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Wenn es stimmt, dass Hebräisch die Sprache der Engel im Himmel ist, dann lohnt es sich auch, sie bereits auf Erden zu erlernen – selbst ohne die Absicht, sie in jenem Staat Israel, wo sie Landessprache ist, zu praktizieren. Mit dieser irdischen Verortung ist das Hebräisch-Lernen jedoch schon automatisch in die gesellschaftliche und kulturelle Wirklichkeit des jeweiligen Landes eingebunden: Wie stark ist der allgemeine Konsens über die Wichtigkeit dieses Unterfangens, welche Möglichkeiten und Ressourcen, Institutionen und Orte stehen zur Verfügung, welche Breite und welcher Grad an Professionalität lassen sich erreichen? – Fragen, die zunächst kulturelle und wissenschafts-organisatorische Aspekte beinhalten als auch in gesellschaftliche und politische Dimensionen verweisen.
Um den gegenwärtigen Stand des Hebräisch-Unterrichts in Österreich zu beschreiben, sollen in einem ersten Schritt die entsprechenden Rahmenbedingungen beleuchtet werden, was auch einen kurzen Blick auf die involvierten Institutionen beinhaltet. Ein zweiter Schritt wird im folgenden den spezifischen Weg erläutern, den das Institut für Judaistik der Universität Wien in der Erfüllung dieser Aufgabe eingeschlagen hat, und zwar sowohl hinsichtlich seines Studienplans als auch der wissenschaftlichen und didaktischen Methodik.
Verschiedene Ebenen
Mit dem in diesem Artikel gegebenen Fokus auf die akademische Ebene soll selbstverständlich nicht geleugnet werden, dass auch andere Sektoren des Bildungsbereiches wertvolle Arbeit in der Vermittlung von hebräischen Sprachkenntnissen leisten. In diesem Sinne sind natürlich einerseits die von jüdischen Gemeinschaften betriebenen jüdischen Schulen zu nennen, welche dieser Aufgabe im Rahmen ihres Unterrichts nachkommen. Andererseits dürfen hier jedoch auch die verschiedenen Einrichtungen der Erwachsenenbildung angesprochen werden – ob es sich nun um Volkshochschulen handelt, die Modernhebräisch-Kurse mit dem Ziel, Grundfähigkeiten für die alltägliche Kommunikation zu vermitteln, anbieten, oder aber um christliche Bildungshäuser, die im Rahmen von Bibellektüre-Kursen in die Grundstrukturen des Bibelhebräischen einführen. All diese Aktivitäten sind nicht nur im Sinne einer wissenschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit zu begrüßen, sondern darüber hinaus auch als Zeichen einer konstruktiven kulturellen Begegnung sehr erfreulich.
Hebräisch an den theologischen Fakultäten
Auf akademischer Ebene ist zunächst auf die Aktivitäten der theologischen Fakultäten hinzuweisen. An der Evangelisch-Theologischen Fakultät Wien zählt das biblische Hebräisch nach wie vor zu den Pflichtfächern und wird für die angehenden Pastoren (Fachtheologen) in einem intensiven, sechs Wochenstunden umfassenden Grundkurs vermittelt, der zum sogenannten Hebraicum als Abschlussprüfung führt. Diese starke Verankerung des Hebräischen bei der Ausbildung evangelischer Theologinnen und Theologen ist ohne Zweifel im Zusammenhang mit der besonderen Betonung zu sehen, die der Bibel generell in den protestantischen Kirchen zukommt. Für evangelische Religionslehrerinnen und –lehrer ist lediglich eine knappe Einführung in die Struktur der biblischen Sprache verpflichtend. Im katholischen Bereich verhält es sich demgegenüber so, dass an drei der vier theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten (nämlich Wien, Graz und Salzburg) auch die Fachtheologen an sich nur eine solche kleine Einführung absolvieren müssen (in Innsbruck entfällt sogar diese), während ein echter Sprachkurs in Bibelhebräisch nur als Freifach bzw. auch für diejenigen, die sich in Bibelwissenschaften spezialisieren wollen, angeboten wird. Grundsätzlich ähnlich verhält es sich an der katholischen Privatuniversität Linz und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten. Methodisch betrachtet, gestaltet sich die Vermittlung des biblischen Hebräisch an den genannten Fakultäten in der Regel wie das Studium anderer klassischer Sprachen (Latein, Griechisch), das heißt entweder mehr von der theoretischen Grammatik und Struktur zu den Texten (deduktiv), oder aber von den konkreten Texten zu den theoretischen Prinzipien (induktiv).
Weitere universitäre Möglichkeiten
In gewissem Sinn darf auch das Institut für Orientalistik der Universität Wien in die eben dargestellte Art der Vermittlung eingereiht werden, wenngleich hier freilich die Beschäftigung mit dem biblischen Hebräisch mit einer anderen Zielsetzung, nämlich im Horizont der semitischen Sprachen, stattfindet. Während dort in früheren Jahren auch Einführungskurse ins Bibelhebräische angeboten worden sind, gibt es derzeit nur mehr die Bibellektüre, die an sich schon solide Sprachkenntnisse voraussetzt und in zwei- oder mehrjährigen Abständen angeboten wird.
