Ausgabe

Zehn Mythen zum Nahostkonflikt

Dr. Theodor Much

OFFENER BRIEF DER B’NAI B’RITH – ZWI PEREZ CHAJES LOGE, WIEN 

27. Februar 2024

 

Dr. Theodor Much (Generalsekretär Bnai Brith)

 

Inhalt

Kein Land der Welt wird so häufig wie Israel von unterschiedlichen Seiten, darunter auch von undemokratischen Staaten denen Menschenrechte ein Fremdwort ist, heftig kritisiert. Kritik an Israels Regierung und Vorgehensweise im Zuge des Nahostkonflikts sind durchaus legitim, aber nur solange diese Kritik seriös und ausgewogen ist. Bedauerlicherweise ist Kritik an Israel nicht selten hasserfüllt und verlogen, oftmals durch Unkenntnis der Geschichte geprägt. Daher erscheint es notwendig Mythen, die nicht der Wahrheit entsprechen, zu widerlegen. Dabei geht es auch um antisemitisch geprägte Anschuldigungen, die durch drei Kriterien gekennzeichnet sind: Dämonisierung des Landes, Delegitimierung des Existenzrechts Israels und Doppelstandard der Kritik (die sogenannten 3Ds).

Mythos 1: „Die Hamas ist eine Befreiungsorganisation, die lediglich gegen Unrecht und Unterdrückung kämpft“.

In Wirklichkeit ist die Hamas eine radikal islamistische Terrororganisation, die den Jihad gegen alle „Ungläubigen“ - Christen und Juden - propagiert, offen zur Vernichtung Israels und zur Ermordung von Juden in aller Welt aufruft (siehe: Hamas Charta, Artikel 7), Demokratie verachtet und Frauen als Besitz des Mannes sieht. Eine Terrororganisation, die seit ihrer blutigen Machtergreifung in Gaza unzählige Raketen regelmäßig auf israelische Orte und Brandsätze in israelisches Gebiet schießt, auch Selbstmörder ausschickt, die im Namen Gottes Zivilisten ermorden. Die Hamas will auch keine Zweistaatenlösung, sondern eine einzige islamistische Entität in Palästina errichten. Anstatt die Milliardenbeträge - Spenden aus aller Welt - für den Aufbau von Gaza zu verwenden, flossen die Gelder entweder in die Taschen der Hamasanführer oder in militärische Anlagen (eine ganze unterirdische, untertunnelte Stadt) und militärische Aufrüstung investiert. Mit dem bestialischen Massaker am 7.Oktober, mit rund 1400 Ermordeten und hunderten Verschleppten sollte der Welt klar sein, welches Gedankengut die Hamas vertritt. Doch scheinbar ist das nicht überall der Fall.

Mythos 2: „Der Gazastreifen ist ein Freiluftgefängnis, das durch Israel von der Welt abgeschnitten ist“

In Wirklichkeit hat Israel im Jahr 2005 das im 6-Tagekrieg eroberte Gaza freiwillig verlassen und eine intakte Infrastruktur (incl. Flughafen) hinterlassen. All das wurde von der Hamas ganz bewusst zerstört. Seither versorgt Israel die Palästinenser in Gaza mit Energie, Nahrungsmittel und Medizin. Zehntausende Arbeiter aus Gaza durfte ihr Geld in Israel verdienen. Anders als Ägypten hat Israel den Gazastreifen nie total abgeriegelt.

Mythos 3: „Israel ist ein Apartheid- und Kolonialstaat“

Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Das zeigt auch ein Blick auf den internationalen Demokratieindex, der britischen Zeitschrift „The Economist“. Hier schneidet Israel besser ab als diverse westliche Staaten wie u. a. Spanien, USA, Italien und Portugal. Israel als Apartheidstaat zu bezeichnen ist unsinnig. Denn alle Bürger des Landes - auch die Araber Israels - genießen gleiche Rechte. Die arabischen Staatsbürger haben ihre Vertreter in der Knesset, sind in allen Berufen vertreten und eine physische Trennung nach „Rassen“ (wie es in Süd-Afrika einst war) existiert nicht. Wenn ein Staat fremdes Land, gewaltsam - und vor allem aus wirtschaftlichen Gründen - ausbeutet, spricht man von „Kolonialismus“. Doch genau das trifft auf Israel nicht zu.

