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Maria Theresia und die Juden

Karl VOCELKA

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Das Verhältnis der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Herrscher zu ihren jüdischen Untertanen war stets ambivalent. Einerseits brauchte man die Juden als Kreditgeber bzw. Vermittler von Geldgeschäften sowie als wichtigen Steuerfaktor. Andererseits hegten die katholischen Habsburger starke religiöse Vorurteile gegen sie, wobei der Vorstellung über ihre „falsche" Religion auch die Idee zugrunde lag, sie wären für den Tod Christi verantwortlich.

Maria Theresia, die oft als Herrscherin der Aufklärung stilisiert wurde und noch immer wird, brachte in den konfessionellen Fragen - auch gegenüber Protestanten, die sie nach Ungarn aussiedelte - dem aufgeklärten Gedanken der Toleranz keineswegs Sympathien entgegen. Gerade bei diesem Thema blieb sie eine Katholikin der Voraufklärung. Eine besonders intolerante Haltung zeigte sie dabei gegenüber der jüdischen Bevölkerung, deren Zahl sie „zu vermindern, keinesweg mehr zu vermehren" suchte. Schon 1742 hatte ein Dekret Maria Theresias von den mährischen Juden eine Summe von 50.000 Gulden Rheinisch verlangt und ihnen bei Nichtbezahlung angedroht, sie von Soldaten plündern und niedermetzeln zu lassen. Durch sein hohes Ansehen gelang es jedoch dem Landesrabbiner Berusch Eskeles, bei den Behörden zu intervenieren und die Aufhebung des Edikts zu erwirken. 

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„Kaiserin“ Maria Theresia in Trauerkleidung. Öl/LW, Österreichísches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, mit freundlicher Genehmigung.

Einen Höhepunkt erlebte der Antijudaismus im Jahre 1744, als die Monarchin am 22. Dezember den Befehl gab, dass alle Juden bis Ende Jänner 1745 Prag und bis zum Juni desselben Jahres auch Böhmen verlassen mussten - es sollte „künftighin kein Jud mehr in Unserem Erbkönigreich Böheimb geduldet" werden. Neben der allgemeinen Abneigung Maria Theresias gegen die Juden verdächtigte sie diese nach der Niederlage gegen Preussen der Spionage - womit sie auf ein altes Argument der Herrscher gegen die jüdischen Untertanen zurückgriff. Bei bitterer Kälte mussten die Familien samt Kindern und Kranken Prag räumen, insgesamt waren das etwa 20.000 Menschen. Sie suchten in den Städten der Umgebung Unterschlupf, zahlten entweder horrende Mieten oder lebten in Ställen und Scheunen. Interventionen, nicht nur von den „liberalen" Niederlanden, sondern sogar vom Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches, dem Erzbischof von Mainz, verhallten ungehört. Doch auch die Prager Behörden versuchten die Juden soweit wie möglich zu schützen und konterkarierten in vielerlei Weise die Anordnungen ihrer Königin. Die Adeligen Böhmens, die wirtschaftlich auf die jüdischen Händler angewiesen waren, machten ebenfalls auf die durch deren Vertreibung unvermeidlichen Verluste aufmerksam. Ein weiteres Argument für die böhmischen Stände war die Einbusse von Steuern - die Juden zahlten etwa 2,2 Prozent der böhmischen Abgaben - und dazu noch eine jährliche Sonderzahlung von 12.000 Gulden! Der Konflikt der Stände mit Maria Theresia bezüglich der Ausweisung der jüdischen Einwohner hatte neben den wirtschaftlichen aber auch machtpolitische Gründe. - Vom Gedankengut der Aufklärung und der Toleranz war dabei kaum die Rede.

Da sich die schnelle Ausweisung der Juden aus Böhmen als undurchführbar erwies, gestattete ihnen Maria Theresia im Mai 1745 vorläufig unbefristet im Land zu bleiben. Doch die Milde täuschte, denn 1745 wurde die Angelegenheit den militärischen Oberbefehlshabern übergeben, welche die jüdische Bevölkerung zwangen, die Orte rund um Prag zu verlassen und weiterzuziehen. Erst 1748 erfolgte ein Umschwung, den Prager Juden wurde gestattet - selbstverständlich gegen entsprechende finanzielle Leistungen - wieder ins Prager Ghetto zurückzukehren, das sie geplündert und teilweise verfallen vorfanden.

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Maria Theresia verpflichtet Verheiratete und Witwer, als Erkennungszeichen einen Bart zu tragen. Wiener Judenordnung vom 5. Mai 1764, § 26; AT-OeStA/FHKA SUS Patente 148.09 Judenordnung für Wien, 1764.05.05, Österreichisches Staatsarchiv, mit freundlicher Genehmigung.

