Am 9. November 2005 wurde am Bundesrealgymnasium Dornbirn in Erinnerung an den ehemaligen Lehrer Dr. Hans Elkan eine Gedenkfeier abgehalten und eine Installation im Schulgebäude aufgestellt. Dr. Hans Elkan, der Sohn des letzten Kultusvorstehers der jüdischen Gemeinde in Hohenems, wurde am 23. Juli 1944 im KZ Theresienstadt zu Tode gebracht. Die Errichtung einer Gedenkstätte an seiner ehemaligen Schule dauerte Jahre: Anlässlich des 125-Jahr-Jubiläums der Schule unterbreitete der Artikelschreiber im Jahre 2002 den Vorschlag, das Gymnasium mit dem Namenszusatz „Dr. Hans Elkan-Gymnasium" zu versehen. Die Widerstände waren zu groß: Eine Namensgebung erfolgte nicht, doch nachdem ein Denkmalprojekt der Schüler und Schülerinnen der 7.b Klasse im Rahmen des Wettbewerbs „Kulturelles Erbe. Tradition mit Zukunft" mit einem Hauptpreis bedacht wurde, konnte zumindest ein Gedenkstättenvorschlag realisiert werden. Jahrzehntelang war die Erinnerung an Dr. Hans Elkan an dieser Schule verschüttet: Nach 1945 erinnerte keine Zeile in einem Jahresbericht an ihn. Der Haupteinwand der Gegner eines Namenszusatzes war die nur kurzfristige Tätigkeit des hoch gebildeten Geschichts-, Philosophie- und Geographielehrers an dieser Schule. Er war nur 1935/36 „Probelehrer", dann wurde er vom Landesschulrat nicht mehr weiter beschäftigt. Diese Außerdienststellung ist allerdings nicht losgelöst von der antisemitischen Grundhaltung der austrofaschistischen Schulbehörde zu sehen. Gerade diese Einschätzung der Schulpolitik in Vorarlberg führte zu der sehr emotionalen Auseinandersetzung um die Namensgebung. In einem Vortrag im Festsaal der Schule zeichnete der Artikelschreiber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen Dr. Hans Elkan in Vorarlberg litt, nach, und er provozierte damit eine heftige Diskussion. Besonders die Ausführungen über den christlichsozialen Antisemitismus erregten Widerspruch, denn ein führender Repräsentant der Christlichsozialen, der kurzzeitige Unterrichtsminister Dr. Emil Schneider (1922) war bis 1938 auch Direktor am heutigen BG Dornbirn. Er stand voll hinter dem Programm der Christlichsozialen Volkspartei vom Dezember 1918, in dem es hieß: „Sie bekämpft mit aller Entschiedenheit die Vorherrschaft des Judentums, sowie überhaupt den unheilvollen und verderblichen Einfluss des jüdischen Geistes auf allen kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Gebieten." Hans Elkan kam am 22. März 1900 als Sohn von Theodor Elkan (Jg. 1864, geb. in Wien) zur Welt. Seine Mutter Betti (geb. Menz) verstarb bereits zwei Monate nach seiner Geburt. Er besuchte von 1906 bis 1911 die einklassige jüdische Volksschule in Hohenems. Dort unterrichtete Moritz Federmann, der als Pädagoge weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt war. Die Reifeprüfung legte Elkan mit Auszeichnung am Gymnasium in Bregenz ab. Während in Vorarlberg Dr. Otto Ender Landeshauptmann war, studierte Elkan vom September 1919 – 1927 an den Universitäten in Freiburg, Marburg und Tübingen die Fächer Philosophie, Musikwissenschaft und mittelalterliche Geschichte. Seine Lehrer waren u.a. Edmund Husserl, Martin Heidegger, Martin Honecker (Inhaber des Lehrstuhls für christliche Philosophie) und Willibald Gurlitt (Musikwissenschaften). 1927 promovierte er „cum laude" mit dem Thema „Zur Problemgeschichte der platonischen Dialektik" zum Doktor der Philosophie. Diese Arbeit wurde veröffentlicht und er übersiedelte nach Wien. Über seinen zweijährigen Aufenthalt in der Bundeshauptstadt ist nichts bekannt, dafür über den Wahlkampf 1928 in Vorarlberg. Der Christlichsoziale Landeshauptmann Ender erklärte: „...eine Wahrheit ist und bleibt: die Juden sind eine eigene Rasse, eine eigene Nation und kaum vermischbar mit anderen Völkern. ...In den Bestrebungen des Zionismus steckt Wahrheit. Alles andere ist Unwahrheit. Der Jude ist und bleibt bei uns nicht als deutscher Mitbürger, sondern in Wahrheit ist er Gast in unserem Lande." In dieser Geisteshaltung waren einander sich die Christlichsozialen und die aufstrebenden Nationalsozialisten sehr ähnlich! Die Abwehrhaltung gegen das „rote Wien", die Brandmarkung der Sozialdemokraten als „Bolschewiken" und ein ausgeprägter Antisemitismus gehörten zur Politik der Landeseliten in Vorarlberg. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden „die Juden" von den Christlichsozialen in mehrfacher Hinsicht zum Feindbild und Sündenbock gestempelt. Neben die alten Vorurteile - die Anschwärzung der „Juden als Antichristen und Jesusmörder" - traten neue: Sie wurden zum Symbol für „Fremdrassigkeit und Nichtalemannentum" und der Kampf gegen die „verjudete Wiener Regierung" war nach 1918 ein wesentliches Element christlichsozialer Politik in Vorarlberg. Als Dr. Emil Schneider am 2. Dezember 1918 zum Obmann der christlichsozialen Ortspartei in Dornbirn gewählt wurde, hielt der neue Stadtparteiobmann ein Grundsatzreferat über „die neue Zeit", das mit antisemitischen Äußerungen gespickt war: „Wir wählen, weil das Volk nun selbst der Staat ist, und wir einem Staate angehören müssen. Welchem Staate wir angehören werden, das ist noch ungeklärt; aber das eine ist uns bewußt, wenn man uns eine Wiener Judenregierung aufhalsen will, dann werden wir Vorarlberger entscheiden können, wohin wir nicht wollen ... Wir wollen nicht von der Klassenherrschaft des Großkapitals unterjocht bleiben, darum los von den Juden - und darum los von den Sozialdemokraten. Wir sind Christen und anerkennen Gottesgewalt über allem, auch über der Volksregierung; wir wollen, da wir schon keinen Kaiser-Herrscher mehr haben, viel weniger noch einen Juden ...haben, der in frecher Judenart das Volk knechtet, wie Kurt Eisner die Bayern ... Von den Juden, ihrem ungeheuren Einflusse in Staat, Presse, Schule und Wissenschaft müssen wir uns lossagen mit Gewalt, wir sind 97 und sie 3 Prozent, und doch regieren sie uns: das ist eine Schande. Im Kampfe gegen das kapitalistische Judentum treffen wir die Sozialdemokraten, sie sind von den Juden geschult, gedrillt und geführt und unterstützt; mit dem Judenkapitalist ist ein Teil der Freisinnigen enge verbunden; hier müssen die Freisinnigen eine Operation vornehmen - auch wenn der Freisinn Opfer bringen müßte." Der promovierte Philosoph Dr. Elkan wollte unbedingt Lehrer werden. Er inskribierte 1929 an der Universität Innsbruck und legte dort am 4. Juli 1931 die Lehramtsprüfung für Philosophie und Geschichte ab, ab 26. Jänner 1934 folgte die Lehrbefähigung für Geographie. Alle Prüfungen bestand er mit „Sehr gut". Im Schuljahr 1931/32 absolvierte er ein Probejahr am Bundes- und Realgymnasium Innsbruck. Im Zeugnis steht: „außerordentliche Lehrfreudigkeit", „für seinen Beruf hohen Eifer", „besonders bescheidenes und ruhiges Wesen". Im folgenden legte er das Probejahr für Geographie am Bundesgymnasium Feldkirch ab. Auch dieses Probejahrzeugnis weist vorzügliche Beurteilungen auf: „Lehrfreudigkeit", „liebenswürdiger Verkehr mit den Schülern", „vorzügliche Schulzucht" , „gewissenhafte Vorbereitung für den Unterricht", „ruhiges, bescheidenes Wesen", „korrektes Verhalten". Insgesamt: „Sehr gut". Eigentlich müsste man meinen, dass der Landesschulrat in Vorarlberg um so einen Lehrer froh gewesen wäre. Doch „dem Juden Dr. Hans Elkan" verweigerte man eine definitive Anstellung. Daraufhin hospitierte er ohne Bezüge ein weiteres Jahr in Feldkirch. Mit ministerieller Genehmigung wechselte er im Schuljahr 1935/36 an die Realschule Dornbirn. Allerdings erhielt er auch hier keine Anstellung. Ihm wurde mitgeteilt, „daß ihm aus dieser Bewilligung keinerlei