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PESSACH UND OSTERN

Ferdinand DEXINGER

PESSACH UND OSTERN

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Zu den jüdischen Wurzeln des christlichen Pascha

Ferdinand DEXINGER

Das jüdische Pessach-Fest und das christliche Pascha-Fest (die griechische Sprachform leitet sich aus dem aramäischen Wort ab und ist in den griechischsprachigen christlichen Schriften ebenso wie schon in der Septuaginta üblich) haben in der Bibel ihre gemeinsame Wurzel.

Die grundlegenden formalen und inhaltlichen Gemeinsamkeiten, die dabei keineswegs völlig verloren gingen, sind freilich für den heutigen Betrachter nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar.
Zum Zeitpunkt, da die christliche Feier des Pascha im Entstehen begriffen war, hatte das biblische Pessachfest bereits eine lange Entwicklung hinter sich. Wenn man der Verankerung des christlichen Pascha im jüdischen Pessach nachgeht wird man auf einzelne Festgedanken von Pessach in neutestamentlicher Zeit aufmerksam, die sonst nicht solche Beachtung finden. Bekanntlich sind schon in der hebräischen Bibel selbst zwei zunächst unabhängig von einander bestehende Festelemente verschmolzen worden: Die Schlachtung der Lämmer, Pessach, als Ritual von Kleintierzüchtern und das dem Leben von Ackerbauern entstammende Fest der ungesäuerten Brote, das Mazzot-Fest.
Wenn man das heutige jüdische Pessach mit dem aus der biblischen Zeit stammenden Elementen vergleicht, so ist neben nicht unwichtigen Unterschieden doch substanzielle Identität festzustellen. Im Neuen Testament wird keine genaue Beschreibung des Ablaufes eines Pessachmahles gegeben, sondern als bekannt vorausgesetzt. Die im Traktat Pessachim (10,1-8) der Mischna, deren Redaktion um das Jahr 200 n.Chr. abgeschlossen ist, enthaltene Mahlordnung dürfte allerdings im wesentlichen mit der im Neuen Testament vorausgesetzten identisch sein: 4 Becher Wein mit je einem deutenden Segensspruch (Beracha):
Auch der Ärmste in Israel esse nicht anders als liegend, und man reiche ihm nicht weniger als vier Becher Wein. (mPes 10,1).
Beim zweiten Becher angelangt, folgt das Gedächtnis an den Auszug aus Ägypten:
... und nun richtet das Kind an seinen Vater folgende Fragen, die ihm, ... vom Vater eingeübt werden: Was ist diese Nacht anders, als alle Nächte,....? (mPes 10,4)
Ziel dieser Unterweisung ist die kultische Aktualisierung des Geschehens:

