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Die Idee der virtuellen Rekonstruktion von zerstörten Synagogen in Wien entstand im Jahr 1998. Seitdem wurden schon über zwanzig Sy-nagogen in Wien und in den ehemaligen Ländern der Donaumonarchie bearbeitet. In dieser Reihe von Rekonstruktionen folgt nun die Synagoge im schlesischen Troppau (heute Opava, Tschechische Republik).
Bereits seit der Mitte des 13. Jahrhunderts lassen sich jüdische Siedler in Troppau, dem heutigen Opava, einer Stadt im Nordosten der Tschechischen Republik, vermuten.1 Im nordwestlichen Abschnitt der Stadtbefestigung entwickelte sich das jüdische Ghetto mit einer eigenen Synagoge und einem Friedhof. Durch die Judenverfolgung 1522 musste die jüdische Bevölkerung innerhalb von drei Wochen Troppau verlassen und die mittelalterliche Synagoge wurde niedergerissen.2
Haupteingang der Synagoge Troppau/ Opava.
Erst im 18. Jahrhundert siedelten sich wieder Juden in der Stadt an, obwohl ihnen der Aufenthalt generell verboten war. Dies änderte sich abrupt mit der Bürgerlichen Revolution von 1848, als Juden die vollen Bürgerrechte der Monarchie erhielten. Diese Epoche war auch für die Stadt selbst ereignisreich, da Troppau 1849 zur Hauptstadt des österreichischen Teils von Schlesien wurde. In dieser Zeit erlebte die Stadt einen starken Aufschwung und es wurden zahlreiche neue Gebäude wie das schlesische Landesmuseum errichtet. So liess auch die jüdische Gemeinschaft 1855 eine Synagoge im Rundbogenstil erbauen. Auf Ansuchen von David Hirsch kam es 1863 zur Bewilligung der Bildung einer „provisorischen israelitischen Kultusgemeinde zu Troppau".3
Aufgrund des stetigen Wachstums der jüdischen Bevölkerung erwies sich der Tempel jedoch schon bald als zu klein und musste letztendlich im Jahr 1886 wegen Baugebrechen behördlich geschlossen werden.4 Obwohl der Bau einer neuen Synagoge dringend notwendig war, wurde der Tempel erst nach zehn Jahren Planungsvorbereitung, bedingt durch Finanzierungsschwierigkeiten, realisiert. Den Auftrag für den Entwurf der neuen Synagoge erhielt der in Wien ansässige Architekt Jakob Gartner, als Baumeister fungierte der aus Troppau stammende Josef Hruschka. Mit den Bauarbeiten wurde Ende 1895 begonnen, und am 8. Dezember 1896 fand die feierliche Einweihung des Tempels statt.
Jakob Gartner, geboren 1861 im mährischen Prerau (heute Prerov, Tschechische Republik) als Sohn jüdischer Eltern, ist vor allem für seinen Synagogenbau bekannt. Insgesamt war er für die Errichtung von sechzehn Synagogen in der Donaumonarchie verantwortlich. Trotzdem gibt es relativ wenige Informationen über sein Leben, da er kaum Wert darauf legte, dass seine Arbeiten publiziert wurden.5
Der Bauplatz der Synagoge befand sich in der Teichgasse (Na Rybnicku) Nr. 4/ 102 und war vom Rathaus etwa 300 Meter entfernt. Auffallend war die Situierung des Tempels, welcher als freistehendes Gebäude errichtet wurde. Zur damaligen Zeit war es üblich, jüdische Gtteshäuser in Strassenfronten einzufügen, ohne dass sie dabei zu vorherrschend wirkten. Die Haupterschliessung der Synagoge erfolgte über die Ignaz-Benesch Gasse (U Synagogy), welche gleichzeitig mit dem Tempelbau errichtet wurde. Um das Gebäude herum wurde ein Garten angelegt, welcher durch einen, auf einem Steinsockel befestigten, eisernen Gitterzaun eingefriedet wurde.
Der Architekt bemühte sich dabei um einen Eklektizismus aus maurischen und neoromanischen-byzantinischen Elementen mit orientalisierenden Details. Besonders die Kuppel mit achteckiger Grundform und das Eckturmpaar mit Zwiebeldachform an der Nordwest-Front prägten das äussere Erscheinungsbild der Synagoge. Die weissen Putzstreifen auf rotem Mauerwerk definierten die Fassade und verliehen dem Gebäude orientalische Züge. Eine weitere Besonderheit stellte die an jeder Fassadenseite mögliche Erschliessung des Gebäudes dar. Die symmetrisch ausgebildete Fassade wurde durch verschiedene Vor- und Rücksprünge aufgegliedert und mit einem umlaufenden verkröpften Gesims, welches mit einem Rundbogenfries und Rundstäben verziert wurde, abgeschlossen. Den orientalisierenden Stil verstärkten die 20 Eckpfeiler mit aufgesetzten Zwiebeltürmchen, welche über eine Brüstung im maurischen Stil verbunden waren.
