Ausgabe

Aus der Rede von Staatssekretär Franz Morak anlässlich der Einweihung der ersten Reformsynagoge Österreichs am 22. Februar 2004

Content

Die Eröffnung einer neuen Synagoge ist ein schöner Tag für Wien und für Österreich. Es zeigt, dass jüdisches Leben in unserem Land eine Zukunft hat!

Lange Zeit war das Judentum für Österreich eine Schatzkammer des Geistes und der Kultur. Wir alle wissen, wie sehr das goldene Zeitalter, das unser Land in den wenigen Jahrzehnten zwischen der vollen Gleichberechtigung der Juden 1867 und dem 1. Weltkrieg erlebt hat, kulturell und geistig zu einer Blüte geführt hat. Die Kultur des "Fin de siecle" in Österreich war zu einem Gutteil von jüdischen Intellektuellen, Künstlern und Mäzenaten geprägt. Die unsäglichen Ideologien des 20. Jahrhunderts haben diesem Bestandteil der österreichischen Identität ein jähes und tragisches Ende gesetzt.

Für mich ist es immer wieder erschütternd, wenn ich durch Wiens Bezirke gehe und plötzlich an einem Wohnblock oder an einem öffentlichen Gebäude auf eine Tafel stoße, die daran erinnert, dass an diesem Platz einst eine jüdische Synagoge oder ein jüdisches Bethaus gestanden hat.

Beginnend mit dem Novemberpogrom im Jahr 1938 erfolgte die Auslöschung dieser Kultur, ja noch mehr: Tod und Verderben ist über die jüdische Gemeinde Wiens gekommen und hat das jüdische Leben vernichtet.

Die heutige Feier steht dazu in Parantese und ist deshalb ein freudiges Ereignis. Unter dem Dach der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wird eine weitere Synagoge eröffnet. Der Tempel in der Robertgasse ist Ausdruck der Vielfalt und Lebendigkeit des jüdischen Glaubens.

Ich möchte daran erinnern, dass in der Zwischenkriegszeit auch in Wien ein "Verein für fortschrittliches Judentum" in Wien bestanden hat. In dessen Nachfolge steht die liberale Jüdische Gemeinde Or Chadasch, die vor bald 14 Jahren ins Leben gerufen wurde.

Als Vertreter der Bundesregierung darf ich Ihnen von Herzen wünschen, dass die neue Synagoge in der Robertgasse ein Ort der Andacht und des spirituellen Studiums wird, dass er zur Vielfalt des Österreichischen Judentums einen Beitrag leistet und eine Brücke im interreligiösen Dialog schlagen kann.