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DIE MITTELALTERLICHE JUDENGEMEINDE VON NEUNKIRCHEN UND IHRE SYNAGOGE

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(Kurzfassung eines Aufsatzes, der in der Zeitschrift "Unsere Heimat", Jahrgang 71, Heft 1, 2000, des "Vereines für Landeskunde von Niederösterreich" erschienen ist.)

Über die historische Entwicklung der jüdischen Bevölkerung im Gebiet des heutigen Österreich im Zeitraum zwischen Römischer Kaiserzeit und Hochmittelalter sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.
Die Geschichte der mittelalterliche Synagogen im ehemaligen Herzogtum Österreich wurde 1998 von Andrea Sonnleithner im Rahmen ihrer Diplomarbeit vorgelegt. Die Geschichte der mittelalterlichen Synagoge von Neunkirchen wurde nach damaligem Forschungsstand aufgearbeitet. Ausgerechnet wenige Tage bevor diese Arbeit zur Approbation abgegeben wurde, wurden vom Verfasser die baulichen Reste der Synagoge von Neunkirchen bei Abbrucharbeiten entdeckt. Da der archäologisch-kunsthistorische Befund in der kurzen Zeit nicht mehr in die Diplomarbeit aufgenommen werden konnte, entschloss sich der Verfasser, diese Ergebnisse in einem Aufsatz vorzulegen.

Die Neunkirchner Judengemeinde

Wann die ersten jüdischen Familien nach Neunkirchen kamen, ist unbekannt. Der Hauptgrund für ihre Zuwanderung ist wohl in der wirtschaftlichen Bedeutung des Marktes im Mittelalter zu suchen, wobei der Ausbau des Fernverkehrsweges über den Semmering eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte. Die erste gesicherte Nachricht datiert von 1343 und nennt vier jüdische Familien. Man wird aber annehmen dürfen, dass die Gemeinde schon damals größer war. Wahrscheinlich in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde dann in Neunkirchen eine Synagoge errichtet. Die kontinuierliche Existenz einer Neunkirchner Judengemeinde im ausgehenden 14. und im 15. Jahrhundert wird ferner durch die von 1380 bis 1482 überlieferten Judenrichter belegt.
Wo sich das Neunkirchner Judenviertel und seine Synagoge befanden, geht aus einer Schenkung Maximilians I. an die Hieronymusbruderschaft im Jahre 1504 hervor:
Der Landesfürst erlaubte der Bruderschaft, anstelle der Synagoge eine Kirche, die spätere Simoni-Kirche, zu errichten. Im Bereich dieses geplanten Kirchenbaues werden die judenschuel und - neben ihr - zwei judnhewsl genannt.1) Zur genaueren Eingrenzung des kleinen Judenviertels kann eine Nachricht von 1493 herangezogen werden: Die "Judengasse" lag demnach bei der Marktmühle; sie ist also mit der heutigen Mühlgasse gleichzusetzen. Die Fläche des Viertels ist somit mit dem Grundstück des ehemaligen Hotels Jagersberger identisch. Die Nähe zum Bach - ein ehemaliger Seitenarm der Schwarza, heute ein Werkskanal - ist ebenso typisch für die Lage einer Synagoge (siehe dazu unten!), wie die Nähe zur Fernverkehrsstraße, die bis vor wenigen Jahrzehnten über die Triester Straße, das Hohe-Bruck-Tor und wieder die Triester Straße als Hauptverkehrsweg durch Neunkirchen lief.
Die Wiener Geserah 1420/21 hatte keine Auswirkungen auf die Juden von Wiener Neustadt und Neunkirchen. Erst 1496 mußten die Neunkirchner Juden den Ort verlassen. Der Landesfürst brauchte für die Abwehr der in die Steiermark und in Kärnten einfallenden Türken Geld von den steirischen Ständen, und diese forderten als Gegenleistung die Ausweisung der Juden aus der Steiermark, also auch aus Neunkirchen. Als "Entschädigung" für die Mindereinnahmen des Landesfürsten wegen der Judenausweisung zahlte der steirische Landtag 38.000 Pfund Pfennige.2) Die steirischen Juden mussten bis zum Dreikönigs-Tag 1497 das Land verlassen, wobei die Ausweisungsfrist mehrfach verlängert wurde. Ab 1509 waren nur noch die landesfürstlichen Städte Güns, Eisenstadt und Marchegg für Juden erlaubte Aufenthaltsorte. Die Neunkirchner Juden dürften spätestens um 1500 den Ort verlassen haben, denn im Jahre 1504 beklagt Abt Rumpler von Formbach, dass seine Einkünfte, als die Juden noch in Neunkirchen waren, höher waren.3)
Im Landtaiding von 1564 sind bemerkenswerterweise wieder mehrere Bestimmungen bezüglich der Juden enthalten4):