In den letzten Jahren sind darüber hinaus in Österreich zwei universitäre Netzwerke entstanden, in deren Rahmen auch Hebräisch-Kurse angeboten werden. Das erste davon ist der Studiengang Religionswissenschaft an der Universität Wien. In diesem Studium wird einerseits ein allgemeiner Überblick über die Religionen und ihre wissenschaftliche Erforschung gelehrt, andererseits besteht auch die Möglichkeit der Spezialisierung. Wer nun in diesem Studium Judentum als Schwerpunkt wählt, kann bzw. soll dies dann auch durch den Erwerb relevanter Sprachkenntnisse (Bibelhebräisch, Aramäisch, Modernhebräisch) verwirklichen. Konkret erfolgt die Vermittlung dieser Kenntnisse zumeist über das Institut für Judaistik, dessen sprachliche Ausbildung im folgenden Kapitel noch ausführlich dargestellt wird.
Das zweite der genannten Netzwerke ist an der Universität Salzburg angesiedelt und heißt seit 2004 Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte. Ursprünglich als Abteilung des Instituts für Altes Testament (bzw. heute im Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte) betrieben, werden seine zentralen judaistischen Inhalte nach wie vor von dort beigebracht, jedoch auch durch weitere Angebote von Seiten der Geschichts- und Rechtswissenschaften sowie der Germanistik und Romanistik ergänzt. Neben den auf diese Weise ins Netz gestellten (theologischen) Kursen des Bibelhebräischen gibt bzw. gab es auch bisweilen einzelne Lehrveranstaltungen zur modernhebräischen Sprache.
Hebräisch am Institut für Judaistik der Universität Wien
Um den Hebräisch-Unterricht des Wiener Instituts für Judaistik vorzustellen, möchte ich einen eher unüblichen Weg beschreiten und die folgende Frage stellen: Wer sind eigentlich die Studierenden, die hier Hebräisch lernen? – Die Antwort fällt recht vielseitig aus: Es sind jedes Jahr zwischen etwa 30 und 50 Personen, die im Kurs Modernhebräisch 1 beginnen: Juden und Nicht-Juden, Leute aus Österreich und Deutschland, Ungarn und der Schweiz, Schweden und der Slowakei usw.; Studierende, die entweder gerade die Matura abgelegt haben oder aber schon einige Jahre ein ganz anderes Studium betreiben; Judaisten ebenso wie Theologen, Historiker, Philosophen, Politologen, Orientalisten, Publizisten und Mathematiker; Leute, die im Berufsleben stehen und solche, die sich nun in der Pension ihren Jugendtraum erfüllen; Menschen, die sich als gläubige Juden oder Christen verstehen und solche, für die Religion persönlich kein Thema ist. – Was sie alle trotz unterschiedlichster Motivationen verbindet, ist das Interesse, Hebräisch zu lernen.
Sowohl Modern- als auch Bibelhebräisch ist ein Pflichtfach. Das unterscheidet die Judaistik in Wien von sogenannten ”Jüdischen Studien”, die vielerorts auch ohne spezifische Sprachkenntnisse studiert werden können. Am Wiener Institut für Judaistik ist das Sprachstudium grundsätzlich so aufgebaut, dass das Modernhebräische am Beginn steht und das Bibelhebräische anschließend darauf aufbaut. Dieser Zugang ist zwar für diejenigen ungewohnt, die sich vor allem für die biblische Sprache interessieren, erweist sich jedoch insofern als sinnvoll, als der Weg mit der lebendigen Sprache beginnt.
Die Ziele des Hebräisch-Unterrichts lassen sich in der Vermittlung bzw. dem Erwerben von Fähigkeiten auf vier Ebenen zusammenfassen:
1. sprachliche Grundkompetenzen für die hebräische Kommunikation, und zwar in allen wichtigen Dimensionen: hörend verstehen, sprechen, lesend verstehen, vorlesen, Konversation, schriftlicher Ausdruck, übersetzen in beide Richtungen;
2. die Fähigkeit, sich in modernem Hebräisch als Medium des wissenschaftlichen Fachdiskurses zu bewegen, insbesondere in Form der Lektüre judaistischer Publikationen in dieser Sprache;
3. Einführung in die klassische Sprachstufe des Bibelhebräischen (auf dieser Basis dann auch in das Bibelaramäische und das babylonische Aramäisch);
4. deskriptiv-analytischer Zugang, der das Hebräische im akademischen Kontext als Feld sprachwissenschaftlicher Forschung erschließt.
