Ausgabe

Die Erinnerung am Leben erhalten

Inhalt

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Takis Würger: Noah. Von einem, der überlebte.
Mit Nachworten von Takis Würger, Alice Klieger, Sharon Kangisser Cohen1
München: Penguin Verlag 2021
188 Seiten, Hardcover, Leinen, 20,60 Euro
ISBN: 978-3-328-6017-8
Noah Klieger wurde als Norbert Klieger am 31. Juli 1925 in Strassburg als Sohn des französischen Journalisten Bernard Klieger geboren. Seine Eltern stammten aus Polen und lebten in Nürnberg, von wo sie Mitte der 1930er Jahre aus Angst vor dem Nationalsozialismus nach Belgien flohen. Noah Klieger war dreizehn Jahre alt, als er sich während der deutschen Besatzung Belgiens einer jüdischen Untergrundorganisation anschloss, die mit Hilfe der Résistance jüdische Kinder in die Schweiz schmuggelte. 1941 wurde Noah Klieger von der Gestapo verhaftet und in das SS-Sammellager Mechelen transportiert, von wo er ins KZ Auschwitz deportiert wurde. Im Lager lernte er Victor Young Perez kennen, der 1931 Boxweltmeister im Fliegengewicht geworden war. „Er stammte aus Tunesien und hatte in Frankreich geboxt. Noah hatte als Kind die Übertragungen seiner Kämpfe im Radio gehört. Perez war sein Idol, ein Jude, dem die Massen zujubelten.“ (S. 34) Noah begann mit Jacko zu trainieren und als Heinrich Schwarz, der vom Boxsport begeisterte Kommandant des KZ Auschwitz III Monowitz, von den Aktivitäten erfuhr, stellte Schwarz für sich und seine Wachen unter den Häftlingen eine Box-Mannschaft auf, zu der Noah gehörte. Beim Herannahen der sowjetischen Truppen wurde er auf einen der Todesmärsche ins KZ Ravensbrück geschickt, wo er von der Roten Armee befreit wurde. „Noah ging den Soldaten entgegen. Auf ihren Mützen war vorn ein roter Stern. Die Uniformen sahen anders aus, als er sie kannte. Einer der Soldaten sagte auf Deutsch: «Freunde, ihr seid frei. Wir sind die Rote Armee.»“ (S. 77) Noah überlebte, doch Victor Young Perez wurde auf einem der Todesmärsche am 22. Jänner 1945 erschossen.
In Brüssel traf Noah per Zufall seine Eltern, die Auschwitz überlebt hatten, in einem Bus. Noah Klieger emigrierte 1947 als illegaler Einwanderer auf dem Schiff Exodus nach Palästina, wo er seine Karriere als Sportjournalist begann. Noah Klieger starb am 13. Dezember 2018 in Tel Aviv.
In ihrem Nachwort schreibt Noah Kliegers Nichte Alice Klieger: „Die Erinnerung an Noah am Leben zu erhalten ist für mich von grösster Bedeutung, da seine Geschichte Teil meiner Geschichte ist. (...) Die Erinnerung nicht am Leben zu erhalten, bedeutet, die Wahrheit über das, was wirklich passiert ist, zu vergessen. Die Zeit kann nicht alle Wunden heilen, der Schmerz kann nachlassen, aber er wird niemals verschwinden.“ (S. 164)

Zu den VerfasserInnen
Takis Würger, 1985 geboren, lernte an der Henri-Nannen-Journalistenschule das Schreiben und studierte Ideengeschichte in Cambridge. 2017 erschien sein Debütroman Der Club, der mit dem Debütpreis der lit.Cologne ausgezeichnet wurde und für den aspekte-Literaturpreis nominiert war. 2019 erschien sein Roman Stella. Takis Würger arbeitet als Redakteur für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und lebt in Berlin.
Alice Klieger, 1967 geboren, ist Noah Kliegers Nichte und hat ihn auf vielen seiner Reisen begleitet, auf denen er als Zeitzeuge von Auschwitz berichtete. Sie ist Noah Kliegers letzte Blutsverwandte. Ihr Vater war Noahs Bruder Julius Klieger, der Strassburg als Kind verliess, um auf einer Jeschivah in England zu lernen. 
Sharon Kangisser Cohen ist Herausgeberin der Zeitschrift Yad Vashem Studies und Leiterin des Eli and Diana Zborowski Centre for the Study of the Aftermath of the Holocaust am Internationalen Institut für Holocauststudien in Yad Vashem. Sie ist ehemalige wissenschaftliche Leiterin der Abteilung für Oral History des Avraham Institute of Contemporary Jewry an der Hebräischen Universität Jerusalem, wo sie auch Vorlesungen über Holocaust-Studien hält. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit den Nachkriegserfahrungen von Holocaust-Überlebenden, insbesondere mit Zeugnissen und Berichten von Überlebenden. 
Sharon Kangisser Cohens Nachwort wurde von Stephanie Singh ins Deutsche übersetzt.

Monika Kaczek