Erstlich wierdet gemelt das ain ieder so in das Marktthaiding gehört hat einen freien Tag vor christen und juden. Si die von Neunkhirchen haben auch die freiheit das niemant in kainem Haus auf der vogtei weeder christen noch juden verpfenden oder verpieten mag. es werde dan ainer zuvor bei gericht fürgewendt.
Ain jud soll ainer wittib oder ainer angesesnen frauen zu Neunkirchen auf nichts anders dann auf ain schreinpfant leihen und nitmehr dann zwei phenning.
Diese Bestimmungen sind allerdings kein Beweis für eine neuerliche Ansiedlung von Juden im Markt. Es handelt sich vielmehr um allgemeine Bestimmungen, wie sie in vielen zeitgenössischen Taidingen festgehalten wurden.

Urkundliche Nennungen von Juden in Neunkirchen

Der erste Nachweis von Juden in Neunkirchen ist im Dienstbuch des Klosters Formbach von 1343 enthalten.5) Die Namen von vier jüdischen Familien sind aufgezeichnet. Sie heißen Azrahel, Efferlin, Judlin und Merchel. Zwischen 1371 und 1386 soll es weitere Nennungen gegeben haben, doch sind die Quellenangaben dafür nicht überprüfbar.6)
Am 22. Jänner 1385 verkauften Rudolf der Schaurbeckh und seine Hausfrau Barbara ihre Veste zu Haspach an Wulfing von Stubenberg um 460 Pfund Wiener Pfennige. Diese Summe schuldete der Verkäufer und sein verstorbener Vater den jüdischen Brüdern Jakob, Izzerlein und Jezzlein zu Neunkirchen, die nun damit bezahlt werden konnten.7) Am 3. März 1394 verkauften Jakob der Jud, Davits Bim von Neunkirchen, Ysserl der Jud und sein Bruder, zwei Weingärten um 47 Pfund Wiener Pfennig dem Michael Glettzel, Bürger zu Neunkirchen.8)
Am 16. Februar 1394 nennt eine Urkunde des Neunkirchner Minoritenklosters Neunkirchen weitere Juden: Jacob der Jud, Davits sun von Newenkirchen und Ysserl der Jud sein pruder... versigelt mit unsers richter Niclaz des Helbarter insigl.9) 1399 stiftete Albero Stüchs von Trautmannsdorf in der Schlosskirche von Trautmannsdorf ein tägliches Amt, zu welchem Hötsch der Jud zu Neuenkhürchen von seinem Weingarten in Flatz, der Pötinger genannt, 4 Pfennige Dienst zu reichen hatte.10) 1449 soll in Neunkirchen eine Jüdin mit Namen Szentmarton gelebt haben.11)
Aus der Zeit Kaiser Friedrich III., in der die landesfürstliche Herrschaft Neunkirchen von Pflegern verwaltet wurde, hören wir am 16. März 1470, dass den Juden zu Neustadt und Neunkirchen vom Kaiser aufgetragen wurde, von der Schatzsteuer des laufenden Jahres dem kaiserlichen Hofmarschall Jörg Fuchs zum Unterhalt der Söldner 200 Pfund Pfennige zu entrichten.12 )
1481 kam es zu einem Zuzug jüdischer Familien aus Marburg und Radkersburg nach Neunkirchen.13)
Die Abwanderung von Neunkirchen erfolgten nach Voitsberg, Wiener Neustadt und Wien.

