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Patricia Kahane: Die Parteipräsidentin der Initiative Respekt stellt sich vor

Tina WALZER

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DAVID: Die Israelitische Kultusgemeinde Wien war immer schon von großer Vielfalt geprägt. Wie kam denn die Familie Kahane nach Wien, und fühlen Sie selbst sich in Österreich zu Hause? Spielt die Herkunft für Sie überhaupt eine Rolle?

Ich bin eine ziemlich bunte Mischung: Die Familie meines Vaters stammte aus Galizien, allerdings wurde er schon hier in Wien geboren, meine Großeltern mütterlicherseits lebten im ägyptischen Alexandria. Meine Eltern lernten sich in den europäischen Alpen kennen. Dadurch sind wir mehrsprachig aufgewachsen, und ich selbst fühle mich einfach dort zu Hause, wo meine Lieben sind - das kann überall sein. Österreich ist mein Geburtsland, zu Hause sind wir mehrheitlich in der Schweiz, und am liebsten bin ich in meiner Wahlheimat Marokko. Die Herkunft ist mir kein besonderes Anliegen, es kommt doch weit mehr darauf an, was jeder, jede in seinem, ihrem Leben macht und dazu beitragen kann und möchte, einen oder mehrere Mitmenschen glücklich(er) zu machen.

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Mitglieder der Initiative Respekt, von links nach rechts:

Thomas Feiger, Paul Sills, David Salomonovitz, Bernhard Segall, Sonia Feiger, Lewi Ilkanaev, Ruth Bachmayer, Michael Kalwil, Robert Wilder, Amos Davidovits, Francois Schall, Joana Radzyner, Eva Beresin, Daniel Gallner, Ilana Ventura, Julie Klein, Patricia Kahane, Dorly Singer. Mai 2012. Foto: Mit freundlicher Genehmigung Linda Martonosi.

DAVID: Sie sind Gründungsmitglied der Liste Initiative Respekt. Wie würden Sie Ihre politische Rolle innerhalb der IKG Wien definieren?

Als ich ein kleines Mädchen war, hat mich meine Großmutter Sabine Kahane oft zu ihren wöchentlichen Besuchen im jüdischen Spital in der Seegasse mitgenommen. Vor etwa 25 Jahren, als ich noch ganz in Wien wohnte, lernte ich das Elternheim in der Bauernfeldgasse mit seinen BewohnerInnen kennen und lieben und wurde in der Folge dort „Ombudsmann". Im Zuge dieser Aufgabe wurde ich in die damalige Gruppe Die Alternative aufgenommen und durfte gemeinsam mit Paul Grosz, Alex Friedmann - beide sind leider von uns gegangen -, David Vyssoki, Ilan Knapp und anderen FreundInnen den heute so erfolgreichen Sozialbereich der IKG mit aufbauen. Jetzt sehe ich meine politische Rolle als eine der treibenden Kräfte in unserer neuen Gruppierung Initiative Respekt, mein Hauptanliegen sind ganz klar die Menschen unserer Gemeinde - kurz: die Neschome. Unsere Initiative basiert auf einem ganz starken Team von Expertinnen und Experten, die sich seit Jahren und Jahrzehnten in diversen Bereichen der IKG einsetzen. Mit dem Ende der Ära Muzicant ist jetzt ein guter Zeitpunkt, unsere gesammelten Erfahrungen, unsere moralischen und ethischen Forderungen und auch unsere wirtschaftliche Kompetenz einzubringen, um die Zukunft der IKG langfristig zu sichern.

DAVID: Sie engagieren sich auch seit langem über die IKG Wien hinaus aktiv für den Friedensprozess im Nahen Osten?

Der Traum eines Friedens im Nahen Osten und die auch konkrete Arbeit daran sind um einiges älter als mein soziales Engagement in der Wiener IKG. Mein Vater begann gleich nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 mit jüdischen Freunden aus mehreren Ländern zu versuchen, die damalige israelische Regierung zu überzeugen, den Vorteil der damaligen Situation zu nutzen, um für Israel einen permanenten, allgemein anerkannten und sicheren Platz in der Region zu schaffen. Wie viele Träume ist dieser leider bisher nicht in Erfüllung gegangen...