Von Geschlecht zu Geschlecht ist jedermann verpflichtet, sich so anzusehen, als ob er selbst aus
Ägypten ausgezogen wäre. (mPes 10,5).
Darauf folgt das sogenannte Hallel, d.h. die Rezitation der Psalmen 113-118 und der dritte und vierte Becher. Der Situation nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 trägt das von der Mischna überlieferte Gebet des Rabbi Akiba (gest. 137 n.Chr.) Rechnung:
So lasse uns, Herr, unser Gott, noch andere Feste und Feiertage erleben, ..., beglückt durch den Wiederaufbau deiner Stadt ... (mPes 10,6).
Damit wird im 2.Jh. n.Chr. die Hoffnung auf die messianische Zeit in die Festgedanken von Pessach aufgenommen.
Aus diesen Elementen allein lässt sich die Entwicklung des schon im NT grundgelegten christlichen Verständnisses des Todes Jesu nicht erklären. Vielmehr gilt es zusätzliches, im jüdisch-religiösen Denken vorgegebenes Material der nachbiblischen, sogenannten zwischentestamentlichen Zeit zu beachten, dessen Wirkungsgeschichte im Christentum nachhaltiger als im rabbinischen Judentum war. Es geht dabei weniger um einzelne Elemente des Rituals als um gedankliche Inhalte des Festes, die es erlaubten, den menschlichen Tod Jesu in theologische Beziehung zum Pessachfest zu bringen. Konkret handelt es sich dabei um etwa folgende Themen: Das Osterlamm als Sühnopfer, die Symbolik der Opferung Isaaks, der Ort des Pessachmahles, der Gedächtnischarakter der Pessachfeier sowie der Charakter des Mazzotfestes.
Für die spätere Entwicklung wichtig ist, dass nach dem aus der Exilszeit stammenden Text bei Ezechiel (45,21f) der Tierschlachtung am Pessachfest Sühnewirkung zukommt:
45:21 Am vierzehnten Tag des ersten Monats sollt ihr das Pascha feiern, ein Fest von sieben Tagen. Da soll man ungesäuerte Brote essen. 45:22 Der Fürst soll an diesem Tag für sich und für das ganze Volk im Land einen Stier zum Sühnopfer bereitstellen.
Der in Ez 45,21 mit dem Pessach-Opfer verbundene Sühnegedanke kommt dann am Ende des 2.Jh.v.Chr im außerbiblischen Jubiläenbuch (49,15) ganz praktisch zum Ausdruck :
Es (sc.das Pascha) dient als ein dem Herrn wohlgefälliges Gedächtnis; in diesem Jahr kommt dann keine Plage über sie ... wenn sie das Pascha zur rechten Zeit (sc. nach dem im Jubiläenbuch geforderten Sonnenkalender) ganz nach seinem Gebot halten.
In der aus Qumran stammenden Tempelrolle wird auch das Mazzotfest mit dem Sühnegedanken in Verbindung gebracht:
... und einen Ziegenbock für das Sühnopfer, sowie deren Speiseopfer.... (1Q19 XVII,14).
Von besonderer Wichtigkeit ist es, dass einer Kombination von Stellen des Jubiläenbuches (Jub 17,15; 18,3.18f) zufolge, Isaaks Opferung am Tag des Pessachfestes erfolgt ist. Nach einer allerdings viel jüngeren, im babylonischen Talmud (bRH 11a) enthaltenen Tradition, wurde Isaak sogar am ersten Tag von Pessach geboren.
Der Tod Jesu steht, abstrakt gesprochen, in keinem direkten religiösen Zusammenhang mit dem Pessachfest. Es war eher die Angst der Behörden vor Ausschreitungen anläßlich des Festes, die zu den bekannten Ereignissen führten. Allerdings wird bereits durch die Deutung, die in den Evangelien dem Letzten Abendmahl gegeben wird, das gesamte Geschehen auf den Sinngehalt des jüdischen Festes bezogen. Im Neuen Testament gilt die Feier des jüdischen Pessachfestes durch Jesus und seine Jünger als selbstverständlich.
In dieser Periode der jüdischen Religion ist der Sinngehalt des Festes nicht mehr einfach identisch mit seiner biblischen Bedeutung, sondern war, vor allem auf dem Weg allegorischer Schriftinterpretation, auch um die eben beschriebenen Sinnbezüge erweitert worden, die für das christliche Verständnis der Pascha-Feier wichtig wurde.