Mythos 4: „Israel als Aggressor“

Alle großen Kriege der Jahre 1948 (Unabhängigkeitskrieg), 1967 (6-Tagekrieg) und 1973 (Yom Kippurkrieg), waren Folge von Angriffen der arabischen Staaten. Im Jahr 1948 griffen fünf arabische Armeen Israel an im Bestreben einen jüdischen Staat zu verhindern und sie unterlagen. Israel hat auch den UNO-Teilungsplan von 1947, ganz im Gegensatz zur arabischen Seite, akzeptiert. Hätten die Araber den Teilungsplan angenommen und Israel nicht angegriffen, gäbe es längst einen Staat Palästina.

Mythos 5: „Arabische Nakba“

Im Jahr 1948 verließen lt. offiziellen Berichten der UN-Vermittler für Palästina 472.000 Araber ihre Wohngebiete, kritische Historiker sprechen heute von 600.000 bis 700.00 Flüchtlingen. Viele von ihnen in Erwartung des Sieges der arabischen Armeen und auf Anordnung arabischer Führer, andere wurden während der kriegerischen Auseinandersetzungen vertrieben. Doch 160.000 Palästinenser verblieben in ihren Dörfern und Städten, sie alle erhielten die israelische Staatsbürgerschaft, und heute sind es an die zwei Millionen. Die Flüchtlinge wurden in ihren (muslimischen) Gastländern nie integriert, sondern bewusst in Flüchtlingslagern eingesperrt. Gleichzeitig wurden rund 900.000 Juden aus ihren arabischen Heimatländern vertrieben, ihr gesamter Besitz eingezogen. Sie wurden in Israel, tw. In Frankreich, aufgenommen und integriert. Im Gegensatz zu allen anderen Flüchtlingen weltweit, wird nur bei den arabischen Flüchtlingen der Flüchtlingsstatus durch die Vereinten Nationen, jetzt schon in 8. Generation, vererbt. Die jüdische Nakba ist hingegen in Vergessenheit geraten.

Mythos 6: „In arabischen Staaten wurden die Juden, ganz im Gegensatz zu Europa, stets gut behandelt, sie waren respektierte Staatsbürger“

In Wirklichkeit waren Juden, auch Christen, im islamischen Raum Bürger zweiter Klasse. Sie waren Schutzbefohlene (Dhimmis), mit weit geringeren Rechten als muslimische Staatsbürger und oftmals gedemütigt. Auch im islamischen Raum gab es zu allen Zeiten immer wieder antijüdische Pogrome so u. a. in Granada im Jahr 1066, mit mindestens 6000 Ermordeten Juden oder in Fez, Algier, Jerusalem oder Hebron etc. Auch der Hitlerfreund der Großmufti von Jerusalem Amin Al Husseini, war maßgeblich an der Ermordung von tausenden Juden am Balkan führend beteiligt. Der islamische Judenhass ist uralt und zum Teil durch judenfeindliche Passagen in Koran und Hadithen begründet. Heute ist der Antisemitismus unter Muslime weit virulenter als unter Christen.

Mythos 7: „Der Konflikt zwischen Arabern und Israelis ist in erster Linie Folge der Errichtung von jüdischen Siedlungen im Westjordanland“

Nein. Der Konflikt zwischen beiden Parteien besteht seit rund 100 Jahren, also lange vor dem 6-Tagekrieg. Schon am 23. August 1929 wurden 67 Juden in Hebron massakriert und der blutige antijüdische Terror der Fedajin (Freischärler), die aus Jordanien und Ägypten agierten, begann im Jahre 1948. Dieser Terror hat seither nie aufgehört.