Die Synagoge von Neunkirchen

Zur Funktion und Gestaltung einer Synagoge sei wieder auf die einschlägige Literatur bzw. auf den Artikel des Verfassers in obgenannter Zeitschrift "Unsere Heimat" verwiesen. Zum Bautyp von Neunkirchen ist zu sagen, dass er dem Charakteristikum mittelalterlicher Synagogen entspricht, nämlich die Tieferlegung des Fußbodens: man muss einige Stufen hinabsteigen, was dem Vers Psalm 129 entspricht ("Aus der Tiefe, Herr, rufe zu Dir"14) .
Der Bau soll ferner nach Osten gerichtet sein, besser noch direkt nach Jerusalem, denn nach Daniel 6/1015) soll sich der Betende bei seinen Wendungen am häufigsten dorthin richten.
Die Ostwand wird Misrach genannt.16) An ihr befindet sich seit dem Mittelalter auch in erhöhter Position der Thoraschrein17), zu dem üblicherweise einige Stufen hinaufführen. Der Schrein selbst ist eine verbaute Wandnische oder ein an der Wand stehender Schrank. Vor der Tür des Schreins befindet sich ein Parochet, das als Trennung des Allerheiligsten vom übrigen Raum fungiert und dem Tempelvorhang entspricht. Die Bima befand sich im Mittelalter immer in der Raummitte. Zur ihr hin waren die Sitzgelegenheiten ausgerichtet.
Zur Nomenklatur ist zu sagen, dass der lateinische Ausdruck scola Judeorum seit dem 9. Jahr-
hundert gebräuchlich ist. Aus ihm ergibt sich auch in direkter Übersetzung der Begriff Judenschul oder nur Schul für die mittelalterliche Synagoge.
Die Neunkirchner Synagoge ist aller Wahrscheinlichkeit nach dem oben erwähnten einfachen Typ zuzuordnen. Ihre Orientierung nach Südosten entspricht einer Ausrichtung nach Jerusalem.

Die Mikwe

Die Mikwe, auch als Mikwa oder Judenbad bezeichnet, ist ein Ritualbad, in dem rituell unreine Personen und Gegenstände durch völliges Untertauchen einen rituell reinen Status erlangen können. Der oft gebräuchliche Ausdruck Frauenbad, der vor allem darin begründet ist, dass sich die Mikwe vor allem von Frauen nach Geburten oder der Regelblutungen dem Ritus unterziehen müssen, entspricht nicht den Tatsachen, da auch Männer oder Sachen unrein werden und dem Tauchbad unterzogen werden können.
Die Mikwe muss traditionell in fließenden oder anderem natürlichen Wasser (Grund- oder Regenwasser) vollzogen werden, wobei dieses nicht geschöpft werden darf. Bei der Benützung eines künstlichen Wasserbeckens waren dessen genaue Maße vorgeschrieben - drei Kubikellen-, und auch bezüglich der Wassermenge - mindestens 800 Liter - gab es strikte Anweisungen. Das Bad hatte neben seiner religiösen durchaus auch hygienische Bedeutung.
Im Falle von Neunkirchens dürfte der in weniger als fünf Metern Entfernung an der
Synagoge vorbeifließende Südarm der Schwarza für das Ritualbad verwendet worden sein. Es muss also in diesem Bereich einen Zugang zum Bach gegeben haben.

Die Simoni-Kirche

Im Jahre 1504 schenkte Kaiser Maximilian zwei öde Judenhäuser und die Judenschul der Hieronymusbruderschaft und erlaubte dieser, anstelle der Synagoge eine Kirche zu errichten.18) Die Quellen zu dieser Bruderschaft sind jedoch sehr dürftig. Das Hieronymusbenefizium wurde im Jahre 1489 vom einstigen Pfarrer von Neunkirchen, Leonhard Gabelhofer, gestiftet. Zu diesem Benefizium waren eine Reihe von Liegenschaften - Wiesen, Äcker, Weingärten, ein Haus und eine Mühl - in und um Neunkirchen gestiftet. Wöchentlich sollten fünf Messen auf dem Hieronymusaltar gelesen werden. Aus der nachstehend angeführten Quelle erfährt man, dass die Kirche ursprünglich nicht Simon geweiht war, sondern Allen Heiligen. Dazu wird im Gloggnitzer Grundbuch von 1548 die genaue Lage der Judenhäuser, der Judenschul und der Umgebung beschrieben. Dort heißt es auf Seite 103:

