recherchen stand eine kaum noch lesbare Grabinschrift in der Israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs. 

„Da ausser einigen wenigen Familienbildern der private Nachlass und alle persönlichen Aufzeichnungen Jonas Kreppels nicht vor der nationalsozialistischen Vernichtung gerettet werden konnten, soll anhand von mündlichen Aussagen von Überlebenden aus seiner Familie und verfügbarem Quellenmaterial aus dem im Anhang genannten Archiven, vor allem durch kritischen Abgleich bisher erschienener biographischer Abrisse, vor allem aber aus den gedruckten literarischen und journalistischen Selbstzeugnissen, die in einem Zeitraum von mehr als 40 Jahren entstanden sind, eine politische Biographie Jonas Kreppels rekonstruiert werden. 

Zunächst als familiengeschichtliche Aufzeichnung gedacht, verwandelte sich das Manuskript durch die Kooperation mit Evelyn Adunka und Thomas Soxberger in eine zeithistorische Studie, die, über das individuelle schriftstellerische Profil Jonas Kreppels hinausgehend, allgemeine Einblicke in ein halbes Jahrhundert österreichisch-jüdischer Geschichte gewährt.“ (Soweit Klaus Kreppel in seiner Vorbemerkung, S. 9-12)

Die Vermittlung dieser Einblicke ist den Autoren wirklich gelungen! Der bemerkenswerte Band wurde am 27. März 2018 im Bundesministerium für Europa, Integration und Äusseres, dann tags darauf im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes zu Wien der Öffentlichkeit präsentiert. Siehe dazu auch den Beitrag von Thomas Soxberger in diesem Heft!

 

Christoph Tepperberg