Mythos 8: „Israels Armee muss verhältnismäßig agieren“

Israel wurde der Gazakrieg am 7.10. aufgezwungen. Israel kämpft nicht aus kolonialistischen Gründen, sondern um die Macht der Jihadisten zu brechen und so die eigene Bevölkerung vor weiteren Massakern zu schützen. Es ist eine noch nie zuvor dagewesene militärische Auseinandersetzung, gegen einen erbarmungslosen, fanatischen und mörderischen Feind, der sich hinter Zivilisten in Tunnels, Krankenhäuser, Kindergärten und Moscheen versteckt und von dort aus auch Israel mit tausenden Raketen beschießt. Um die Macht der Hamas zu brechen kann Israel nicht auf den Einsatz seiner Luftwaffe verzichten. Doch Israel agiert in diesem Krieg weit humaner als alle anderen Staaten es tun oder je taten, indem es Zivilisten vor Bombardierungen vorwarnt und ihnen die Möglichkeit gibt, sich in Sicherheit zu bringen. Trotzdem wird Israel „Völkermord“ vorgeworfen. An den tausenden Toten trägt nur die Hamas die Verantwortung, die jederzeit die Möglichkeit hätte die Geiseln freizulassen und den Krieg zu beenden. Doch Islamisten ist das eigene Leben und das der Zivilisten egal, denn sie sterben ja alle als Märtyrer für den Jihad. Und was heißt „verhältnismäßig“? Muss Israel für jeden ermordeten Staatsbürger genauso viele Gaza Bewohner umbringen, ganz im Sinne von „Auge um Auge“ agieren? Wobei das „Auge um Auge“ Prinzip im Judentum nie eine Rolle spielte. Denn dieses biblische Talionsgesetz war stets ein Sozialgesetz, das Opfern im Sinne von „Maß für Maß“ eine gerechte Entschädigung sichern sollte.

Mythos 9: „Wenn Israel seinen Krieg gegen die Hamas bedingungslos einstellt, kehrt wieder Friede ein“

Diese Forderung ist naiv und blauäugig. Denn dann würde die Hamas sich als Sieger sehen und ihren Terror wieder aufnehmen. Noch schlimmer: eine „siegreiche“ Hamas würde so noch weit mehr Anhänger in der gesamten islamischen Welt gewinnen und zum Vorbild zum Kampf gegen alle „Ungläubigen“ weltweit werden. Ein Friede zwischen Palästinensern und Israelis wäre dann ein Ding der Unmöglichkeit.

Mythos 10: „Ein Palästinenserstaat muss sofort her“

Israel hat sowohl unter Ministerpräsident Rabin als auch später unter Ministerpräsident Barak einer Zweistaatenlösung zugestimmt, Doch es scheiterte an Jassir Arafat, der weiterhin auf Terror setzte und unrealistische Forderungen stellte, so unter anderem die Rückkehr von Millionen „Flüchtlinge“ in ihre alten Behausungen. Eine Forderung, die Israel nicht akzeptieren kann, ohne seine Existenz als jüdischer und demokratischer Staat aufs Spiel zu setzen. Denn ein zweites Libanon kann sich die Region nicht leisten. Gäbe es jetzt freie Wahlen im Westjordanland, dann würde die Terrororganisation Hamas klar gewinnen und aus nächster Nähe alle großen Städte Israels bedrohen. Die Zweistaaten Lösung ist nur unter einer gemäßigten palästinensischen Führung möglich, die aber derzeit weit und breit nicht zu sehen ist.

Es ist daher erforderlich Mythen und antijüdische Vorurteile beim Namen zu nennen, mit der antisemitischen Dämonisierung des Landes Schluss zu machen und Israel das Recht auf Selbstverteidigung zubilligen.

 

Dr. Theodor Much (Generalsekretär Bnai Brith), 27. Februar 2024