Die Judenordnungen Maria Theresias von 1753 und 1764 brachten weitere diskriminierende Einschränkungen für die Juden, in Böhmen mussten die unverheirateten jüdischen Männer und Frauen ein gelbes Rechteck an der Kleidung tragen, das sie sofort erkennbar machte - in vielen anderen Ländern hatten solche Massnahmen zwar auch bestanden, waren aber schon lange abgeschafft. Diese Judenordnungen enthielten noch eine Reihe anderer Schikanen, so waren zum Beispiel Juden verpflichtet, einen Bart zu tragen; sollten sie sich rasieren, mussten sie 24 Taler Strafe zahlen oder wurden „am Leibe gestrafet", im Wiederholungsfalle drohte ihnen sogar die Landesverweisung. Die Lage der jüdischen Bevölkerung blieb also während der gesamten Regierungszeit der zu ihren Lebzeiten ebenso wie in der Erinnerungskultur gefeierten Herrscherin schlimm. Erst ihr Sohn Joseph, der im Gegensatz zu seiner Mutter stark von den Gedanken der Aufklärung durchdrungen war, sollte den Juden zu einem ersten Schritt der Emanzipation verhelfen.

Unter Maria Theresia trat auch eine andere Frage, die in Zusammenhang mit den Juden der Monarchie stand, erstmals in Erscheinung. In Folge der ersten Teilung Polens 1772, zwischen Russland und Preussen, bekam die Habsburgermonarchie ein Territorium als Kompensation für die Machtveränderung im Nordosten: Südpolen und die Westukraine wurden zum Kronland Galizien und Lodomerien. 

In diesen neu erworbenen Gebi-eten lebten neben Polen, Ukrainern und anderen kleineren Ethnien auch einige hunderttausend Juden. Für Maria Theresia scheint eine eindimensionale Herrschaft des Katholizismus vor allem in den sogenannten böhmisch-österreichischen Kernländern der Monarchie entscheidend gewesen zu sein. Schon das Königreich der Heiligen Stephanskrone, also Ungarn, war multikonfessionell, auch eine katholische Konfessionalisierung der Neuerwerbungen Galizien-Lodomerien und dann drei Jahre später der Bukowina lag im 18. Jahrhundert ausserhalb der Möglichkeiten des Staates.

Ein Grossteil dieser Bevölkerung mosaischen Glaubens, die nun unter die Herrschaft Maria Theresias kam, besass noch keine festen Familiennamen und wurde daher dazu gezwungen unveränderliche Namen anzunehmen. Die von der Herrscherin zur Zuteilung entsandten Beamten waren nicht sehr judenfreundlich, die Namensgebung erfolgte je nach Bezahlung (Bestechung). Für wohlhabende Juden waren das Namen wie Diamant, Saphir, Rubinstein oder Goldmark, die weniger Betuchten erhielten oft Farbnamen (Grün, Blau, Roth) oder Pflanzennamen wie Rosenzweig oder Feldblum, und bei den noch ärmeren fanden sich in der Folge nicht selten wirklich diskriminierende Namen. Durch sie waren Juden „erkennbar", was dann im Zeitalter des radikalen Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts zur Ausgrenzung beitrug.

Die Politik Maria Theresias gegenüber der jüdischen Bevölkerung stellt, wie auch die gegenüber anderen Nicht-Katholiken, zweifellos einen dunklen Punkt in dem oft sehr positiv gezeichneten Bild der Herrscherin dar, der häufig auch ganz ausgeblendet wird.

Nachlese:

Elfriede Iby, Martin Mutschlechner, 

Werner Telesko, Karl Vocelka (Hrsg.): 

MARIA THERESIA 1717-1780. Strategin - Mutter - Reformerin. (Ausstellungskatalog)

ca. 352 Seiten, 

Preis: ca. € A/D 34,00; 

ca. CHF 42,90
ISBN 978-3-99050-075-0

Veranstaltungshinweise:

„300 JAHRE MARIA THERESIA. Strategin - Mutter - Reformerin", 15. 03. 2017 - 29. 11. 2017,  Grosse Jubiläumsausstellung anlässlich des 300. Geburtstages von „Kaiserin" Maria Theresia (1717-1780), Standorte: Schloss Hof: „Bündnisse und Feindschaften", Schloss Niederweiden: „Modernisierung und Reformen", Kaiserliche Wagenburg Wien (Schönbrunn): „Frauenpower und Lebensfreude", Hofmobiliendepot Möbelmuseum Wien: „Familie und Vermächtnis". 

Kombiticket: Erwachsene 29,00 €, Kinder (6-18) 16,00 €. Einzeltickets, Öffnungszeiten, weitere Informatio-nen: http://www.mariatheresia2017.at/