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30 Jahre Beth Hatefutsoth

Felice Naomi WONNENBERG

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Beth Hatefutsoth– eines der drei nationalen Museen des Staates Israel hat Geburtstag: Genau halb so alt wie der jüdische Staat, präsentiert es seit dreißig Jahren jüdische Kultur und Geschichte der letzten 3000 Jahre. Jetzt zeigt es sich neu gestaltet und mit drei neuen Wechselausstellungen zum Jubiläum.

Das Museum, situiert auf dem Campus der Tel Aviver Universität, wurde am Israelischen Unabhängigkeitstag 1978 eröffnet. Konzipiert von Shayke Weinberg und Abba Kovner galt es als museologisch höchst innovatives und hochmodernes Museum. Nachdem die Institution die finanziellen Krisen der letzten Jahren mit Hilfe großzügiger privater Spenden überwunden hat, zeigt sich das Museum nun zur Jubiläumsfeier am 20. November 2008 mit neuem Gesicht. Das gesamte Erdgeschoss wurde komplett neu und modern gestaltet; ein neuer Gebäudeflügel wird pünktlich zum Jubiläum eröffnet und mit drei neuen Wechselausstellungen bespielt. Eine dieser Wechselausstellungen ist dem Werk der deutschen Fotographen Leni und Herbert Sonnenfeld gewidmet, eine den jüdischen Gemeinden in Polen, eine dritte dem Thema „Historische Synagogen in der Türkei".

Aus der Sammlung Sonnenfeld. Mit freundlicher Genehmigung Beth Hatefutsoth

Das Hauptaugenmerk liegt auf der Sonnenfeld-Ausstellung „Never looked better / Hat noch nie besser ausgesehen". Denn hier wird nicht nur die bedeutende historische Sammlung der Fotografien des Künstlerpaares aus Berlin gezeigt. Die Kuratoren der Ausstellung Galit Eilat und Eyal Danon zeigen dieses Werk von historischer Relevanz im künstlerischen Dialog mit jungen zeitgenössischen israelischen und internationalen Künstlern. Michael Blum, Itamar Rose & Yossi Atia, Yael Bartana, Yochai Avrahami und Ilya Rabinovich greifen in ihren Fotografien und Videoarbeiten die Ästhetik der Berliner Fotographen auf und zeigen neue künstlerische Positionen dazu.

So produzierte der österreichische Künstler Michael Blum einen „post-zionistischen ewigen Kalender", der sich kritisch mit der Ästhetik der zionistischen Propaganda der 30er Jahre auseinander setzt. In seinem Kalender entfaltet sich, das visuelle Ursprungsmaterial der Sonnenfelds aufgreifend und umwandelnd, im Verlauf der zwölf Monatsblätter ein neues Narrativ. Die Besucher sind eingeladen, einen dieser immerwährenden Kalender als zionistisches Souvenir mitzunehmen.

Eine andere Mitwirkende der Ausstellung, die israelische Künstlerin Yael Bartana, die international schon einen sehr guten Namen hat und sich hauptsächlich des Mediums Video Art bedient, zeigt diesmal Fotografien. Ihre Themen findet sie meist in einer kritischen Auseinandersetzung mit der aktuellen israelischen Politik. Auf dem internationalen Kunstmarkt liebt das Publikum Israelis, die ihr eigenes Land negativ kommentieren. So zeigte Bartana in einem früheren Video beispielsweise, wie die israelische Flagge vom Andromedafelsen vor Yaffo demontiert und statt dessen ein Olivenbaum gepflanzt wird. Dalia Levin, Direktorin des Museums in Herzlia, dem größten und wichtigsten Museum für zeitgenössische Kunst in Israel kommentiert dieses kunstmarkt-taktische Verhalten kritisch. „Bis vor kurzem ging es in der israelischen Kunst immer um den Palästina- Konflikt, denn das war es wofür sich ausländische Kuratoren interessierten. Ein israelisches Museum sollte jedoch unterschiedliche Standpunkte aufzeigen", sagte sie „Ha’aretz" kürzlich in einem Interview. Die israelische Künstlerin Deganit Berest, 59, bringt es noch deutlicher auf den Punkt: „Es ist als ob man nach Bali oder an einem anderen exotischen Ort reist, und dann erwartet, dass die Einheimischen tanzen. Das frustriert mich." Und auch der junge israelische Kurator Joshua Simon betont:" Bei uns geht es doch nicht immer um Besatzung und Opferrolle."

