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Die Vereinigung jiddischer Polizisten

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Köln: Kiepenheuer & Witsch 2008.

422 Seiten, Euro 20,60.-

ISBN 978-3-462-03972-6

 

Im Jahr 1940 ventilierte der amerikanische Innenminister Harold Ickes aus der Regierung des Präsidenten Roosevelt den Plan, jüdische Flüchtlinge aus Europa für einen bestimmten Zeitraum auf dem damaligen Territorium von Alaska anzusiedeln, um sie nach dem Krieg wieder zurückkehren zu lassen. Es gab einen entsprechenden Antrag im amerikanischen Kongress, der allerdings keine Mehrheit fand und so geriet dieser Vorschlag in die Akten und später in Vergessenheit.

Der amerikanische Autor Michael Chabon, 45 Jahr alt und Pulitzer-Preisträger geht nun in seinem neuen Roman „Die Vereinigung jiddischer Polizisten" der immer wieder die Literatur faszinierenden Frage nach, was wäre gewesen, wenn dieser Vorschlag eine Mehrheit gefunden und dann auch Realität geworden wäre. Er verlegt den jüdischen Staat nach Alaska und macht ihn zum Schauspiel eines Kriminalromans. Chabons fabelhafter Trick besteht darin, dass er diese hybride, jüdisch-subpolare Welt bis in das kleinste Detail so ausgestaltet, so überzeugend, dass einem beim Lesen alles völlig realistisch erscheint. Ein Roman ist so entstanden über eine Welt, in der es außer dem Exil keine Option gibt.

Irgendwann habe er in einer Fußnote davon gelesen, die Idee habe ihn begeistert, erzählt Chabon in einem Interview. Dazu kam, dass ihm etwa zur gleichen Zeit ein Sprachführer aus dem Jahr 1958 in die Hände fiel mit dem Titel „Say it in Yiddish". Er fand das Buch amüsant, es hat ihn nicht mehr losgelassen. Weil es ja implizierte, dass es einen Ort gibt, an dem man es benutzen kann, wenn zum Beispiel das Auto kaputtgeht und man mit einem Mechaniker verhandeln muss. Er schrieb einen Essay über diesen Ort, griff die Ickes'sche Idee dazu auf und irgendwann, so berichtet er, war er bereit für einen Roman.

Der liegt nun in deutscher Übersetzung vor. Ein wunderbarer Kriminalroman, der vielleicht nicht ganz zufällig 60 Jahre nach der Gründung des Staates Israel erscheint. In dem schon erwähnten fiktiven Staat in Alaska wird eines Tages in einem Hotel in der Stadt ein ehemaliges Wunderkind des Schachs tot aufgefunden. Kriminalkommissar Meyer Landsman geht sofort der Frage nach, wer der Mörder dieses Talents sein könnte. Bald schon stoßen Meyer Landsman und sein Kollege auf den Vater des Toten, den angesehenen Rabbi Heskel Shpilman, ein dicker, beeindruckender Mann. Den allerdings überrascht die Nachricht vom Tod seines Sohnes überhaupt, nicht. Er erzählt den staunenden Polizisten, dass er schon vor Jahren seinen Sohn für tot erklärt, den Kaddisch über ihn gesprochen und dann aus seiner Erinnerung getilgt habe, weil dieser auf die schiefe Bahn geraten sei.

Die Ermittlungen komplizieren sich. Von oben bekommt Meyer Landsman Schwierigkeiten, er wird suspendiert. Das hindert ihn aber nicht, seine abenteuerlichen Ermittlungen fortzusetzen. Dabei führt Chabon den gespannten und zunehmend begeisterten Leser von einer Überraschung zur nächsten. Da begegnen wir jüdischen Religionsfanatikern mit politischen Absichten und noch vielen anderen seltsamen Figuren. Das ganze Buch ist voll von hintergründigen Einzelheiten und vielen Anspielungen auf die jüdische Religion, ihre Geschichte und ihre Traditionen.

Dabei ist die eigentliche Kriminalgeschichte, wie schon am Anfang gesagt, eingebettet in die fiktive Geschichte eines imaginierten jüdischen Staates in Alaska. Verschiedene Befreiungs- und Erlösungstheorien wechseln sich ab mit kriminellen und politischen Machenschaften.

Die Lektüre dieses oft skurrilen Romans macht enorm viel Spaß, auch wenn man sagen muss, dass es schon einige Zeit braucht, um in die Geschichte hineinzukommen.