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Bosel und Castiglioni

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Georg Ransmayr: Der arme Trillionär. Aufstieg und Untergang des Inflationskönigs Sigmund Bosel. Wien, Graz, Klagenfurt: Styria Premium Verlag 2016. 320 Seiten, Euro 24.90

ISBN 978-3-222-13535-4  

Reinhard Schlüter: Der Haifisch. Aufstieg und Fall des Camillo Castiglioni. Wien: Zsolnay Verlag 2015. 335 Seiten, Euro 25.60. ISBN 978-3-552-04741-8

Der Fernsehjournalist Georg Ransmayr hat für den ORF eine Dokumentation über Sigmund Bosel gedreht und für diesen auch dessen in New York lebende Tochter Julie Marks interviewt. Bosel, dem Sohn eines Handelsvertreters aus einer traditionellen jüdischen Familie in der Brigittenau, der 1908 als Lehrling im Textilwarengeschäft König & Goldner begann, gelang in der Zwischenkriegszeit eine sensationelle Karriere.  

Im Ersten Weltkrieg kam er als Heereslieferant zu Wohlstand; er unterstützte die Wiener Polizei mit Kleidung und Lebensmittel und wurde 1923 als Präsident der Unionbank der reichste Österreicher. Bosel finanzierte die Tageszeitung „Der Tag", die von 1922 bis 1930 erschien, wurde ein Mäzen der Universität Wien, wurde Haupteigentümer von Gerngroß und erwarb den Mehrheitsanteil der „Neuen Freien Presse".

Fehlspekulationen rund um die Postsparkasse führten zu seinem Abstieg. Bosel wurde 1935

wegen Betrugs angeklagt und es kam zu einer Reihe von Prozessen. Er plante die Übersiedlung nach Paris und fuhr 1938 in einer Fehleinschätzung der Lage noch einmal nach Wien zurück. Die beiden Kinder lebten bereits in einem Schweizer Internat¸ der Sohn Alfons starb 1973 kinderlos in England. Ihre Mutter Ilona Schulz starb 1948 an Krebs. Ihre Cousine war Martha Genée, die Mutter des Autors und Arztes Pierre Genée, mit der Ransmayr noch sprechen konnte. Bosel wurde 1942 vom SS Hauptsturmführer Alois Brunner im Deportationszug nach Riga erschossen. 

Ein vergleichbarer Aufstieg gelang in der Zwischenkriegszeit auch Camillo Castiglioni. Der Sohn eines Rabbiners in Triest trat nach dem Tod seines Vaters zum Christentum über. Er behielt die italienische Staatsbürgerschaft; sein Bruder Arturo war ein bekannter Medizinhistoriker.

Castiglioni wurde Eigentümer von Auto- und Flugzeugfirmen, Präsident der Allgemeinen Depositenbank und ein Mäzen von Max Reinhardt.

Bosel und Castiglioni finanzierten auch die von Imre Békessy herausgegebene Boulevardzeitung „Die Stunde". 1923 veröffentlicht Karl Kraus die gegen beide gerichtete Polemik „Metaphysik der Haifische".

Auch Castiglionis Abstieg begann mit Fehlspekulationen. Vor den Nationalsozialisten konnte er in die Schweiz und nach Italien flüchten, wo er in einem Kloster überlebte. Er starb 1957 in Rom.

Der in Bayern lebende Journalist Reinhard Schlüter hat nach dem Buch des österreichischen Wirtschaftshistorikers Dieter Stiefel 2012 eine weitere Biographie Castiglionis vorgelegt.  Einen Schwerpunkt legt die Darstellung Schlüters, der mit den Anmerkungen sehr sparsam umgeht, auf die geschäftlichen Aktivitäten Castiglionis. 

Unverständlich ist, warum er über Siegmund (!) Bosel schreibt, dass man über seine Abstammung nichts Näheres weiß.