Im Mai 1938 eröffneten nationalsozialistische    Kulturpolitiker in Düsseldorf eine Ausstellung mit dem Titel "Entartete    Musik". 
 
 Auf dem Plakat zur Ausstellung war ein schwarzer Saxophonspieler    abgebildet - und damit gleich ein Musikstil ins Bild gebracht, der unter    diesem Begriff diffamiert wurde: Der Jazz, der in den 20er Jahren seinen    Siegeszug von New Orleans über New York nach Europa angetreten hatte.
  
"Irrelohe", Anne Gjevang und KS Kurt Schreibmayr
Die meisten der betroffenen Musiker gingen damals ins Exil - sofern dies noch rechtzeitig möglich war. Ein enormer Verlust für das europäische Musikleben war die Folge und betraf Oper und Operette genauso wie das gesamte Konzertrepertoire, den Schlager und das Kabarett. Zahlreiche Künstler und ihre Musik gerieten durch das Aufführungsverbot für lange Zeit in Vergessenheit.
 
Die Volksoper Wien zeigt in dieser Saison gleich vier Werke von Komponisten, deren Musik ehemals den Stempel "entartet" trugen: Franz Schrekers "Irrelohe" (ab 16. Oktober), "Die Vögel" von Walter Braunfels (ab 1. November), "Der König Kandaules" von Alexander Zemlinsky (ab 7. November) sowie "Die Herzogin von Chicago" von Emmerich Kálmán (ab 11. Dezember). Die Premiere von Korngolds "Die tote Stadt" am 18. Dezember in der Wiener Staatsoper ergänzt die Reihe.
																				    Anlässlich dieses Schwerpunkts im Spielplan veranstaltete    die Volksoper am 14.und 15. Oktober 2004 ein Symposium zum Thema "Entartete    Musik - Wieder entdeckt". Es galt einen Blick auf das Leben der Komponisten    zu werfen, sich mit den Werken und ihrer Entstehungszeit zu beschäftigen    sowie den Moment der Verbannung und seine Folgen für Künstler und Werk zu    betrachten, genauso aber auch die Momente der Wiederentdeckung.  Hochkarätige Referenten, die in den letzten Jahren durch ihre Arbeit viel    zur Wiederentdeckung der gezeigten Werke beigetragen haben, waren hierzu in    Wien versammelt.
 
   "Der König Kandaules", KS Wicus Slabbert und Chor
Die Beschäftigung mit dem Thema zeigte, dass die so genannte Zwischenkriegszeit des letzten Jahrhunderts bis heute aus dem Bewusstsein verdrängt wird und daher wenig Wissen und schon gar keine Klarheit über diese Zeit besteht; dass, weil diese Zeit immer noch negativ besetzt ist, es bis heute Berührungsängste mit vielem gibt, was dort künstlerisch entstand - vor allem mit Werken, die sehr viel vom Geist dieser Zeit in sich tragen, dazu gehört auch "Irrelohe" von Franz Schreker.
  "Der König Kandaules", KS Kurt Schreibmayr und Gertrud        Ottenthal
  
																				 Die    Auslöschung der Erinnerung an den einstigen Erfolgskomponisten begann genau    wie bei Braunfels, Korngold oder Zemlinsky mit der Machtübernahme der    Nationalsozialisten 1933. Der kulturelle Kahlschlag war jedoch nicht das    alleinige Verdienst der Nazis. "Der Musikvernichtungskrieg wurde nach Ende    des Dritten Reiches nahtlos fortgesetzt", so Michael Haas, Initiator der    Reihe "Entartete Musik" bei Decca. Zahlreiche ehemals verbotene Werke hat    Haas seit Mitte der achtziger Jahre in dieser Reihe eingespielt und damit    wesentlich zur Wiederentdeckung derselben beigetragen. Haas geht soweit zu    sagen, "dass es nach dem Krieg eine Fortsetzung der nationalsozialistischen    Kulturpolitik mit anderem Vokabular gab."    Grund für diese Behauptung ist die    Tatsache, dass nach 1945 noch immer dieselben Leute an den    Schlüsselpositionen des Musikbetriebs saßen wie in der Nazizeit.    Bezeichnendes Beispiel hierfür: Der angehende Musikwissenschaftler    Gösta Neuwirth durfte im Jahr 1962 keine Arbeit über Franz Schreker    schreiben.    "Über einen Juden können Sie bei mir nicht promovieren!" war die    Reaktion    von Erich Schenk, Ordinarius für Musikwissenschaft an der    Universität Wien,    auf die vorgelegte Dissertation. Als Neuwirth seine Arbeit    schließlich 1962    in Berlin abdruckte, wurde sie von keiner einzigen Fachzeitschrift    rezensiert, obwohl der Beginn der Wiederentdeckung Schrekers ganz    wesentlich    von dieser Arbeit ausging.    Nach dem Krieg galt als modern und damit anerkannt, jene    Musik, die sich von der Tonalität abgewandt hatte. Schreker z.B. galt als    "Lachnummer" (Michael Hass), Korngold als "Filmkitschkomponist". "All jene,    die an ihrer Tonalität festgehalten hatten, wurden nach 1945 ein zweites Mal    vertrieben", konstatierte Peter Blaha, Chefdramaturg der Wiener Staatsoper. Die Auswirkungen auf den Musikbetrieb sind bis heute    spürbar und nicht mehr rückgängig zu machen: "Dieses Nichtleben, kann man    doch nie, nie nachholen!" schrieb Alma Rosé 1941 in einem Brief, bevor sie    nach Jahren der Flucht schließlich im Konzentrationslager ums Leben kam.    Rückgängig machen, wiedergutmachen kann man nicht – aber wieder entdecken.    Das ist das zentrale Anliegen der Volksoper Wien in der ersten Hälfte der    Saison 2004/05. Die vehementen Bravo-Rufe am Ende der Vorstellungen von    "Irrelohe", "Die Vögel" oder auch "Der König Kandaules" zeigen, das die    Werke zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind und sich langsam eine    Renaissance anbahnt. Die Fotos wurden uns freundlicherweise von der
 Volksoper Wien zur    Verfügung gestellt.