Zway hewsel bey der judenschuell, dienen 24 d. und sein auch judenheuser gewesenn.
Von der judenschuell dient man 10 d. Und ist yetzo ain kirchenn.
Jorg Fuchs lederer und Affra sein eliche hausfrau s.a.n.u.g.k. [=sein an nutz und gwer khumen] aines haus gelegen zwischen des Hochenkircher und Allerheyligencappelln, so vor zeittn ain judenschuell und nachmaln ain spitall gewesen und etwo des Simon lederer gewesen ist. Und dient etc. 12 d. Actum 1531.
Jorg Hohenkircher ist a.n.u.g.k. [=an nutz und gwer khumen] des hauß so Sigmunden Strobl gewesen und Lucia seiner eelichen hausfrau und nun obbemelter Hochenkircher elichen hat davon er dan des bemelten hauß an nutz und gewer khumen, wie oden stet. Und dient 12 d. Anno 1504.
Mer ist a.n.u.g.k. [=an nutz und gwer khumen] aines halben hauß, so des Manusch juden ist gewesen. Und dient 6 d. Actum 3. August (Samstag vor Oswald) ut supra.
Nach diesem Urbar von 1548 schweigen die Quellen bezüglich der Kirche nach heutigem Forschungsstand bis in das 18. Jahrhundert. Im Jahre 1733 wurde ein Grundbuch der Herrschaft Neunkirchen angelegt. Diese für Neunkirchen überaus wichtige Quelle beinhaltet einen genauen Plan der Grundstücke und Häuser, die mit unterschiedlicher Farbgebung den verschiedenen Grundherrschaften zugeordnet sind. Die die ehemaligen Synagoge bzw. Allerheiligen- oder Simoni-Kirche betreffenden Grundbuchsblätter und der dazugehörige Plan sollen hier näher untersucht werden:
Die Liegenschaften befinden sich laut Plan in der Spital-Gassen, das ist die heutige Triester Straße, im Bereich der Oberen Zeil. Diese ist der westliche Teil der Häuserzeile vom Eckhaus am Hauptplatz über das ehemalige Hotel Jagersberger bis zur Hohen Brücke in der heutigen Seebensteiner Straße. Von Interesse sind die Liegenschaften Nr. 2, 3 und 4. Diese Grundstücke stoßen im Westen bzw. Nordwesten an die heutige Mühlgasse, ehemals Lichtenstegplatz an. Der heutige Werkskanal, an dem die ehemalige Paulanermühle, später "Schwefelmühle" der "Blaufabrik", heute Firma Steiner, stand, wird im Plan bzw. in der Beschreibung als Schwarza bezeichnet, galt also als Teil des Schwarzaflusses. Demnach bestand der Kanal offensichtlich schon vor der Siedlungsanlage; er ist also ein natürliches und kein künstlich geschaffenes Gerinne. Er war zugleich die Südgrenze des befestigten Marktes, der dort allerdings keine Befestigungen aufwies.
Entlang dieses Seitenarmes der Schwarza gab es einen im Plan von 1733 gut erkennbaren schmalen Zugang (Weg) von der Spitalgassen zum Lichtensteg - viel schmäler als die heutige Zufahrt und besonders im Bereich der heutigen Ecke der Firma Steiner (ehemalige Mühle) verengt. Im Plan ist an dieser Stelle ein rechteckiges Grundstück eingezeichnet, welches nicht zur Herrschaft Neunkirchen zählt, sondern seiner Planfarbe nach Minoriten-Grundherrschaft zuzuorden ist. Das Gleiche gilt für das Grundstück, das sich Richtung Spitalgasse (=Triester Straße) erstreckt und auf dem sich heute der (Neu-)Bau des ehemaligen Hotels Jagersberger und der südlichen Teil eines Parkplatzes (=ehemalige Tankstelle) befinden. Im Grundbuch sind diese Grundstücke folgendermaßen beschrieben:
In der Spital=Gassen auf der Oberen Zeil. N° 2:
Der Fahr=Weeg zu der sogenannten Liechten Steeg=Mühl zwischen des Johann Brunners Hauß und des St=Simonis=Capellen Gärtl, so der Anrainung halber Vorgemerkt wird.
In der Spital=Gassen auf der oberen Zeil. N° 3.:
Ein Gärtel vulgo das St:Simonis Capellen Gertel, worauf vor zeiten zwaÿ Häußel ge-standen, die zur Priester bruderschafft allda zu Neünkirchen gehören, und innhalt Gab=brief vom König Maximiliano de dato AugsPurg den 6ten Maÿ Ao im vierdten allerdings freÿ seÿnd bieß auf ernannte St: Simonis Capellen ruckwärts anstoßend; einerseits des liechten Steeg MühlfahrWeeg, andererseits Domincicus Lang Hauß, und HofMarck gelegen so. N. Pater Guardian, und Convent des Minoriten=Closter allda in Neünkirchen dermahlen besitzen, und der Anrainung halber angemerkt ist.