Ansprüche dienst- oder besoldungsrechtlicher Art erwachsen" würden. Im darauf folgenden Jahr konnte der „Anwärter auf eine Anstellung" ebenfalls nur eine gleich lautende Bewilligung erwirken, er blieb ein „Gastlehrer ohne Bezahlung"! Gegenüber seinen Lehrauftritten in Innsbruck hatte sich das Klima in der Schule für den exzellenten Fachmann jedoch verändert. Ein Teil der Schüler wollte sich offensichtlich von einem Juden nicht unterrichten lassen, so dass er nunmehr Schwierigkeiten mit der Aufrechterhaltung der Disziplin hatte. Die Realschule war ein amtsbekannter Hort des aufkommenden Nationalsozialismus, der auch vor den Schülern nicht Halt machte. Als feinfühliger und sehr gebildeter Junglehrer sah sich Elkan einem immer radikaleren deutschnationalen und antisemitischen Umfeld ausgesetzt. Es ist also dieses vergiftete politische Klima mit in Rechnung zu stellen, wenn über seine Lehrertätigkeit an der Realschule geurteilt wird. Der christliche und rassische Antisemitismus hatten das Unterrichten für einen Juden längst auch in Vorarlberg prinzipiell schwierig gemacht. Von einem „Juden" wollten auch die meisten „arischen" Schüler(innen) an der Realschule nicht mehr unterrichtet werden. Das Aggressionspotential gegen „rassisch Minderwertige" hatte sich mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus auch im „braunen Nest" Dornbirn gesteigert. Aber längst beließen es die „Illegalen" nicht mehr bei verbalen Attacken: Sie versuchten von Ende Oktober 1933 an Österreich mit Terroranschlägen zu destabilisieren. In Vorarlberg waren Dornbirn und Lustenau Zentren dieser nationalsozialistischen Gewaltanwendung. Auch die Familie Elkan blieb nicht verschont. Am 23. Jänner 1934 wurde ihr Haus in der Steinachgasse (heute Schweizerstraße) Ziel eines solchen Anschlags: Illegale Nationalsozialisten brachten abends zwei Böller zur Explosion. Einer davon wurde in den Garten der Familie Elkan gelegt. Durch seinen Freund Erich Gschwend wissen wir über die persönlichen Vorlieben des Junglehrers Elkan Bescheid. Ein Fluchtpunkt war für ihn der häusliche Garten. Meistens traf man ihn mit „Gärtnerschürze, Schubkarren und schweren Gartenschuhen" an. In der Lektüreauswahl standen Wilhelm von Humboldt, Hölderlin, Mörike und Kierkegaard obenan. Aber ganz besonders intensiv befasste sich Hans Elkan mit Friedrich Schiller. Während sein Elternhaus von nationalsozialistischen Attentätern bedroht wurde, arbeitete er an einem Aufsatz zum 175. Geburtstag dieses „Klassikers". Auch als Historiker schuf er ein bleibendes Werk: Seine Kartensammlung zur Geschichte Vorarlbergs ist bis heute einzigartig. Dieses Vermächtnis des „Realschullehrers ohne Bezahlung" wird im Vorarlberger Landesarchiv aufbewahrt. In der kleinen Hohenemser Kultusgemeinde nahmen Theodor Elkan und sein Sohn Hans wichtige Funktionen ein. Dies mag mit ein Grund gewesen sein, warum sie sich 1938 nicht zur Flucht aus dem „Reichsgebiet" entschließen konnte. Während die kleine jüdische Gemeinde in Vorarlberg durch Verhaftungen und Flucht einiger Mitglieder ins Ausland zunehmend in Auflösung begriffen war, kümmerten sich Theodor und Hans Elkan um Lehmann (Lev) Heilbronner, den „vergessenen Juden" in der Nervenheilanstalt Valduna bei Rankweil. Im November 1939 trat Theodor Elkan in Verbindung mit der Israelitischen Kultusgemeinde St. Gallen, um fünfzehn Thorarollen in Sicherheit zu bringen. In seiner Eigenschaft als letzter Kultusvorsteher der jüdischen Gemeinde Hohenems hatte er die Erlaubnis der Behörden zur Ausfuhr der Kultgegenstände in das benachbarte St. Gallen erwirken können. Doch im Jänner 1940 berichtete er von Schwierigkeiten, die ihn an der Einhaltung des von den Behörden festgesetzten Termins zur Versendung hinderten. Theodor Elkan kündigte an, seine „Bemühungen um die