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Seitens der Stadt Graz unter Bürgermeister Alfred Stingl entstand die Idee des Baus einer neuen Synagoge, welcher die IKG vorerst aber ablehnend gegenüber stand. Man wollte nicht auffallen, keine Angriffsfläche für Antisemitismus bieten. Erst zehn Jahre später, 1998, war die Vertrauensbasis zwischen der IKG und der Stadt gefestigt genug und die Kultusgemeinde bereit sich zu öffnen, sodass sie einem Neubau zustimmte.
Das Architektenpaar Ingrid und Jörg Mayr zeichnete für den Entwurf verantwortlich. Am 9. November 2000 wurde die neue Synagoge der IKG übergeben und in einem feierlichen Festakt eingeweiht. Wie schon 1892 nahmen hohe Vertreter aus Politik sowie Religion an der Zeremonie teil, diesmal auch ein Bischof der katholischen Kirche.
Blick in den Hof der alten Synagoge von Graz zum Haupteingang, im Hintergrund das Amts- und Schulgebäude. Virtuelle Rekonstruktion, E. Doppler.
1983 wollte der Grazer Künstler Fedo Ertl als Erster ein Zeichen gegen das Vergessen setzen. Das Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit dem Thema war die Freilegung eines schmalen Streifens von Ziegeln der alten Synagoge an einem Garagenbau in der Alberstrasse. Mit dem Projekt wollte der Künstler zeigen: „ Das Heute entsteht nicht nur aus dem Geist, sondern auch auf den Steinen des Gestern und wir bauen aus beidem das Morgen“.
In der Fortführung dieses Gedankens veranlassten Ingrid und Jörg Mayr die Herauslösung der Ziegelsteine aus der Garage. Diese aufwendige Arbeit wurde von Grazer Schülern und Schülerinnen im Frühjahr 1999 übernommen. Auf dem erhalten gebliebenen, freigelegten Fundament der alten wurde die neue Synagoge gebaut. Die gereinigten alten Ziegelsteine wurden als verbindendes Element zwischen Gestern und Heute sichtbar in den Neubau integriert. Die Situation in Graz, dass eine neue Synagoge am Ort einer in der Pogromnacht zerstörten Synagoge geplant und gebaut wurde, darf in Österreich als einzigartig angesehen werden.
Die im Jahr 2000 eingeweihte neue Synagoge von Graz. Foto: E. Doppler, mit freundlicher Genehmigung.
Der Neubau ist wie die alte Synagoge ein zweigeschossiger Zentralbau mit Kuppel, welche aber nicht oktogonal, sondern in 24 Segmente geteilt ist. Der Kuppelaufbau der zerstörten Synagoge war zweischalig und ruhte auf einem mit Kupferblech gedeckten Dach. Als verbindendes Zwischenglied fungierte ein mit Oculi versehener Tambour. Maximilian Katscher orientierte sich in seinem Entwurf an der Dresdner Synagoge Gottfried Sempers und übernahm dort angewandte Stilelemente, wie eben den Zentralbau mit Kuppel, die Rundbogenfenster und die Rundbogenornamentik an der Fassade. Die Kuppel des Neubaus ist eine Stahl-Glaskonstruktion, die in 24 x 5 gegliedert ist, welche mit Anfangs- bzw. Schlussversen der Fünf Bücher Mose bedruckt sind. Auf der Kuppel ist heute wie damals der Davidstern für jedermann sichtbar angebracht. Die Last der Kuppel wird über zwölf Stahlsäulen ins Fundament abgeleitet. Diese stehen für die zwölf Stämme Israels und bilden durch ihre nach oben strebenden und sich kreuzenden, paarweisen Bögen in der Kuppel einen Davidstern.
Innenansicht der alten Synagoge von Graz. Perspektive vom Eingang des Hauptraumes in Richtung Toraschrein. Virtuelle Rekonstruktion, E. Doppler.
Der Synagogenbau von 1892 wurde in Sichtziegelmauerwerk ausgeführt. An allen vier Seiten befanden sich Risalite, an West- und Ostfassade jeweils raumbildend, an Nord- und Südfassade nur vorgeblendet. Die Aussenmauern des Neubaus sind wieder als Sichtziegelmauerwerk in rotem Klinker gehalten. Die damaligen Rundbogenfenster sind allerdings grossflächigen, vorspringenden Verglasungen gewichen.
Eine wesentliche Veränderung betrifft die Anordnung der Bima. 1892 befand sie sich gemeinsam mit dem Toraschrein auf einer Estrade an der Ostseite des Betsaales. Durch den Einbau einer Orgel im Chorraum oberhalb des Toraschreins wurde die einheitliche Ausrichtung aller Handlungen in der Synagoge betont. In der neuen Synagoge rückt die Bima in die Mitte. Die Bima ist ein transparenter Glaskubus, der den Blick aufs Untergeschoss freigibt. Dorthin wurde der oben erwähnte Gedenkstein aus dem Jahre 1988 versetzt und durch diese spezielle Lage in den Betsaal miteinbezogen.
Innenansicht der alten Synagoge von Graz. Perspektive vom nördlichen Seiteneingang. Virtuelle Rekonstruktion, E. Doppler.
Ausserdem wirkt im Untergeschoss die Beleuchtung des Obelisken durch die Öffnung bei der Bima effektvoll auf den Betrachter. Der Toraschrein befindet sich auch im Neubau auf der Ostseite. Durch das Abrücken der Bima vom Toraschrein wird die feierliche Handlung des Aushebens der Torarollen für die Lesung betont. Die Gesetzestafeln beim Toraschrein sind nicht, wie in der alten Synagoge, oberhalb der Nische angebracht, sondern bilden die Türen zur Heiligen Lade. Die fast wandhohe Mauernische für den Toraschrein wird mit einem blauen, verzierten Samtvorhang verschlossen. Das Lesepult ist im Vergleich zur zerstörten Synagoge von der Seite in die Mittelachse zwischen Bima und Toraschrein gerückt. Durch die zentrale Positionierung der Bima wird somit eine Rückbesinnung auf den gemeinschaftlichen Charakter des jüdischen Ritus signalisiert.
„Die neue Synagoge erhebt sich aus den Ruinen der alten. So bleibt die Erinnerung an die Zerstörung wach und zugleich wird durch den Neubau Zuversicht und Hoffnung ausgedrückt.“
Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: E. Doppler.
Nachlese:
Eva Doppler, Virtuelle Rekonstruktion der zerstörten Synagoge in Graz. Diplomarbeit TU Wien 2015.
Siehe auch die Beiträge in:
DAVID Heft 67, Chanukka 2005: Die neue Synagoge in Graz. http://david.juden.at/kulturzeitschrift/66-70/67-syngraz.htm
DAVID Heft 88, Pessach 2011: Robert W. Rosner, Gedenken an die Pogromnacht und 10-Jahresfeier der neuen Synagoge in Graz. http://davidkultur.at/artikel/gedenken-an-die-novemberpogromnacht-und-10-jahres-feier-der-neuen-synagoge-in-graz
DAVID Heft 92, Chanukka 2012: Karl Albrecht Kubinzky, Das jüdische Graz. http://davidkultur.at/artikel/das-judische-graz