In der Spital-Gassen auf der oberen Zeil. N° 4:
Von ein Hauß samt Hof=marck daran bies auf das LiechtenSteeg Mühl=Plätzl, in der Spitall=Gassen auf der oberen Zeil. Einerseits neben St. Simonis Capellen=Gärtl, Andererseits des Ignati Oberndorffers Hauß, und Hof Marck ligend, mit darauf verliehenen bürger[lichen]. Gewerb=Gerechtigkeit.

Ordnet man nun die beschriebenen Grundstücke der Karte zu, die äußerst genau gezeichnet ist und dem heutigen Bestand durchaus noch entspricht, so ist:
1. der Fahrweg nur halb so breit wie die heutige Zufahrt zum ehemaligen Liechtenstegplatzl, aber in jedem Falle mit dieser identisch.
2. das Grundstück, auf dem die schon im Spätmittelalter und vor allem im Gloggnitzer Urbar von 1548 genannten ehemaligen Judenhäuser standen, identisch mit der Nr. 3 des Grundbuches von 1733, das hier als ein Garten des Minoritenkonvents von Neunkirchen eingetragen ist.
3. ist das nordwestlich an Grundstück Nr. 3 anschließende, im Plan eingezeichnete rechteckige Gebäude, das wiederum dem Minoritenkonvent gehörte, die Simoni-Kirche bzw. Allerheiligenkapelle, also die ehemalige Synagoge.
4. ist das Grundstück Spitalgasse Nr. 4 identisch mit dem Grundstücke des Jörg Lederer von 1548.
5. ist das Grundstück Nr. 5 des Ignaz Oberndorfer ident mit dem heutigen Grundstück der Volksbank Neunkirchen.

Das Grundbuch von 1733 wurde bis 1765 weitergeführt. Es gibt keine Auskünfte über den Brand der Simoni-Kirche im Jahre 1758. Nach 1758 wurde die Kirche wiederhergestellt, aber schon 1788 profaniert und an den Hafner Anton Pichler verkauft.
Die Nachricht, daß die Liegenschaft mit der Simoni-Kirche später von der Familie Jagersberger gekauft worden sei, mag wohl stimmen, doch dürfte es sich dabei primär um das St. Simonis Gärtl gehandelt haben. Zum Haus Nr. 53 (=ehemalige Numerierung; heute Triesterstraße Nr. 19) vermerkt nämlich Karl SCHMIDL:
"Auch der Garten des gegenüberliegenden Hotels ‚Zum goldenen Löwen' gehörte zu diesem Haus. Erst der spätere Eigentümer verkaufte diesen Garten an die Besitzerin des Gasthauses "Zum Löwen", Anna Hamböck."19) Deren Nachfolger war der Gastwirt Dientler, der das Haus an Josef Jagersberger verpachtete.20) Die Kirche selbst dürfte bald abgerissen worden sein, um einen einigermaßen breiten Zugang bzw. eine Zufahrt zum Liechtenstegplatz zu schaffen.
Die bisherige Annahme21), dass die Stallungen des Gasthofes Jagersberger die ehemaligen Synagoge/Simonikirche gewesen wären, ist also unrichtig. Die letzte Möglichkeit für eine Untersuchung der Reste der ehemaligen Synagoge bzw. Simoni-Kapelle hätte sich anlässlich von Kanalbauarbeiten in diesem Bereich geboten. Da aber in allen bisherigen Werken über die Geschichte Neunkirchens die Synagoge eindeutig in den "Stallungen" des Hotels Jagersberger lokalisiert worden war, unterblieb dies. Der letzte Hinweis auf die Simoni-Kirche ist der noch bestehende Markttag am 28. Oktober, der Simonimarkt.