DAVID: Die 1991 von Ihrem Vater, Ihren Geschwistern und Ihnen gegründete Karl Kahane Stiftung, deren Vorsitzende Sie sind, fördert humanitäre Projekte, auch in Österreich?

Ursprünglich lag der Schwerpunkt der Stiftung auf der Verständigung der Völker im Nahost-Konflikt. Eines der ältesten und wichtigsten Projekte war und ist zum Beispiel die Facharzt-Ausbildung von palästinensischen Ärzten im Jerusalemer Hadassah-Spital. Die Idee ist, dass diese dann die Menschen in ihren Heimatorten nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen behandeln können. In den letzten Jahren haben wir unseren Fokus auf andere Regionen erweitert: Afrika, Indien, die Schweiz, und auch Österreich. Es gibt heute keinen Ort der Welt, wo Menschen ganz auf Unterstützung der Zivilgesellschaft und gemeinnütziger Stiftungen verzichten können. Not und Armut gibt es überall, auch in den reichsten Ländern.

In Österreich gehen Zuwendungen der Stiftung u.a. an die Cliniclowns, Debra Austria - das Zentrum für Schmetterlingskinder in Salzburg, das Maimonides Zentrum, die Lauder-Chabad Schule, Hemayat, ESRA, das Bruno Kreisky Forum für Internationalen Dialog.

DAVID: Sie engagieren sich seit Jahren in den Gremien der IKG Wien. Was waren Ihre größten Erfolge, was waren die höchsten Hindernisse, die es zu überwinden galt?

Fangen wir mit den Hindernissen an: In einer IKG, wo in den letzten Jahren die Wirtschaft eine sehr große, fast schon übergeordnete Rolle gespielt hat, war es sehr, sehr schwer, Aufmerksamkeit für menschliche Anliegen zu erwirken.  Auch hat die jahrelange absolute Mehrheit der Gruppe Atid um Ariel Muzicant dazu geführt, dass die gewählten Kultusräte einen Teil ihrer Aufgaben gar nicht wahrnehmen konnten, vieles wurde ihnen einfach „zur nachträglichen Genehmigung" vorgelegt. Erfolge gibt es natürlich auch, allerdings waren es bei weitem nicht meine allein: Die Konzipierung, Gründung und eindrucksvolle Entwicklung des psychosozialen Zentrums ESRA. Die Tatsache, dass das neue Maimonides Zentrum schließlich doch nicht ein reiner „Zweckbau" wurde, sondern dass Fachleute an der Innengestaltung mitarbeiten konnten. Das Böhmer-Laufer Psychosoziale Praktikum im Heim, in dessen Rahmen ganz viele BewohnerInnen zusätzlich zum normalen Pflegealltag einzeln oder in Gruppen von angehenden PsychotherapeutInnen betreut werden. Die Einführung von moderierten Workshops im Rahmen der Sozialkommission, wo die Arbeit der Kommission analysiert und zum Wohl der Klientinnen und Klienten verbessert werden soll (ich bin ziemlich sicher, dass das nur hier passiert).

DAVID: Wie wünschen Sie sich die Zukunft der IKG Wien?

Wir wünschen uns für die IKG einerseits die wirtschaftliche Absicherung für die Zukunft, und andererseits ein Besinnen auf die moralischen und ethischen Werte des Judentums. Die Strukturen der IKG müssen den heutigen Gegebenheiten angepasst werden, diese kann heute nicht immer noch so geführt werden, wie in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Alle Gemeindemitglieder haben ein Recht auf Einbindung, Transparenz, Solidarität und Respekt. Wir wünschen uns wieder ein Gefühl des Miteinander, des Füreinander-Stehens.

DAVID: Frau Kahane, vielen Dank für das Gespräch!

  

Informationen: www.initiative-respekt.org;
www. facebook.com/IKG.Respekt