Nach der Darstellung der Synoptiker war das Letzte Abendmahl ein Pessachmahl. Demnach müsste dann die Kreuzigung Jesu am Pessachfest selbst erfolgt sein, was problematisch erscheint. Das steht überdies in Spannung zum Johannesevangelium, bei dem das Letzte Abendmahl kein Pessachmahl sein kann, weil es vor dem Rüsttag stattfand. Wie dem auch immer sei, von diesem Mahl stammen Wein und Brot als Bestandteil jeder christlichen Abendmahlsfeier und sind Zeugen für die jüdischen Wurzeln des christlichen Gottesdienstes. Es geht aber nicht nur vordergründig um diese Elemente des Letzten Abendmahles, sondern um den theologischen Bezug des Leidens Jesu zum Pessachfest, der im Johannesevangelium besonders klar zum Ausdruck kommt. Dort wird nämlich ausdrücklich festgestellt, dass Jesus am Vortag des Pessachfestes gekreuzigt wurde: (19,14) Es war am Rüsttag des Pessachfestes.
Daraus ergibt sich im Unterschied zu den Synoptikern, dass Jesus starb, als die Osterlämmer am Tempel geschlachtet wurden. Es ist offenkundig, dass durch diese unhistorische Darstellung der Tod Jesu bereits ganz bewusst mit der Theologie des jüdischen Pessachopfers verbunden wurde. Dem entspricht auch die bei Johannes (1,36) überlieferte Aussage von Johannes d. Täufer: (1,36) Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes!
Das deckt sich auch mit Aussagen in 1Petr (1,18f):
1:18 ...nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft..., nicht um Silber oder Gold, 1:19 sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel.
und einer Stelle im ersten Brief an die Korinther (5,7f):
5:7 Schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr neuer Teig seid. Ihr seid ja schon ungesäuertes Brot; denn als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden.
5:8 Lasst uns also das Fest nicht mit dem alten Sauerteig feiern, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit.
Der Tod Jesu wird, was ganz wesentlich ist, schon im NT auf dem Hintergrund von Pessach als Sühnopfer verstanden. Dabei kommt schon sehr früh die Typologie des Isaak-Opfers zum Tragen. Wird Isaak im Jubiläenbuch mit Pessach in Verbindung gebracht, so ist nicht verwunderlich, dass im nicht zum Neuen Testament gehörigen Barnabasbrief (7,3) Isaak sogar als Typos Jesu erscheint:
Er selbst wurde um unserer Sünden willen das Werkzeug des Geistes, ein Opfer darzubringen, damit auch der Typos zu dem Isaak, der sich dem Opferaltar näherte, geworden war, erfülle.
Obwohl Isaak tatsächlich nicht geopfert wurde, erachten ntl. Schriften wie der Hebräer-und Jakobusbrief die Bereitschaft des Abraham als gleichwertig mit dem vollzogenen Opfer:
Wurde unser Vater Abraham nicht aufgrund seiner Werke als gerecht anerkannt? Denn er hat seinen Sohn Isaak als Opfer auf den Altar gelegt.
(Jak 2:21)
Die Glaubenshaltung des Abraham wird im auf Judenchristen zurückgehenden Hebräerbrief betont:
Aufgrund des Glaubens brachte Abraham den Isaak dar, als er auf die Probe gestellt wurde, und gab den einzigen Sohn dahin, er, der die Verheißungen empfangen hatte. Hebr 11:17
In ganz ähnlicher Weise wird im Babylonischen Talmud (bTaan 16a) zum Ausdruck gebracht, dass Gott das Isaakopfer als vollzogen erachtete.
Die jüdischen Wurzeln des Osterfestes sind einerseits formal-ritueller Natur liegen anderseits aber dort, wo der Tod Jesu vom Typos des Pessachlammes her schon im NT seine theologische Deutung erfuhr. Zunächst feierte die Gemeinde von Jerusalem das Pascha weiterhin zum selben Termin wie die Juden und beteiligte sich auch noch an der Schlachtung der Pessachlämmer. Das ergibt sich aus einem kurzen Text bei Justin d. Märtyrer (gest. ca. 150 n.Chr. in Nablus), der die christliche Deutung des realen Osterlammes wiedergibt:
Dieses Osterlamm ist unser Erlöser und unsere Zuflucht (Dial 72,1)
Man hielt auch an den Einzelheiten des jüdischen Pessach-Ritus, wie dem Essen der ungesäuerten Brote (vgl. oben 1Kor 5,8) und dem Gedenken an den Auszug aus Ägypten fest. Pessach wurde einerseits mit Leiden und Tod Jesu in Verbindung gebracht. Anderseits wurde gleichsam in Weiterführung der schon von R. Akiba für die Pessachfeier artikulierten jüdischen Hoffnung auf das Kommen der messianischen Zeit, mit der christlichen Paschafeier die Hoffnung auf die Wiederkunft Christi, der Parusie, verbunden.