Beth Hatefutsoth Tel Aviv, Der neue Flügel, 2008. Foto: Naomi Felice Wonnenberg

Dennoch - Künstler, die sich als Negativ-Botschafter des jüdischen Staates der Öffentlichkeit anbieten, werden wesentlich häufiger mit Auszeichnungen belohnt und zur Mitwirkung an wichtigen Ausstellungen eingeladen. So können sie auf der Welle des Anti-Israelismus zu Ruhm surfen. Die Logik hinter diesem Mechanismus ist simpel: Es wäre gesellschaftlich nach der Shoah in Europa nicht akzeptabel, israelische Flaggen zu demontieren. Eine israelische Künstlerin jedoch, die diese Geste übernimmt, kann man politisch korrekt loben und auszeichnen. Gerade weil eine Jüdin oder eine Israelin selber Israel kritisiert, „muss es ja stimmen". Im inner-israelischen Kontext ist mir dieser Mut zur Selbstkritik der israelischen Kunstszene sympathisch. Die Tatsache, dass solche Künstler auch staatliche Stipendien bekommen und in staatlichen Museen ausgestellt werden, ist ein Beweis dafür, dass Israel eine wahre Demokratie ist, in der die freie Meinungsäußerung geschätzt und begrüßt wird. Im internationalen Kontext überkommt mich jedoch Skepsis, wenn so eifrig nach Juden gesucht wird, die man dafür loben kann, dass sie Israel kritisieren und das Stereotyp der Palästinenser als reine Opfer zementieren.

Aus der Sammlung Sonnenfeld. Mit freundlicher Genehmigung Beth Hatefutsoth

In der Ausstellung im Beth Hatefutsoth stellte Bartana mit Freunden die Motive der Sonnenfelds von Arbeitern, Bauern und Soldaten nach. Sie zeichnet die Konstruktion des Bildes vom „neuen Juden" auf schwarz-weiß-Fotografien nach, so wie es von den Sonnenfelds ganz in der Ästhetik des zionistischen Geistes entworfen worden war. Der Kurator Eyal Danon sagt dazu: „Das Endresultat ist eine Serie neuer Repräsentationen, die tief ins kollektive israelische Gedächtnis und Bewusstseins eingebettete Bilder zeigt." Die Idee, den Schwerpunkt auf die Kombination mit zeitgenössischer Video- und Fotokunst zu legen dürfte den Kuratoren wohl „zu Hause" gekommen sein- sie sind im Hauptberuf Kuratoren des Israelischen Zentrums für Digitale Kunst in Holon. Auch ein Grossteil der Sonnenfeld-Fotografien wird in digitalisierter Form gezeigt. Die Fotosammlung Sonnenfeld umfasst rund 200.000 Einzelstücke, wurde dem Beth Hatefutsoth im Jahre 2005 vermacht. Sie stellt eine wichtige Bereicherung des großen öffentlichen Museums - Bildarchivs dar.

Die jüdischen Fotojournalisten Leni und Herbert Sonnenfeld dokumentierten Ereignisse des jüdischen Lebens in Deutschland aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus, Szenen aus den zionistischen Siedlungen in der Zeit vor der Gründung des Staates Israels und zionistische Aktivitäten auf der ganzen Welt. Leni und Herbert Sonnenfeld mussten aus Nazideutschland fliehen und fanden in den USA Aufnahme. Ihr fotographisches Werk dokumentiert das Leben in Israel und jüdisches Leben international über fünfzig Jahre hinweg. Es gilt als eine der wichtigsten fotographischen Sammlungen der Welt, insbesondere was den jüdischen Kontext belangt. Das Bildarchiv des Beth Hatefutsoth-Museums hat die Sammlung von Negativen, Diapositiven und Abzügen seit 2005 sortiert, kategorisiert und registriert. Die Sammlung dokumentiert ausführlich jüdisches Leben in Deutschland in den 1930er Jahren, Immigration in die USA und zionistischen Immigration in das britische Mandat Palästina, sowie die Gründung des Staates Israel. Viele der Bilder zeigen die ersten zionistischen Siedlungen sowie die frühen Jahre in Tel Aviv, Fabriken am Toten Meer und andere Industrieprojekte der zionistischen Pioniere, sowie historische Ereignisse wie die Biltmore Konferenz 1942, wo die jüdische Gemeinde ihre Unterstützung zur Gründung des Staates Israel zusicherte.

Im Bildarchiv des Beth Hatefutsoth wird das Bilderbe der Nachwelt erhalten bleiben und auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich sein. Die Entscheidung, die historischen Bilder in Kombination mit Videokunst in der Wechselausstellung zu zeigen ist sehr begrüßenswert, da dies nicht nur die traditionellen Besucher des Beth Hatefutsoth anspricht, sondern auch in Tel Avivs junger Kunstszene Anklang findet und neues junges Publikum mit künstlerischem Interesse in das jüdische Museum bringen wird.