Bildquellen

Die einzige Bildquelle für die Synagoge bzw. Simoni-Kirche ist ein barockes Ölgemälde, das den heiligen Florian darstellt.22) In der linken unteren Ecke findet sich eine zeitgenössische Darstellung des Marktes Neunkirchen. Das Floriani-Bild kann aufgrund mehrerer historischer Indizien zwischen 1712 und 1725 datiert werden. Die Simoni-Kirche ist links in der Nähe des Hohe-Bruck-Tores zu sehen; wie auch die anderen Sakralbauten ist sie etwas überproportional dargestellt. Es handelt sich um einen rechteckigen Saalbau mit Satteldach und Turmreiter (Zwiebelhelm?). An der Längsseite befinden sich ein rundbogiger Eingang und im oberen Bereich zwei Rundbogenfenster. Die Ostseite zeigt ebenfalls zwei Rundbogenfenster sowie ein Rundfenster im Giebel.
Von der Simoni-Kirche gab es noch vor dem Zweiten Weltkrieg eine heute verlorene Abbildung, die sich im Wiener "Jüdischen Museum" befand.

Zur Fundgeschichte

Aus der Literatur war, wie oben ausgeführt, seit Jahrzehnten bekannt, dass sich im Bereich des ehemaligen Hotels Jagersberger, Triester Straße 10 - Mühlgasse 2, die mittelalterliche Synagoge von Neunkirchen befunden haben soll.23) Auch der ehemalige Kustos des Heimatmuseums Neunkirchen, Karl SCHMIDL, berichtete über den Standort der "Judenschule"24), was aber nicht zu einem breiteren Wissen um die vormalige Existenz des Baues beitrug und überdies, wie oben dargestellt, den Standort der Synagoge falsch überlieferte. Als man nun bezüglich eines Abrisses der ehemaligen Stallungen und Nebengebäude im Bereich der Mühlgasse eine Bauverhandlung durchführte, waren diese vermeintlich historischen Gegebenheiten keinem der Beteiligten - weder den Eigentümern noch den Behörden - bekannt. Dazu kam, dass der Gebäudekomplex Privatbesitz war, und aus diesem Grund auch kein Anlass für eine Unterschutzstellung nach dem Denkmalgesetz vorhanden war.
Im März 1998 begannen die Abbrucharbeiten und wurden von diesem Zeitpunkt an vom Verfasser, der die Synagoge zunächst ebenfalls hier vermutete, überwacht. Als die Bruchsteinmauer an der Grundstücksgrenze zur Volksbank (Triesterstraße Nr. 8) sichtbar wurde, stellte er anhand der Struktur sofort fest, dass es sich dabei um ein spätmittelalterliches Bauteil handelte (siehe Mauer 1). Dankenswerterweise erklärte sich die beschäftigte Abbruchfirma bereit, in diesem Bereich "sorgfältiger und schonender" zu arbeiten. Schließlich kamen im Bereich der Gewölbezwickel und im Mauerspalt darunter Keramik und Tierknochen zum Vorschein. Die Keramik konnte eindeutig der Zeit um 1500 zugeordnet werden.


Minoritenkloster Neunkirchen, Florianbild, zwischen
1712 und 1725, Auschnitt: Die Simoni-Kapelle; im
Vordergrund das Hohe-Bruck-Tor.- Photoreproduktion.
-Reproduktion nach dem Original.


