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Wer einmal war

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Georg Gaugusch: Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum 1800-1938, A-K. Zugleich Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft „Adler" - Wien, Dritte Folge, Band 16.

Amalthea Signum Verlag: Wien 2011

1650 Seiten, € 128,00.-

ISBN 978-3-85002-750-2

„Ist es möglich, eine Gesellschaftsschicht zu rekonstruieren?" stellt der Autor einleitend die Frage. In der beinahe unüberschaubaren Flut an Publikationen zum Thema Judentum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges werden wohl auch Einzelpersonen, seltener schon Familien ausführlicher behandelt, ihr Umfeld oft nur angedeutet. Der Ansatz des naturwissenschaftlich geschulten Autors des vorliegenden Bandes lautet: durch genealogisches Aufarbeiten der bedeutendsten jüdischen Familien Mitteleuropas die einzelnen Personen in ihrer Einbettung in Familie und Verschwägerung zu zeigen. Solcherart wird eine Gesellschaftsschicht sicht- und greifbar, ihre Einordnung in die Gesamtgesellschaft mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen möglich. Dies führt zu der Frage: Wer ist jüdisch?  Eine immer wieder gestellte Frage, die vom jeweiligen Bearbeiter nur individuell beantwortet werden kann. Hier definiert der Autor: „... deren Mitglieder im Zeitraum von 1800 bis 1890 überwiegend der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört haben".

Klug und pragmatisch auch die Kriterien, welche Familien aufgenommen wurden. Hier sind neben Religionszugehörigkeit eine Mindestverschwägerung untereinander und das Erreichen einer gewissen Bedeutung (wie wirtschaftlich, künstlerisch oder wissenschaftlich) im öffentlichen Leben ausschlaggebend. Die unterschiedlichen historischen Ausgangspositionen (z. B. das in Böhmen, Mähren und Schlesien gültige Familiantensystem, das starke Auswanderungen etwa nach Ungarn, wo es diese Beschränkung nicht gab, zur Folge hatte) und die dadurch unterschiedlichen Quellenbestände (soweit diese erhalten sind) führten den Autor oft auch auf Friedhöfe nicht nur in Mitteleuropa, sondern auch in West- und Südeuropa, wo Grabsteine als letzte erhaltene Quellen ausgewertet wurden. 

Den einzelnen Familien - Abeles bis Kürschner - ist eine kurze Einleitung vorangestellt, dann folgt jeweils genealogisch korrekt die Darstellung der einzelnen Familienmitglieder mit den zur Verfügung stehenden Daten - bis hin zur Nennung von Trauzeugen, sind diese doch aussagekräftige „Vernetzungshinweise". Der vorliegende Band I enthält rd. 250 Familien. Im Vorspann sind die Quellen (benutzte Archive, Institute und Friedhöfe sowie über Internet - hauptsächlich Zeitungen - ausgewertete Adressen) angeführt, am Ende des Buches findet sich das 33 Seiten starke Literaturverzeichnis. Diese Register stellen eine sehr wertvolle Übersicht über die derzeit ansprechbaren einschlägigen Bestände dar.

Unglaublich erscheint die Durcharbeit dieses enormen Materials, das zu einem Werk führte (auf einzelne Ungereimtheiten bei dieser Datenfülle hinzuweisen wäre  unbillig), für welches auf einen 37.000 Personen umfassenden Namenindex - auch auf der Homepage der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft „Adler" - zugegriffen werden kann. Mit Spannung erwarten wir den zweiten Band, der in zwei Jahren folgen soll. In ihm wird ein kompletter Namenindex enthalten sein.