Welcher Zeitrahmen steht für das Erreichen dieser Ziele zur Verfügung? Von einem Gesamtumfang von 70 Semesterwochenstunden für die ganzen Pflichtfächer der Judaistik sind es 20 bis 24 Semesterwochenstunden (= rund 31%) – oder, anders ausgedrückt, vier Jahre lang durchschnittlich zweieinhalb bis drei Vorlesungsstunden pro Unterrichtswoche. Aufgrund des großen Gewichtes der anderen kultur- und literaturkundlichen Teilgebiete der Judaistik ist dieses vom Studienplan her mögliche Zeitmaß für die aktive und passive Beherrschung einer lebenden Fremdsprache und zusätzlich ihrer historischen Dimension sehr gering; dies zeigt unter anderem auch der Vergleich mit anderen Studienrichtungen wie etwa der Arabistik, wo dem Arabischen 38 Semesterwochenstunden (= 53%) eingeräumt werden, oder der Sinologie, wo es für das Chinesische gar 44 (= 61%) – also mehr als doppelt so viele – sind. Aus diesem Grund ist es für Studierende des Hebräischen unerlässlich, ein besonderes Maß an Zeit und Energie in die eigene Übung zu investieren; zudem wird der Besuch der angebotenen Freifächer ebenso empfohlen wie ergänzende Sprachaufenthalte in Israel, israelische Filme oder ggf. auch die Sprechpraxis im eigenen Verwandten- und Bekanntenkreis.
Das Grundgerüst des universitären Modernhebräisch-Unterrichts besteht in einem viersemestrigen Hauptkurs, ergänzt durch eine zweisemestrige Spezialveranstaltung zur Grammatik. Im Anschluss daran gibt es noch ein weiterführendes Lektüre- und/oder Sprechpraktikum. Für den Grundkurs wird in erster Linie aus Israel stammendes Lehrmaterial verwendet. Zunächst waren dies vor allem Bücher, die dort für die sprachliche Integration von Neueinwanderern konzipiert worden sind. Inzwischen sind die Materialien nicht nur in Vokabular und Thematik aktualisiert, sondern auch hinsichtlich ihres Umfangs, ihrer Methodik und ihres Adressatenkreises sachgerecht erweitert worden. Der Vorteil solcher Lehrbücher liegt offenkundig darin, dass sie den Lernenden recht unmittelbar in die lebendige und aktuelle hebräischsprachige Lebenswelt stoßen. Ihr Nachteil besteht freilich in ihrer Ergänzungsbedürftigkeit im Blick auf die Systematik, die in der Tat eine besondere Herausforderung an die Lehrenden darstellt. Folglich sind die systematische Einführung in die Sprachstruktur, die teilweise Neuordnung des Materials aus den Büchern und deren Ergänzung durch weitere Texte, Medien, Übungen etc. unverzichtbare Aufgaben, vor allem für den Unterricht außerhalb eines Hebräisch-sprechenden Alltagskontextes.
Eine Spezialität des Wiener Angebots bildet der Kurs in hebräischer Grammatik, der in der gegebenen Form und Qualität nur deshalb möglich ist, weil in Wien in der Person von Fritz Werner ein Hebraist wirkt, dessen Kompetenz weit über Europa hinaus bekannt ist und selbst für die Hebräische Sprachakademie in Jerusalem eine relevante Instanz darstellt. Die von ihm vertretene Professur für Hebraistik ist auch strukturell eine Besonderheit, die dieses Institut in ganz Europa auszeichnet. In diesem Sinne bedeuten die Kurse zu hebräischer Laut- und Formenlehre ein Proprium, auf das die Universität Wien im internationalen Kontext mit Recht stolz sein darf.
Auf der eben geschilderten sprachlichen Basis setzen dann die weiteren Kurse zu modernhebräischer Lektüre und Konversation fort, die sich neben israelischem Videomaterial auch mit zeitgenössischer hebräischer Literatur befassen. Für die Vermittlung der Sprachstufen der Vergangenheit folgen die einschlägigen Einführungen in die klassischen Sprachen der Bibel und des Talmud, die wahlweise in systematisch-sprachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen oder aber in Lektürekursen absolviert werden können.
Fazit
Sprache ist ein sehr zentraler Teil von Kultur. Daher darf es als durchaus bedeutsam gewertet werden, wenn der hebräischen Sprache in Österreich ein durchaus vielschichtiges und qualifiziertes Interesse entgegengebracht wird – ein Interesse, das sich nicht auf den Kreis jüdischer Sprecherinnen und Sprecher beschränkt. Daher ist die breitere Vermittlung von Sprachkenntnissen, wie sie von diversen Volksbildungsinstitutionen betrieben wird, als integrativer Beitrag zu einer differenzierten und gleichzeitig toleranten Gesellschaft zu begrüßen. Noch bedeutsamer erweist sich jedoch der gesellschaftliche Konsens, der sich in der institutionellen Verankerung des Hebräisch-Unterrichts in den führenden Bildungsstätten des Landes manifestiert. In diesem Sinne sind diverse öffentlich vorgetragene Überlegungen zur "Einsparung bzw. Reduktion von exotischen Orchideenfächern” im staatlichen Bereich ebenso kritisch auf ihre Konsequenzen hin zu hinterfragen wie charismatische, anti-intellektuelle Ideologien im religiösen Bereich.