Ausschnitt aus dem Plan von 1733.- Photoreproduktion. Legende: 1=ehem. Synagoge; Simoni Kapelle
2=Simoni-Gärtlerin; Bereich der "zwei Judenhäuser"
3="Stallungen"


Zusammenfassung
Aus den oben dargelegten Forschungsergebnissen ergibt sich nun eindeutig, dass die aufgefundene Mauer 1 wohl aus dem 14. Jahrhundert stammt, dass diese aber auf Grund der oben dargelegten Untersuchungen nicht der Synagoge des 14./15. Jahrhunderts zugeordnet werden kann. Für die anfängliche Fehlinterpretation war, wie schon erwähnt, entscheidend, dass alle bisherigen Autoren die Synagoge in den Stallungen des Hotels suchten, und erst das intensive Quellenstudium durch den Verfasser diesen Irrtum klären konnte. Man wird den Mauerrest des 14. Jahrhunderts aber mit einiger Berechtigung einem Gebäude des ehemaligen Ghettos, also einem "Judenhaus", zuordnen können.

Quellen
1) Germaniae Judaica III/2 952.
2) Gustav CZIZEK, Jüdische Mahnmale in Neunkirchen. In: Die nö. Wirtschaft. Mitteilungsblatt der Wirtschaftskammer NÖ.
Nr. 10 vom 14.3.1997, 38.
3) Leopold MOSES, Synagogenbauten und deren Reste in Niederösterreich.
In: UH 5 (1932) 297ff.
4) NÖW I 211f.
5) TopNÖ VII 206; das Dienstbuch befindet sich in Privatbesitz.
6) Andrea SONNLEITHNER, Mittelalterliche Synagogen im ehemaligen Herzogtum
Österreich (Phil. Dipl. Wien 1998) 156.
7) StmLA, Urkunde 3513.
8) Archiv des Minoritenkonvents Wien,
P. Landulf HONICKEL OFMConv,
Archivinventar (1970) 40.
9) Karin u. Thomas KÜHTREIBER, Christina MOCHTY, Maximilian WELTIN, Wehrbauten und Adelssitze Niederösterreichs I. VUWW I = Sonderreihe STUF (St. Pölten 1998) 175f.
10) Karl SCHMIDL, Geschichte der Juden
in Neunkirchen.
In: Mitteilungsblatt der Stadtgemeinde Neunkirchen ("Die Gemeindestube")
(Mai 1968); leider ohne Quellenangabe.
11) SONNLEITHNER, Mittelalterliche
Synagogen 156.
12) SCHMIDL, Geschichte der Juden
(wie Anm. 14).
13) SONNLEITHNER,
Mittelalterliche Synagogen 156.
14) Ps 129/1: De profundis clamavi ad te Domine [...]; Text nach: Biblia sacra iuxta
vulgatam versionem [Vulgata]
(Stuttgart 31983) 935.
15) Demnach sah Daniel beim Gebet durch
die geöffneten Fenster Richtung Jerusalem: ... et fenestris apertis in cenaculo suo contra Hierusalem tribus temporibus in die flectabat genua sua et adorabat confitebatur coram
Deo suo sicut et ante consuerat [...]; Text nach: Vulgata (Stuttgart 31983) 1357.
16) Misrach bedeutet eigentlich "Sonnenaufgang", dann aber "Ostseite".
Die strikte Ostung von Synagogen ist allerdings erst eine spätere Entwicklung. - Als Misrach werden auch gedruckte oder gemalte Blätter bezeichnet, die in Privathäusern die Gebetsrichtung anzeigen.
17) Ursprünglich war der Thoraschrank ein bewegliches Element; erst im Mittelalter wurde er in eine meist apsidenartige Nische an der Ostwand verlegt.
18) Germaniae Judaica III/2 952.
19) Karl SCHMIDL, Neunkirchen vor 100 Jahren. In: Schwarzataler Bezirksbote 24/1970 (1971). Neudruck als: Karl SCHMIDL, Neunkirchen vor 100 Jahren = Geschichte von Neunkirchen 5 (Neunkirchen 1989) o.S. [43f]. - Anna Hamböck ist um 1870
als Eiegentümerin nachgewiesen.
20) SCHMIDL,
Neunkirchen vor 100 Jahren [51].
21) SCHMIDL, Neunkirchen
vor 100 Jahren [51].
22) Original im Minoritenkloster Neunkirchen;
Kopie im Neunkirchner Heimatmuseum.
23) MOSES, Synagogenbauten 297ff.
24) Karl SCHMIDL, Chronik und Topographie von Neunkirchen.
In: Mitteilungsblatt der Stadtgemeinde Neunkirchen ("Die Gemeindestube") (1970-76).