Erlangung der Ritualien" fortzusetzen. Seither blieben diese und andere Kultgegenstände aus dem Besitz der jüdischen Gemeinde Hohenems verschollen. Eine Untersuchung im Jahre 1952 gab keine weiteren Aufschlüsse über ihren Verbleib. Am 21. Mai 1940 wurde Theodor Elkan in einem Schreiben des Provinzreferats der „Auswanderungsabteilung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien" darüber informiert, dass er mit seiner Ehefrau Helene, seinem Sohn Hans und weiteren vier Juden Hohenems zu verlassen habe. Sein Wohnhaus musste er der Gemeinde Hohenems übergeben. Heute befindet sich dort eine Erinnerungstafel (Fa. Lacha & Partner Gesm.b.H. hat dieses Gebäude 1996 erworben und in vorbildlicher Weise restauriert) In Wien wurden die Elkans in der Czerningasse 4 (2. Bezirk) untergebracht. Ein befreundeter Hohenemser, der wagte, die Familie dort aufzusuchen, berichtete später, dass die Familie mit 15 bis 20 anderen Juden in einem einzigen Raum gewohnt habe. Hans Elkan fand zunächst als „Hilfsarbeiter in einer Gärtnerei" Beschäftigung. Ab Oktober 1940 nahm er an einem Umschulungskurs zum Schlosser teil. Die Wiener Kultusgemeinde Wien führte seit 1938 solche Kurse durch, um dem Einzelnen das Bewusstsein zu geben, »sich nicht treiben zu lassen, sondern seine Auswanderung und Rettung vorzubereiten, sein Schicksal gestalten zu können". Meist dauerten diese Kurse drei Monate und wurden mit einer Prüfung und einem Leistungszeugnis abgeschlossen. Die Elkans hofften offenbar im Frühjahr 1941 noch immer, emigrieren zu können. Am 9. Mai richtete daher Theodor Elkan, mittlerweile mit seiner Familie in der Türkenschanzstraße 44 in Wien XVIII wohnhaft, folgendes Schreiben an die Marktgemeinde Hohenems: „Zur Beschaffung einer Unbedenklichkeitserklärung benötige ich Ihre Bestätigung, dass weder ich noch mein Sohn Dr. Hans David Israel Elkan mit einer Steuer im Rückstand sind. Ich bitte Sie daher, mir eine solche Erklärung gefälligst zukommen zu lassen und bemerke, dass ich bei meinem Wegzug aus Hohenems keinen Steuerrückstand hatte. Die aufgelaufenen Steuerbeträge für das Wohnhaus Nr. 35 dürfte der Herr Verwalter Mathis aus den Mieteingängen beglichen haben. Hochachtungsvoll Theodor Israel Elkan „ Diese Bestätigung, Voraussetzung für eine Unbedenklichkeitserklärung zum Verlassen des Territoriums des Deutschen Reiches, stellte Bürgermeister Josef Wolfgang am 13. Mai 1941 eigenhändig aus. Im Dachgeschoß des Jüdischen Museums Hohenems findet sich ein kurzer, handgeschriebener, an die Gemeinde Hohenems adressierter Brief aus dem Jahre 1949. Darin erkundigt sich ein gewisser Alois Meermann aus Baden-Baden nach seinem Studienkollegen Hans Elkan: „Ich bitte Sie höflich um Mitteilung, ob Sie über den Verbleib des Dr. phil. Hans Elkan, geb. um 1900 mir Bescheid geben können. Er studierte um 1924 in Freiburg i.Br., war dann beruflich in Wien, später in Innsbruck tätig und besuchte bis zum Beginn der Judenverfolgungen regelmäßig seine in Hohenems wohnenden Eltern (die mir persönlich nicht bekannt sind). Um eine kurze Nachricht wäre ich Ihnen sehr dankbar. Dr. Alois Meermann." Alois Meermann erhielt nachweislich niemals eine Antwort auf seine Anfrage.
Vor allem dem Kunsterzieher Mag. Klaus Luger ist es zu verdanken, dass sich die Schüler und Schülerinnen der 7.b Klasse im Schuljahr 2003/2004 mit der Frage beschäftigt haben, wie ein zeitgemäßes Erinnerungsmal an den ehemaligen Lehrer gestaltet werden müsste. Schließlich wurde der Vorschlag einer abnehmbaren Installation realisiert. Der Vorteil besteht darin, dass die Aufmerksamkeit erhöht wird: Jährlich wird die Installation eine Woche lang im Stiegenbereich angebracht. In dieser „Dr. Hans Elkan-Erinnerungswoche" findet ein pädagogisches Schwerpunktprogramm mit Vorträgen, Lesungen und Filmen statt.