Die Synagoge hatte einen rechteckigen Grundriss mit einer Länge von 33 Metern und einer Breite von 18,20 Metern. Auf der Kuppel thronte eine oktogonale Laterne mit Zwiebeldach, deren Spitze eine Höhe von 29 Metern erreichte. Den Abschluss auf den Ecktürmen, der Laterne und den Gebotstafeln bildeten Davidsterne. Der Innenraum gliederte sich in ein grosses Mittelschiff und zwei Seitenschiffe. Nach Betreten des Haupteingangs gelangte man über eine Vorhalle und das Vestibül in den Hauptbetraum, welcher sich über zwei Geschosse erstreckte. Über der Mitte des Saales ragte die Kuppel auf, die von vier kantonierten Pfeilern getragen wurde. Jeweils neben dem Vestibül befanden sich die symmetrisch angelegten Stiegenhäuser, die ins Obergeschoss auf die dreiseitig umlaufende Frauengalerie mit 144 Sitzmöglichkeiten führten. Der Hauptraum enthielt 204 Sitzplätze für die männlichen Gemeindemitglieder sowie Thoraschrein und Bima. Der Schrein wurde in Form eines kleinen Tempels ausgeführt und an beiden Seiten von jeweils zwei nebeneinanderliegenden Rundsäulen eingerahmt. Darüber befand sich mittig eine Gebotstafel, die rundherum reich verziert war. Hinter dieser wurde das Gebäude allerdings noch durch einen kleinen Wintertempel in der südlichen Ecke erweitert. Über dem Thoraschrein befand sich der Chorbereich mit Orgel. Begünstigt durch die freistehende Situierung des Gebäudes, wurde der Innenraum über die zweiteiligen Rundbogenfenster auf beiden Ebenen mit genügend Tageslicht versorgt. Die Kuppel und die vier Pfeiler wurden aus einer Eisenkonstruktion angefertigt und im Innenraum mit einem verputzten Mauerwerk verkleidet. Bis auf die gewölbte Decke der Kuppel waren alle Plafonds als Flachdecken ausgebildet.
Der Zerstörung des Novemberpogroms 1938 entkam auch die Synagoge in Troppau nicht und wurde in der Nacht vom neunten auf den zehnten November in Brand gesteckt. Von dem Tempel blieben nur noch Ruinen übrig, die von den Stadtbewohnern zerlegt und eventuell für die Errichtung ihrer Häuser verwendet wurden. Die Ziegelsteine bilden möglicherweise heute noch die Grundlage für einige Gebäude.6 Der Brand der Synagoge ist durch einige Fotografien dokumentiert.
Rückfassade der Synagoge Troppau/ Opava.
Alle Abbildungen: Claudia König,Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Troppau/ Opava, mit freundlicher Genehmigung.
Das Ziel der Arbeit beinhaltete eine möglichst detailgetreue Rekonstruktion der nicht mehr existierenden Synagoge in Troppau in Form eines virtuellen Gebäudemodells. Das Ergebnis baut dabei auf den für dieses Projekt zusammengetragenen Quellen, wie Planmaterial und Bilddarstellungen, auf, ohne die eine virtuelle Rekonstruktion nicht möglich gewesen wäre. Im Gegensatz zu anderen Synagogen, die im Zuge dieser Forschungsreihe bearbeitet wurden, waren Fülle und Detailierungsgrad der Quellen als mittelprächtig zu bewerten. Von den Seitenfassaden sind zum Beispiel keine Fotografien überliefert, weshalb diese anhand der Ansichtsdarstellung und der Fotografie der Rückfassade rekonstruiert wurde. Vor allem die Modellierung des Innenraums erwies sich als Herausforderung, da vom Innenraum lediglich zwei Aufnahmen im zerstörten Zustand der Synagoge zur Verfügung standen. Obwohl die Fotografien in einem sehr guten Zustand sind, lassen sich gewisse Details nur mehr erahnen. Um ein lückenhaftes Modell zu vermeiden, wurden fehlende Quellen mit anderen von Jakob Gartner errichteten Synagogen ergänzt. Diese Ergänzungen beruhen daher nur auf Vermutungen, die in dieser Arbeit begründet wurden, und stellen lediglich eine mögliche Variante der tatsächlichen Ausführung da. Anhand der vorhandenen Quellen und deren Interpretation war es möglich, ein detailgetreues Abbild der Synagoge in Troppau zu erstellen. Zudem wurde die Modellstruktur dokumentiert, wodurch eine weiterführende Arbeit aufgrund neuer Erkenntnisse ermöglicht wird.
Literaturhinweise:
KÖNIG, Claudia: Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Opava, Diplomarbeit TU-Wien, 2014.
KLENOVSKY, Jaroslav: Historie a pamatky zidovske obce v opave. Brno, Krnov, Opava: Obcanske sdruzeni Krnovska synagoga 2009.
Anmerkungen
1 www-troppau-opava.de; KLENOVSKY, Jaroslav: Historie a pamatky zidovske obce v opave. Brno, Krnov, Opava: Obcanske sdruzeni Krnovska synagoga 2009 , S. 3
2 KLENOVSKY: Historie... (wie Anm. 1), S. 4,5
3 KLENOVSKY: Historie... (wie Anm. 4), S.12 ff
4 KLENOVSKY: Historie... (wie Anm. 4), S.18 ff
5 Martens, Bob: Die zerstörten Synagogen Wiens: Virtuelle Stadtspaziergänge. Mandelbaum Verlag 2009, S. 245; http://www.architektenlexikon.at/de/159.htm
6 www.lipa.szm.com
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